Primärversorgung neu denken: DBfK, vdää* und VdPP fordern Primärversorgungszentren statt Primärarztsystem
(Berlin) - Die ambulante Versorgung in Deutschland steht vor dem Kollaps: In fast einem Viertel aller Landkreise gilt die hausärztliche Versorgung bereits heute als gefährdet, in weiteren zwölf Prozent ist sie stark gefährdet. Nachwuchsmediziner:innen übernehmen immer seltener bestehende Praxen – viele bevorzugen multiprofessionelle Strukturen mit geregelten Arbeitszeiten.
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK), der Verein demokratischer Ärzt*innen (vdää*) und der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) legen deshalb ein gemeinsames Positionspapier vor. Darin fordern sie: Deutschland darf nicht länger ausschließlich „Praxenland“ bleiben, sondern muss Primärversorgungszentren als neue Versorgungsform vorsehen und gesetzlich verankern.
„Klassische Einzel- und Gemeinschaftspraxen werden die Versorgungslücken nicht schließen. Wir brauchen jetzt multiprofessionelle Primärversorgungszentren, die eine koordinierte, patient:innenzentrierte Versorgung ermöglichen“, erklärt Michael Janßen, Mitglied des Vorstands im vdää*.
Primärversorgungszentren bündeln die Kompetenzen unterschiedlicher Gesundheitsberufe unter einem Dach. Sie ermöglichen Prävention und Public-Health-Angebote, nutzen digitale Anwendungen effizienter und verbessern die Versorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen –damit entlasten sie auch die Ärzt:innen.
„Die Arzneimitteltherapiesicherheit für die Patient:innen kann weiter verbessert werden, wenn in interdisziplinären Teams gut ausgebildete Apotheker*innen in festen Strukturen der Primärversorgung einbezogen werden“, ist Dr. Udo Puteanus vom VdPP überzeugt. In Krankenhäusern hätten sie dies als Stationsapotheker*innen bereits zeigen können.
In multiprofessionellen Teams bringen Ärzt:innen, Pflegefachpersonen – vor allem auf Masterniveau ausgebildete Community Health Nurses (CHN) –, Apotheker:innen und andere Gesundheitsberufe ihre fachliche Expertise ein: von der eigenständigen Bedarfserhebung, über Medikationsmanagement bis hin zur Prävention und Vermittlung von Gesundheitskompetenzen. Internationale Studien belegen, dass dies die Versorgungsqualität verbessert.
„Ohne eine gesetzliche Grundlage für Primärversorgungszentren werden wir die Krise der ambulanten Versorgung nicht bewältigen. Pflegefachpersonen müssen in diesen Teams einen definierten Aufgabenbereich in eigener Verantwortung übernehmen können – das ist multiprofessionell ausgerichtete, zeitgemäße Versorgung“, so Vera Lux, Präsidentin des DBfK.
Die drei Verbände fordern deshalb:
• Gesetzliche Einführung von Primärversorgungszentren als weitere Regelform der ambulanten Primärversorgung.
• Investitionsmittel von Bund und Ländern, um die notwendigen Strukturen aufzubauen.
• Finanzielle Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen, die bisher an überholten kleinteiligen Strukturen festhalten.
• Gesetzliche Verankerung multiprofessioneller Kompetenzen, damit Community Health Nurses, Pflegefachpersonen (Advanced Practice Nurses) und Apotheker:innen eigenverantwortlich tätig werden können.
• Ein einheitliches Vergütungssystem, das unabhängig vom Versicherungsstatus gilt und gleiche Behandlungsqualität für alle sicherstellt.
Fazit: Ohne eine grundlegende Neuaufstellung der Primärversorgung drohen Versorgungsengpässe und Qualitätsverluste. Mit Primärversorgungszentren eröffnen vdää*, VdPP und DBfK einen Weg, der Patient:innen in den Mittelpunkt stellt und die Ressourcen aller Gesundheitsberufe sinnvoll nutzt.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe - Bundesverband e.V. (DBfK), Alt-Moabit 91, 10559 Berlin, Telefon: 030 219157-0