Pressemitteilung | Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)

PISA 2003: „Ungerechtigkeit im Schulsystem wird größer“ / Deutschland weiter in der zweiten Liga / Förderprogramm für sozial Benachteiligte

(Frankfurt am Main) – „Keinen Grund zur Entwarnung“ sieht die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit Blick auf die leicht verbesserten Ergebnisse deutscher Schülerinnen und Schüler bei PISA 2003. „Deutschland spielt weiter in der zweiten Liga. Das größte Problem ist jedoch: Die Ungerechtigkeit in unserem Schulsystem nimmt weiter zu. Zwar haben Schüler vor allem an Gymnasien in Mathematik etwas bessere Ergebnisse erzielt. Schwächere Schüler sind jedoch auf dem niedrigen Leistungsniveau geblieben“, sagte GEW-Schulexpertin Marianne Demmer am Sonntag in Frankfurt a.M.. Es sei ein offenes Geheimnis, dass gerade an Gymnasien für den PISA-Test fleißig trainiert und wohl auch verschärft ausgesiebt worden ist, erklärte Demmer die Leistungszuwächse in der Spitze. Trotzdem hätten deutsche Schüler gegenüber den Spitzenländern über ein Schuljahr Leistungsrückstand. Auch die Gruppe auf der höchsten Kompetenzstufe liege nur im OECD-Durchschnitt.

„Unser gegliedertes Schulsystem führt am unteren Ende ins Elend und am oberen ins Mittelmaß. Es wird Zeit, den Umbau des Schulsystems in Angriff zu nehmen“, sagte Demmer. „Deutschland braucht für seine Entwicklung alle jungen Menschen und zwar auf dem bestmöglichen Bildungsniveau. Das weitere Verschleudern von ‚Begabungsreserven’ ist hochgradig dumm und unverantwortlich.

Als Sofortmaßnahme machte sich die GEW-Schulexpertin für ein Sprachförderprogramm für Schüler aus sozial schwächeren Elternhäusern und Kindern aus Einwandererfamilien stark. Insbesondere Schüler an Hauptschulen und in der Sekundarstufe I müssten unterstützt werden. „Die Gruppe unserer ‚Sorgenkinder’, der sogenannten ‚Risikoschüler’, ist mit weiterhin über 20 Prozent eines Jahrgangs erschreckend hoch. Es ist verantwortungslos, eine ganze Schülergeneration abzuschreiben“, betonte Demmer mit Blick auf die 2001 beschlossenen Handlungsfelder der Kultusminister. Diese hätten erklärt, ihre Maßnahmen können frühestens in zehn Jahren Wirkung entfalten. Als „Risikoschüler“ werden die 15-Jährigen bezeichnet, deren Mathematik- und Lesekompetenzen nicht über Grundschulniveau hinausgehen.

Die Gewerkschafterin mahnte den schrittweisen Umbau des gegliederten deutschen Schulwesens an. „In fast keinem anderen OECD-Land ist der Schulerfolg der Kinder so stark vom sozialen Status der Eltern abhängig wie in Deutschland. Schule verstärkt soziale Nachteile sogar noch. Das Beispiel des PISA-Siegers Finnland zeigt: Ein integratives System, das alle Kinder individuell fördert statt sie auszulesen, ist in jeder Hinsicht erfolgreicher“, begründete Demmer ihren Vorstoß.

Sie schlug vor, zusätzliche Gelder für den Ausbau der Lehrerfortbildung bereit zu stellen. Lehrerfortbildung könne gezielt Qualitätsentwicklungsprozesse an den Schulen unterstützen. Zugleich drängte sie auf eine konsequente Reform der Lehrerausbildung. Die Ausbildung solle stärker auf Vermittlungs- und methodische Kompetenz der Lehrer ausgerichtet werden. Die Praxisanteile seien zu erhöhen. „Die Länder müssen ihren Kurs korrigieren: Die Lern- und Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte aus finanziellen Gründen zu verschlechtern, geht absolut in die falsche Richtung “, unterstrich Demmer.

Quelle und Kontaktadresse:
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Reifenberger Str. 21, 60489 Frankfurt Telefon: 069/78973-0, Telefax: 069/78973-201

NEWS TEILEN: