Qualitätsfalle Schleichwerbung: Abwege und Auswege / Die Fahnder am Tatort: Schleichwerber künftig chancenlos?
(Berlin) - Auch drei Monate nach dem Bekanntwerden von Schleichwerbung in der ARD-Serie "Marienhof" bleibt die Debatte um die bezahlte Platzierung von Produkten in den Massenmedien äußerst kontrovers. Zum Auftakt des Herbstforums der Initiative Qualität im Journalismus (IQ) forderten Medienexperten in Berlin zwar mehr Transparenz, schlugen sonst aber sehr unterschiedliche Umgangsformen mit Product Placement vor. Äußerst umstritten ist vor allem, welche Formen von Produktplatzierungen in welchen Medien wie verboten oder kenntlich gemacht werden sollen.
Jürgen Doetz, Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT), schlug ein abgestuftes Regelwerk vor, das bezahltes Product Placement für fiktionale oder unterhaltende TV-Formate erlaube. Bei Spielfilmen und Serien müssten entsprechende Hinweise im Vor- und Abspann reichen. Ähnlich verfahre man ja auch mit den Jugendschutz-Hinweisen. Für Service-Sendungen diskutiere sein Verband zurzeit entsprechende Einblendungen (Inserts), die während der Präsentation gezeigter Produkte darauf hinweisen sollten, dass es sich um von Dritten unterstützte Platzierungen handle.
Während der VPRT kommerzielle Partnerschaften jenseits originär journalistischer Formate im Wesentlichen für unproblematisch hält, ist Volker Lilienthal ganz anderer Ansicht. Der Ressortleiter von epd medien hatte den Marienhof-Skandal enthüllt und warnte, auch fiktionale Inhalte leisteten eine gesellschaftspolitische Thematisierung, seien also für so genanntes Themen-Placement interessant. Lilienthal nannte lediglich Mode- oder Koch-Sendungen als für dokumentierte Produktplatzierungen relativ unbedenklich. Aber auch eine Koch-Show trage eine große Verantwortung, wenn es um das Thema gesunde Ernährung gehe.
Wie breit Product Placement in der Branche verbreitet ist, machte der Kölner Produzent Gerhard Schmidt (Geminifilm) deutlich. Schließlich würden geeignete Verfahren bereits in studentischen Lehrbüchern erläutert. Außerdem, so argumentierte Schmidt, seien die Gewinnmargen der Branche inzwischen so knapp, dass selbst kleinste Einnahmepotenziale mobilisiert werden müssten. Weil sich die Auftraggeber unzureichend an den Herstellungskosten beteiligten, ließen sich viele Vorhaben ohne Product Placement kaum noch realisieren. Dem widersprach Hermann Eicher, Leiter der von der ARD gegen Schleichwerbung eingerichteten Clearingstelle. Er betonte, beispielsweise sei die Marienhof-Serie bei der Produktionsfirma Bavaria keinesfalls unterfinanziert gewesen. Vielmehr wären die durch Produkt- oder Themenplatzierungen erzielten Einnahmen in andere Projekte geflossen.
Der Direktor der nordrhein-westfälischen Landesanstalt für Medien, Norbert Schneider, geht davon aus, dass die Landesmedienanstalten bei der Schleichwerbung "achtzig bis neunzig Prozent" identifizieren. Nach dem Marienhof-Skandal, so erklärte er, seien die Stichproben intensiviert, aber keine Zunahme problematischer Fälle festgestellt worden. Gegen diese Annahme sprach allerdings ein Hinweis aus dem Publikum des IQ-Herbstforums. So meldete sich eine Redakteurin des Sat.1-Frühstücksfernsehen und wies darauf hin, auf Druck der Marketingabteilung habe ihre Redaktion in der Vergangenheit zahlreiche bislang nicht beanstandete Placement-Angebote realisiert. Seit allerdings auch bei Sat.1 Fälle von Schleichwerbung bekannt seien, reagiere die Redaktion vorsichtiger: "Wir haben jetzt richtige Lücken im Programm."
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