Pressemitteilung | Deutscher Städtetag - Hauptgeschäftsstelle Berlin

Präsidium und Hauptausschuss des Städtetages tagten in Hannover / Städte stehen zur Arbeitsmarktreform Hartz IV, halten aber weitere Korrekturen für nötig

(Berlin) - Der Deutsche Städtetag hat begrüßt, dass die große Koalition mit dem gestern im Bundestag verabschiedeten Fortentwicklungsgesetz zum Sozialgesetzbuch II das Problem der stark gestiegenen Zahl der Leistungsbezieher und der Kosten angepackt hat. Der kommunale Spitzenverband verfolgt aber mit Sorge, dass die Zahlen auch im Mai erneut gestiegen sind. Präsidium und Hauptausschuss des Städtetages forderten heute in Hannover, die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld II und Unterkunftskosten weiter zu überarbeiten und sich dabei an der früheren Sozialhilfe zu orientieren. Kürzungen der Regelsätze lehnten die Städte dagegen eindeutig ab.

Der Präsident des Deutschen Städtetages, der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, sagte: „Es war und bleibt richtig, dass Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe in einem System für alle Langzeitarbeitslosen zusammengefasst worden sind. Das Fortentwicklungsgesetz leistet nun einen wichtigen Beitrag, um Fehlanreize abzubauen.“ Positiv sei ebenso, dass die Koalition im Herbst im Zuge der Niedriglohn- und der Mindestlohn-Debatte die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik überprüfen und möglicherweise dann weitere Nachjustierungen vornehmen wolle.

Den Kommunen drohen 1,5 Milliarden Euro höhere Unterkunftskosten
„Wir glauben, dass weitere Schritte möglich und erforderlich sein werden, um die Leistungen noch stärker auf die wirklich Bedürftigen zu konzentrieren und das System auf Dauer finanzierbar zu halten“, so Ude. Er verwies auf den anhaltenden Anstieg der Zahl der Bedarfsgemeinschaften und der Kosten: Trotz der insgesamt deutlich gesunkenen Arbeitslosigkeit im Monat Mai sei die Zahl der Bedarfsgemeinschaften im Arbeitslosengeld II erneut um 42.000 von rund 3,92 auf 3,96 Millionen gestiegen. Die in der Statistik später revidierte Monatszahl werde sicher über 4 Millionen liegen. Die Belastung der Kommunen durch die Unterkunftskosten drohe in diesem Jahr gegenüber 2005 um mindestens 1,5 Milliarden Euro anzuwachsen.

Der Städtetagspräsident weiter: „Wir wollen keine Kürzung der Regelsätze für Langzeitarbeitslose. Aber die aktivierenden Hilfen für Langzeitarbeitslose dürfen nicht dadurch gefährdet werden, dass immer größere Teile der Bevölkerung unter das Sozialgesetzbuch II fallen. Gerade im Interesse der Langzeitarbeitslosen muss das Sozialsystem Hartz IV dauerhaft handlungsfähig und bezahlbar bleiben.“

Der Deutsche Städtetag stellte fest, dass die Anreize zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt verstärkt werden könnten, indem einzelne Vermögensbestandteile wie etwa Wohneigentum oder Kraftfahrzeuge weniger umfassend geschützt und der befristete Zuschlag zum Arbeitslosengeld II abgeschmolzen würde. Hintergrund: Durch den Zuschlag und anrechnungsfreie Hinzuverdienstregelungen kann eine Familie mit zwei Kindern heute ein Haushaltsnettoeinkommen von 2.200 Euro monatlich erzielen. Der Anreiz, eine niedrig vergütete Tätigkeit aufzunehmen, ist dadurch nicht mehr gegeben.

Mehr dezentraler Handlungsspielraum für Arbeitsgemeinschaften
Einer der stellvertretenden Präsidenten des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Martin Biermann aus Celle, kritisierte, dass das Fortentwicklungsgesetz zum Teil Leistungen ausweite: „Wir lehnen es entschieden ab, den Kommunen neue Belastungen aufzuerlegen. Es kann nicht sein, dass die Kommunen Zuschüsse zu den Unterkunftskosten von Bafög-Empfängern und Auszubildenden finanzieren sollen. Das Bafög ist Bundessache. Wenn der Bund seine Leistungen ausweiten will, kann er dies gerne tun, muss aber dann auch dafür zahlen.“

Biermann begrüßte dagegen, dass das Fortentwicklungsgesetz in einem wichtigen Punkt wenige Tage vor der Verabschiedung geändert worden sei: „Die Absicht des Bundes, durch Weisungen stärker in die Arbeitsgemeinschaften eingreifen zu können, ist auf Druck der Städte fallen gelassen worden. Wir erwarten, dass auch in Zukunft das Prinzip einer Zusammenarbeit von Arbeitsagenturen und Kommunen auf gleicher Augenhöhe erhalten bleibt.“

Um Hartz IV in der Praxis besser umzusetzen, sei der Städtetag bereit, mit der Bundesagentur weiter nach Optimierungsmöglichkeiten für die Zusammenarbeit in den Arbeitsgemeinschaften zu suchen. Dies setze aber voraus, dass die Bundesagentur dezentrale Entscheidungen zulässt, so wie dies im August 2005 in einer Rahmenvereinbarung zwischen Bundesregierung, Bundesagentur, Städtetag und Gemeindebund vereinbart wurde.

Biermann forderte in diesem Zusammenhang die Bundesagentur für Arbeit auf, den Arbeitsgemeinschaften aus Arbeitsagenturen und Kommunen mehr dezentralen Handlungsspielraum zu geben, etwa in Personalfragen oder bei der Festlegung der Arbeitsmarktprogramme vor Ort. Derzeit könnten die Arbeitsagenturen qualifiziertes Personal kurzfristig aus den Arbeitsgemeinschaften abziehen. Dies führe wegen des hohen Anteils befristet beschäftigter Mitarbeiter und der damit verbundenen hohen Personalfluktuation in den Arbeitsgemeinschaften zu Problemen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Städtetag, Hauptgeschäftsstelle Berlin Volker Bästlein, Leitung, Presse- u. Öffentlichkeitsarbeit Straße des 17. Juni 112, 10623 Berlin Telefon: (030) 377110, Telefax: (030) 37711999

NEWS TEILEN: