Pressemitteilung | DPtV e.V. - Deutsche PsychotherapeutenVereinigung

Psychotherapie / Kostenerstattung kann Versorgungsmängel lindern

(Berlin) - Die Versorgung psychisch kranker Menschen wird sich durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG), das seit dem 1. Januar in Kraft ist, nicht verbessern, vielmehr ist absehbar, dass sich die Unterversorgung verstärken wird und sich die Wartezeiten auf einen Therapieplatz verlängern. Dipl.-Psych. Dieter Best, Bundesvorsitzender der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV), kritisierte dies heute in Berlin mit scharfen Worten. "Wir haben den Gesetzgeber im vergangenen Jahr immer wieder darauf hingewiesen, dass die Systematik der Bedarfsplanung völlig ungenügend ist, dass die Finanzierung des wachsenden Bedarfes durch extrabudgetäre Vergütung reguliert und die sozialrechtlichen Befugnisse der Psychotherapeuten zu Gunsten der Patientenversorgung erweitert werden muss".

Nichts sei davon geschehen, was aus dem Versprechen der CDU/CSU Bundestagsfraktion werde, sich in diesem Jahr um eine verbesserte psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung zu kümmern, sei völlig offen.

Um die Patienten trotzdem versorgen zu können, bleibe als ein Weg die Beantragung der Kostenerstattung, verdeutlichte Best. "Da die Lage für Psychotherapieplatzsuchende Menschen prekär und die Sicherstellung in manchen Regionen schon jetzt nicht mehr gewährleistet ist, sieht die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung in der offensiven Förderung der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch V (SGB V) * einen Weg, der Versorgungsmisere zu begegnen. Nach dieser Vorschrift kann sich ein gesetzlich Versicherter eine notwendige und unaufschiebbare Leistung selbst beschaffen und mit seiner Krankenkasse abrechnen, wenn diese Leistung auf anderem Weg nicht beschafft werden kann, d.h. wenn ein Systemversagen vorliegt" erklärte Best.

"Im Grunde ist die Situation - wenn auch nicht im Ausmaß, so doch von der Art her - vergleichbar mit der vor dem Psychotherapeutengesetz, als die Kostenerstattung immer größere Ausmaße annahm. Heute sind es erst 30 Millionen Euro, die direkt von den Krankenkassen an den Kassenärztlichen Vereinigungen vorbei auf diese Weise bezahlt werden. Die jährlichen Steigerungsraten betragen aber 20 bis 25 Prozent", prognostizierte er.

Dipl.-Psych. Gebhard Hentschel, stellv. Bundesvorsitzender der DPtV, bemängelte, dass das GKV-VStG keine verbindlichen Vorgaben für eine neu gestaltete Bedarfsplanung macht. "Stattdessen hat der Gesetzgeber mit Verabschiedung des GKV- VStG die Verantwortung für eine flächendeckende ambulante psychotherapeutische Versorgung, die Neufestlegung der Planungsbereiche, die Neuberechnung der Verhältniszahlen sowie die zeitnahe Patientenversorgung (Abbau von Wartezeiten) in die Verantwortung der Selbstverwaltung gelegt" , sagte Hentschel.

"In keiner Fachgruppe die der Bedarfsplanung unterliegt, ist die Spreizung der Versorgungsdichte derart ausgeprägt, wie bei den Psychotherapeuten. Während die gültigen Verhältniszahlen in städtischen Regionen 38,8 Psychotherapeuten pro 100.000 Einwohner vorsehen, sind das in ländlichen Regionen gerade einmal 4,3 Psychotherapeuten, die die Versorgung von 100.000 Einwohnern sicherstellen sollen" schilderte Hentschel die aktuelle Lage. "Dabei erhöht sich bei langer Wartezeit die Gefahr die Chronifizierung der Erkrankung. Außerdem verlängern die Wartezeiten den Leidensweg der Patienten durch überbrückende Psychopharmaka-Medikation und stationäre Einweisungen. Durchschnittliche Wartezeiten auf einen Therapieplatz von 2,5 Monaten (Studie der DPtV) prägen die Versorgungsrealität".

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) plant, auch weiterhin als Grundlage der Bedarfsplanung, das Jahr 1999 zu nehmen. "Das bedeutet, dass danach ausgesprochene lokale und qualitative Sonderbedarfe und die zur Sicherstellung der Versorgung der Kinder und Jugendlichen im Rahmen einer 20-Prozent Quote neu zugelassenen Psychotherapeuten den nominellen "Überversorgungsgrad" auf 7624 überzählige Sitze anheben", verdeutlichte Hentschel die kritische Lage.

Er forderte den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) auf, Regularien zu entwickeln, die dem immer weiter ansteigenden Bedarf an Therapieplätzen gerecht werden. Die dringende Notwendigkeit stellte Hentschel am Beispiel Nordrhein-Westfalen vor: Nach einer Analyse des Landesinstituts für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein- Westfalen (LIGA NRW) vom August 2011 stieg die Anzahl der Behandlungsfälle in der ambulanten Psychotherapie in NRW von knapp 630.000 im Jahre 2002 auf rund 900.000 im Jahre 2009. Dies entspricht einem jährlichen Zuwachs von 4,8 Prozent. Die Zahl der niedergelassenen Psychotherapeuten nahm im gleichen Zeitraum dagegen nur geringfügig um jährlich 0,63 Prozent zu. "Diese Diskrepanz ist das Ergebnis einer restriktiven Zulassungspolitik der zurückliegenden Jahre", betonte der Psychotherapeut.

"Umfassend ausgebildete, approbierte Psychotherapeuten, die noch keine KV-Zulassung haben, stehen zur Verfügung" verdeutlichte der Bundesvorsitzende Best. "Derzeit erwerben jährlich etwa 1.700 Psychotherapeuten ihre Approbation. Viele der neu approbierten Psychotherapeuten, die keinen Kassensitz bekommen, leisten im Rahmen der Kostenerstattung ihren Beitrag zur Versorgung".

Dipl.-Psych. Eva Martin, Psychotherapeutin ohne Kassensitz in Brandenburg, betonte, wie wichtig es für die betroffenen Patienten ist, den Weg zu einem Therapieplatz über das Kostenerstattungsverfahren, zu kennen. "Besonders für Patienten, die durch ihre Erkrankung, wie beispielsweise eine Depression antriebslos und inaktiv sind, ist der Weg zur Kostenübernahme durch die Krankenkassen beschwerlich. Oft wissen die Krankenkassen Mitarbeiter selber nicht, dass der Weg offen steht, nicht selten werden unzumutbare Nachweise verlangt, die zusätzlich belasten. Aber die Patienten haben ein Recht darauf, wenn keine Vertragspsychotherapeuten zugelassen sind", bekräftigte Eva Martin. Sie bemängelte, dass es bisher für die Beantragung noch keine standardisierte Vorgaben gebe, sondern diese mühsam vom Psychotherapeuten selber erarbeitet werden müssen.


Der Weg zur Kostenerstattung:

Die Kostenerstattung ist immer eine Einzelfallentscheidung der Krankenkasse und bedarf einer guten, individuellen Begründung des Patienten. Wichtig ist es für die Betroffenen zu wissen, dass der Antrag immer vor Beginn der Behandlung erfolgen muss, auch vor der probatorischen Sitzung. (Behandlungen, die der diagnostischen Abklärung und Indikationsstellung für eine Psychotherapie dienen).

- Kontakt zur Krankenkasse aufnehmen und abklären, wie der Antrag zu stellen ist
- Ablehnungen von Therapieanfragen sammeln, fehlende Therapieplätze nachweisen. Oft werden schriftliche Nachweise verlangt, einige Kassen geben sich mit der Dokumentation der Telefonate mit Psychotherapiepraxen zufrieden.
- Notwendigkeits-, bzw. Dringlichkeitsbescheinigung einholen. Vorher bei der Krankenkasse anfragen, wer diese erstellen soll.
- Stellung des Antrages "Bewilligung außervertraglicher probatorischer Sitzungen und einer Psychotherapie", Antragsteller ist der Patient. Die Behandlung kann erst nach Bewilligung des Antrages erfolgen.
- Die Abrechnung erfolgt als Privatbehandlung, die nachträglich von der Krankenkasse bezahlt wird. Die Rechnung des Psychotherapeuten muss den Vorgaben der Gebührenordnung für Psychotherapeuten entsprechen.
- Es sind nur Leistungen abrechenbar, die in den Psychotherapie-Richtlinien zugelassen sind (Analytische Psychotherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Verhaltenstherapie).


*§ 13 SGB V
Kostenerstattung

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Sie sind von ihrer Krankenkasse vor ihrer Wahl zu beraten. Eine Beschränkung der Wahl auf den Bereich der ambulanten Behandlung ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Abs. 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge von Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Jahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 15 des Neuntes Buches erstattet.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche PsychotherapeutenVereinigung e.V. (DPtV) Am Karlsbad 15, 10785 Berlin Telefon: (030) 235009-0, Telefax: (030) 235009-44

(cl)

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