Pressemitteilung | Deutscher Städtetag - Hauptgeschäftsstelle Berlin

Präsident Ude: „Keine Experimente an der Gewerbesteuer“ – Defizit der Kommunen steigt um zwei Milliarden Euro

(Berlin) - Die nach wie vor kritische Finanzlage vieler Städte erlaubt nach Auffassung des Deutschen Städtetages keine unkalkulierbaren Experimente an der Gewerbesteuer.

Das machte der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Christian Ude, heute (29. September) in München bei der Vorstellung des Gemeindefinanzberichtes 2005 mit aktuellen Daten und Fakten zur kommunalen Finanzlage deutlich. Ude bezog sich damit nicht nur auf die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen in Berlin, sondern besonders auf das zur Zeit diskutierte Modell der Stiftung Marktwirtschaft. Danach soll die Gewerbesteuer durch eine rein gewinnabhängige Unternehmenssteuer und eine Beteiligung der Gemeinden an der Lohnsumme ersetzt werden.

Kritik am Kommunalfinanz-Modell der Stiftung Marktwirtschaft

„Wir sind froh, dass sich die Gewerbesteuer nach den dramatischen Einbrüchen
der Jahre 2001 bis 2003 inzwischen wieder erholt. In dieser Situation die wichtigste Steuerquelle der Städte durch fragwürdige Ersatzlösungen zu gefährden, ist ein Spiel mit dem Feuer, obwohl der letzte Brand im kommunalen Haus noch nicht gelöscht ist. Bislang ist keine verlässliche Alternative zur Gewerbesteuer in Sicht“, sagte der Städtetagspräsident mit Blick auf das Modell der Stiftung Marktwirtschaft:

„Die Städte erwarten deshalb von den künftigen Koalitionspartnern im Bund, dass sie sich diesen Vorschlag auf keinen Fall zu eigen machen.“

Das Konzept der Stiftung demontiere die elementaren Entscheidungsrechte der Kommunen über die Höhe ihrer wichtigsten Steuer so dramatisch, dass es verfassungsrechtlich nicht haltbar sein dürfte. Das im Grundgesetz festgelegte Hebesatzrecht der Kommunen verkümmere in dem Modell zur Bedeutungslosigkeit. Außerdem würden Belastungen von Unternehmen auf die Bürgerinnen und Bürger verlagert. Der Städtetag, so Ude, sei bereit, mit Stiftungsvertretern deren Konzept zu erörtern, doch die Städte erwarteten im Gegenzug eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihren Kritikpunkten. Im übrigen müssten zu jedem Vorschlag für Änderungen am Gemeindesteuersystem die finanziellen Auswirkungen für die Städte und Gemeinden präzise quantifiziert werden, auch nach unterschiedlichen Größenklassen. (Für weitere Details siehe Beschluss des Deutschen Städtetages vom 20.09.2005 zum Modell der Stiftung sowie Seiten 30-35 Gemeindefinanzbericht.)

Hohe Defizite, steigende Sozialausgaben, niedrige Investitionen

Der neue Gemeindefinanzbericht mit dem Titel „Keine Entwarnung trotz gestärkter Gewerbesteuer“ weist aus, dass die Kommunen 2005 im Vergleich zum Vorjahr mit einem Anstieg ihres Jahresdefizits – Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben – von 3,8 auf 5,8 Milliarden Euro rechnen müssen. Noch alarmierender sind die dauerhaften strukturellen Defizite in den Verwaltungshaushalten: Trotz der Zuwächse der Gewerbesteuer in 2004 konnten die Städte ihre Defizite in den Verwaltungshaushalten nicht reduzieren: Sie summierten sich 2004 allein bei den Mitgliedsstädten des Deutschen Städtetages auf rund 9,1 Milliarden Euro und verharrten damit auf der Rekordhöhe von 2003, dem schwersten Krisenjahr der Städte seit Bestehen der Bundesrepublik.

Städtetagspräsident Ude charakterisierte die aktuellen Daten und Fakten des Gemeindefinanzberichtes wie folgt: „Die hohen Defizite der Kommunen sind besorgniserregend, ihre Sozialausgaben steigen und steigen, ihre Investitionen stagnieren auf niedrigem Niveau. Nicht nur die Städte selbst brauchen hier eine Trendwende. Unser ganzes Land würde von leistungsfähigeren Städten profitieren. Die Kommunen sind der größte öffentliche Investor und könnten mit mehr Investitionen einen wichtigen Beitrag für Wachstum und Arbeitsplätze leisten.“

Christian Ude zog aus den Daten des Gemeindefinanzberichts das Fazit, weder jahrelange strikte Haushaltskonsolidierung noch gestiegene Einnahmen aus der Gewerbesteuer hätten die Stadthaushalte sanieren können. Die Entwicklung der Kommunalfinanzen im vergangenen Jahrzehnt zeige: „Die neue Bundesregierung muss endlich eine Gemeindefinanzreform verwirklichen, die die Finanzkraft der Städte stärkt und ihre Einnahmen verstetigt.“

Hartz IV muss den Städten die versprochene Entlastung bringen

Der für 2005 erwartete Anstieg des kommunalen Jahresdefizits auf 5,8 Milliarden Euro resultiert vor allem daraus, dass die Länder ihre Entlastungen durch Hartz IV bislang nicht in voller Höhe an die Kommunen weitergeben und dass sie außerdem ihre laufenden Zuweisungen an die Kommunen deutlich geringer anheben, als sie dies aufgrund von Hartz IV tun müssten. Dadurch kürzen die Länder faktisch ihren Kommunen 2005 gegenüber 2004 die Zuweisungen um 2 Milliarden Euro.

Der Städtetagspräsident: „Bund und Länder sind in diesem Herbst gemeinsam gefordert, damit die Städte, wie im Gesetz zugesagt, um 2,5 Milliarden Euro durch die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe entlastet werden.“ In den nach dem Gesetz vorgesehenen Revisionsverhandlungen zur Überprüfung der Entlastung der Kommunen müsse in den nächsten Wochen zwischen Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden ein einvernehmliches Ergebnis festgelegt werden.

„Es geht dabei nicht nur um die Entlastung der Kommunen im Jahr 2005“, so Ude weiter: „Auch für das Jahr 2006 muss gesichert werden, dass der Bund sich in der erforderlichen Höhe an den Unterkunftskosten für die Bezieher von Arbeitslosen-geld II beteiligt.“ Sollte bei den Revisionsgesprächen keine Übereinkunft erzielt werden, fordere der Deutsche Städtetag den Gesetzgeber auf, den gesetzlich festgelegten Bundes-anteil an den Kosten der Unterkunft in Höhe von 29,1 Prozent auch für das Jahr 2006 so rasch wie möglich gesetzlich festzuschreiben. Um die versprochene Entlastung der Kommunen zu sichern, müssten außerdem die Länder ihre Entlastungen aus Hartz IV voll an die Kommunen weitergeben.

Weitere Daten des Gemeindefinanzberichtes im Detail

Städtetagspräsident Ude stellte gemeinsam mit Hauptgeschäftsführer Dr. Stephan Articus und dessen Stellvertreterin, Finanzdezernentin Monika Kuban, weitere wichtige Daten aus dem Gemeindefinanzbericht vor:

Die Einnahmen der Kommunen stagnieren im Zehn-Jahres-Vergleich. Das zeigt, dass die Städte keine großen Sprünge machen können. 2004 lagen die Einnahmen mit 145,34 Milliarden Euro nur geringfügig über denen des Jahres 1994 in Höhe von 144,59 Milliarden Euro. 2005 werden sich die Einnahmen voraussichtlich leicht um 1,2 Prozent verbessern.

Die Ausgaben der Kommunen sind im Zehn-Jahres-Vergleich nicht gestiegen. Das zeigt, wie eisern die Städte seit Jahren sparen. 2004 betrugen die Ausgaben 149,15 Milliarden Euro, 1994 waren es 150,44 Milliarden Euro. 2005 wird vor allem durch Hartz IV ein Ausgabenanstieg um 2,5 Prozent erwartet.

Die Investitionen in den Kommunalhaushalten sind dramatisch abgerutscht. Sie liegen inzwischen um über 40 Prozent niedriger als 1992. Im Jahr 2004 beliefen sie sich auf 19,7 Milliarden Euro, 1992 waren es noch 33,5 Milliarden Euro. 2005 ist eine Stagnation zu erwarten, die Trendwende bleibt erneut aus.

Die Sozialausgaben der Kommunen sind dramatisch in die Höhe geklettert. Seit 1992 stiegen die Sozialausgaben trotz der Entlastungen durch die Einführung der Pflegeversicherung um mehr als 45 Prozent. Allein in den vergangenen vier Jahren erhöhten sie sich um fast 5,7 Milliarden Euro auf 31,9 Milliarden Euro.

Die Kassenkredite der Kommunen sind explodiert. Das zeigt, wie stark die Städte laufende Ausgaben auf Pump finanzieren müssen. 1992 lagen die Kassenkredite noch bei 1,2 Milliarden Euro, Ende 2004 waren es 20,2 Milliarden Euro. Allein in den vergangenen vier Jahren stiegen die Kassenkredite um 12 Milliarden Euro.

Die Einnahmen der Kommunen sind 2004 um 2,8 Prozent gestiegen, 2005 wird ein leichter Zuwachs von 1,2 Prozent erwartet. Nachdem 2004 ein starkes Plus bei der Gewerbesteuer zu verzeichnen war – die Kommunen mussten auch erstmals seit dem Jahr 2000 nicht mehr als 20 Prozent von der Gewerbesteuer an Bund und Länder abführen (Gewerbesteuerumlage) – wird 2005 nur mit einem leichten Anstieg des Gewerbesteueraufkommens um 3,7 Prozent gerechnet. Der Anteil der Gemeinden an der Einkommensteuer ging dagegen 2004 um 6,3 Prozent zurück und wird auch 2005 im fünften Jahr in Folge sinken, diesmal um voraussichtlich 3,1 Prozent. Seit dem Jahr 2000 sind die Einnahmen aus dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer um über 3,3 Milliarden Euro auf 18 Milliarden Euro gesunken.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Städtetag, Hauptgeschäftsstelle Berlin Straße des 17. Juni 112, 10623 Berlin Telefon: 030/377110, Telefax: 030/37711999

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