Pressemitteilung | Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V. (VDAB) - Bundesgeschäftsstelle und Landesverband Nordrhein-Westfalen

Pflegesystem zeigt schwerwiegende Mängel / VDAB: Reform des Systems ist notwendiger denn je

(Essen) - „Abgezockt und totgepflegt – Alltag in Deutschen Pflegeheimen“ – so lautet der Titel eines in der vergangenen Woche erschienenen Buches, das nicht nur in der Pflegebranche eine weit reichende Diskussion auslöste. Neben gravierenden Mängeln in der Pflege und in der Organisation der Heime beklagt Autor Markus Breitscheidel die schlechten strukturellen Rahmenbedingungen der Pflege.

„Es muss endlich ein Ruck durch die Gesundheitsbranche gehen, der die nicht erst durch das Buch aufgezeigten Missstände gerade rückt“, betont Artur Geisler, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V. (VDAB). „Die aktuell angeprangerten Missstände sind der negative Höhepunkt in der gesellschaftlichen Diskussion der letzten Jahre. Das System Pflege ist selbst zu einem Therapiefall geworden.“ Die „Pannen“, prophezeit Geisler, würden zunehmen, wenn nicht endlich gehandelt werde.

„Zu Mängeln in der Pflege darf es nicht kommen“, stellt Geisler ausdrücklich klar. Wer hier eine andere Haltung einnehme, habe im Gesundheitssystem nichts verloren. „Wer jedoch die Schuld daran einzig den Betreibern von Pflegeeinrichtungen zuschiebt, der irrt.“ Zugleich warnte Geisler vor zweifelhaften Verallgemeinerungen in der öffentlichen Diskussion.

In unserem Pflegesystem brauchen wir eine qualitätsorientierte bessere Personalausstattung der Pflegeeinrichtungen, sowohl in der Menge als auch in der Qualität. Trotz gravierend angestiegenem Pflegebedarf der heute in Pflegeeinrichtungen lebenden Pflegebedürftigen werde nahezu mit der gleichen Anzahl von Personal wie vor Inkrafttreten der Pflegeversicherung gearbeitet. „Wir arbeiten heute mit der Personalstärke von vor zehn Jahren. In der Pflegelandschaft hat sich jedoch eine Verschiebung weg vom Altenheim hin zum Pflegeheim ergeben“, mahnt Geisler. „Deshalb verwundert es nicht, wenn es zu Missständen in der Pflege und zu Überlastungen des Personals kommt“.

Wir brauchen eine qualitätsaufbauende neue Handlungsweise hinsichtlich der Finanzierung von Pflege in Pflegeheimen. Wir brauchen sachgerechte Heimentgelte, die eine Qualität der Leistungen auf hohem Niveau zulassen. „Wir sind derzeit in ein staatlich reguliertes striktes Preisfestlegungssystem, dominiert von den Pflegekassen und den Finanzhaushalten der Sozialhilfeträger, eingebunden“, so Geisler. „Sind deren Kassen leer, muss die Qualität der Pflegeleistungen meist zurück stehen.“ In diesem System müssen die Pflegeeinrichtungen häufig die Haushaltslöcher der Sozialhilfeträger stopfen.

Unnötige Bürokratiekosten, steigende Lebenshaltungskosten und neue behördliche Reglementierungen sind u.a. von den Heimen vielfach ohne Refinanzierung zu tragen. Diese Ausgaben fehlen letztlich für die Pflege am Menschen, weil zum Ausgleich die Sach- und Personalkosten reduziert werden müssen. Denn nach dem für alle Pflegeheime gleichermaßen verpflichtenden Heimgesetz dürfen Heime nicht unwirtschaftlich arbeiten. Der Bereich der Pflege am Menschen breche immer weiter ein, so Geisler.

Wir brauchen eine qualitätsunterstützende, sachgerechtere und abgestimmtere Prüfung der Pflegeheime, die sich gezielt auf die Ergebnisqualität ausrichtet. Das Modell der letzten Jahre, Qualität durch Überreglementierung und eine striktere Gesetzgebung in die Pflegeheime hineinzuregulieren, ist endgültig gescheitert.

„Die Ausrichtung der notwendigen Kontrollen auf die Ergebnisqualität bei zugleich verbreitertem Verantwortungsbereich der Einrichtungen ist der richtige Weg zu besserer Qualität.“
Wir brauchen eine qualitätsaufbauende Einstufung der Bewohner. Deutlich erkennbar ist, dass immer mehr Pflegebedürftige, trotz gestiegenem Pflegeaufwand, vorwiegend den niedrigeren Pflegestufen zugeordnet werden. „Für niedrigere Pflegestufen gibt es aber nicht nur weniger Geld, sondern auch weniger Personal für das Heim. Und letztlich auch weniger Qualität, denn die Personalschlüssel in den Pflegestufen I und II sind nicht auskömmlich.“

Die Vorgehensweise der Pflegekassen und der Sozialhilfeträger bei den Vergütungsverhandlungen ist geprägt durch die Finanzknappheit der Sozialhilfeträger – und dies zum Leidtragen der Pflegebedürftigen. „Wir brauchen qualitätsorientierte sachgerechte Rahmenbedingungen, die nicht nur fordern, sondern auch die notwendigen Mittel und die notwendige Freiheit bereitstellen“, betont Geisler. „Eine Reform des Pflegesystems ist heute notwendiger denn je. Finanzierbare Standards müssen dringend festgelegt werden.“

Quelle und Kontaktadresse:
Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V. (VDAB) Nicole Meermann, Pressereferentin Im Teelbruch 132, 45219 Essen Telefon: 02054/9578-0, Telefax: 02054/9578-40

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