Pressemitteilung | (vzbv) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

Profit statt Versorgung: Patient:innen zahlen für Kassenleistungen teils aus eigener Tasche

(Berlin) - Die gesetzliche Krankenkasse kommt grundsätzlich für notwendige medizinische Leistungen auf. Dennoch berichten Verbraucher:innen, dass sie für Kassenleistungen privat zahlen mussten. Aus notwendiger medizinischer Versorgung wird so Profit geschlagen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert den Gesetzgeber auf, Patient:innen bei Selbstzahlerleistungen besser zu schützen.

„Wer krank ist, benötigt Hilfe und kein Verkaufsgespräch. Bei Individuellen Gesundheitsleistungen passiert aber mitunter genau das. Wenn Ärztinnen und Ärzte Kassenleistungen als Selbstzahlerangebote abrechnen, wird aus Versorgung Geschäft. Das darf nicht sein. Das Patientenwohl muss immer Vorrang vor finanziellen Interessen haben”, so Thomas Moormann, Leiter Team Gesundheit und Pflege im Verbraucherzentrale Bundesverband.

Rückmeldungen aus dem Verbraucheraufruf
Von Ende Februar 2024 bis Ende Juni 2025 gingen im Verbraucherzentrale Bundesverband mehr als 580 Rückmeldungen von Verbraucher:innen zu Selbstzahlerleistungen ein. Die Kosten für die Leistungen beliefen sich durchaus auf zwei- bis dreistellige Beträge. Die Schilderungen umfassen ein breites Spektrum: Verbraucher:innen berichten, dass sie unter anderem für Kassenleistungen selbst aufkommen sollten, weil etwa eine erforderliche Genehmigung zur Abrechnung mit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fehlte oder die Praxis die Leistung als medizinisch nicht notwendig eingestuft hat.

In den Meldungen geht es beispielsweise darum, dass die Bestimmung des Vitamin-D-Werts privat gezahlt werden musste, obwohl eine chronische Erkrankung vorlag, für deren Behandlung eine regelmäßige Bestimmung dieses Wertes essenziell ist. Auch zur Fachrichtung Gynäkologie gab es Rückmeldungen: Verbraucher:innen schildern, dass sie für Ultraschalluntersuchungen zahlen sollten, obwohl Schmerzen bestanden oder relevante Vorbefunde vorlagen. Die Zuzahlungen wurden von den Ärzt:innen unter anderem damit begründet, dass die Krankenkassen Rückforderungen stellen können – etwa wenn die Praxis angeblich zu viele Leistungen erbracht habe.

„Werden gesetzliche Leistungen als Selbstzahlerleistung deklariert und verkauft, ist das ein schwerwiegender Vertragsverstoß. Die Verbraucherberichte machen deutlich, dass nicht wenige Arztpraxen ihren ethischen Kompass verlieren, wenn sie zusätzliches Geld verdienen können. Der Gesetzgeber muss sicherstellen, dass gesetzlich Versicherte nicht aus finanziellen Gründen von notwendigen Leistungen ferngehalten werden. Es ist dringend an der Zeit, das Patientenrechtegesetz zu reformieren. Und auch die Kassenärztlichen Vereinigungen müssen solchen Verstößen immer nachgehen.“, so Moormann.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert:

● IGeL sollten nur in gesonderten IGeL-Sprechstunden, klar getrennt von den GKV-Sprechstundenzeiten, verkauft werden dürfen.

● Der Gesetzgeber muss Vertragsärzt:innen verpflichten, genehmigungspflichtige Leistungen als Kassenleistung anzubieten, wenn die grundsätzlichen arzttypischen Voraussetzungen dafür vorliegen. Ärzt:innen dürfen etwa nicht bewusst Fortbildungen versäumen, um Leistungen privat erbringen zu können.

● Für das Anbieten von IGeL ist ein einheitlicher Muster-Behandlungsvertrag einzuführen und verpflichtend einzusetzen. Sämtliche IGeL-Verkäufe sind den Kassenärztlichen Vereinigungen zu melden und zu veröffentlichen.

● Standardisierte, evidenzbasierte Gesundheitsinformationen zu IGeL-Angeboten sind von den Ärzt:innen verpflichtend den Patient:innen mitzugeben.

● Evidenzbasierte Gesundheitsinformationen sind bereits vielfach vorhanden, zum Beispiel im IGeL-Monitor des Medizinischen Dienstes Bund. Diese sollten in der elektronischen Patientenakte (ePA) und in der Praxissoftware integriert werden.

Methode
Die Marktbeobachtung des Verbraucherzentrale Bundesverbands schaltete den Verbraucheraufruf am 29. Februar 2024 auf der Webseite der Verbraucherzentralen. Ausgewertet wurden 583 bis zum 24. Juni 2025 eingegangene Meldungen von Verbraucher:innen. Rückschlüsse auf die Häufigkeit der Problemschilderungen in der Gesamtbevölkerung sind aus den Daten nicht ableitbar.

Quelle und Kontaktadresse:
(vzbv) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., Rudi-Dutschke-Str. 17, 10969 Berlin, Telefon: 030 258000

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