Prekäre Beschäftigung wird zur tickenden Zeitbombe
(Berlin) - Die Entwicklung der prekären Beschäftigung ist nach Einschätzung des DGB eine tickende Zeitbombe für die Wirtschafts- und Sozialordnung in Deutschland. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte am Donnerstag (6. August 2007) auf einer Tagung des DGB mit der Hans-Böckler-Stiftung: Das so genannte Prekariat ist kein Rand- oder Unterschichtenproblem, sondern reicht inzwischen weit in die Mitte unserer Gesellschaft. Prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse, Perspektivlosigkeit, Verunsicherung und Armut würden die gesellschaftliche Spaltung unvermindert vorantreiben und gefährdeten letztlich die Grundlagen der Demokratie.
Mit den Arbeitsmarktreformen sei ein inzwischen unerträgliches Maß an Deregulierung erreicht worden. DGB und Gewerkschaften sagen dieser Entwicklung den Kampf an. Prekäre Beschäftigung darf nicht zum Normalzustand werden, so Buntenbach. 2,5 Millionen Deutsche müssen mit Armutslöhnen auskommen, 440 000 sozialversicherte Vollzeitbeschäftigte sind sogar auf Hartz IV angewiesen. 18 Prozent aller Erwerbstätigen sind Mini-Jobber, weitere 600.000 Beschäftigten arbeiten als Ein-Euro-Jobber. Auch die Zahl der Leiharbeiter habe sich mit 650.000 gegenüber 2003 verdoppelt. Die Tatsache, dass insgesamt rund 1,2 Mio. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ergänzende Hilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen, um einigermaßen über die Runden zu kommen, ist ein Alarmsignal, das die Politik nicht ignorieren darf, betonte Annelie Buntenbach.
Der DGB fordert die Koalition deshalb auf, die Fehlentwicklungen am Arbeitsmarkt zu korrigieren. Dazu gehöre ein Mindestlohn, der zumindest vor der schlimmsten Ausbeutung schützt und den Missbrauch von Hartz IV als Lohn-Einsparsystem für Arbeitgeber beendet, erklärte Buntenbach. Die Leiharbeits-Branche müsse in das Entsendegesetz aufgenommen werden, um die tariflichen Löhne weiter den Löhnen in den Einsatzbetrieben anzugleichen. Damit Leiharbeit nicht ein Ersatz für Dauerarbeitsplätze wird, müsse nach einer längeren Verleihdauer der Lohn des Einsatzbetriebes gezahlt werden. Außerdem seien gesetzliche Regeln nötig, damit reguläre Arbeitsplätze nicht durch Ein-Euro- oder Mini-Jobs verdrängt, Beschäftigte nicht in prekäre Scheinselbständigkeit und Berufsanfänger nicht in schlecht bezahlte Dauerpraktika gezwungen werden. Vehement wandte sich Annelie Buntenbach auch dagegen, dass Ältere ab 52 Jahren faktisch unbegrenzt befristet beschäftigt werden können. Es sei ein Unding, dass der Kündigungsschutz auf diese Weise einfach ausgehebelt werde.
Wenn die prekäre Beschäftigung ausufert und die Beschäftigten weiter derart in ihrer Würde verletzt werden, muss sich die Politik nicht wundern, wenn die Politikverdrossenheit bald einen neuen Höhepunkt erreicht, warnte die Gewerkschafterin. Mehr Sicherheit am Arbeitsplatz und eine anständige Bezahlung würden dagegen dazu beitragen, dass der Aufschwung auch endlich bei den kleinen Leuten ankommt.
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