"Richtungsweisender Schritt auf dem Weg zum Streikrecht für Beamte" / Bildungsgewerkschaft zu Verwaltungsgerichtsurteil mit bundesweiter Bedeutung
(Frankfurt am Main/Düsseldorf) - Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf hat einer verbeamteten Lehrerin das Recht auf Streik zugestanden. Damit hat die Disziplinarkammer gestern (15. Dezember 2010) der Klage der Lehrerin stattgegeben und die Disziplinarmaßnahme der Bezirksregierung aufgehoben. Da das Urteil grundsätzliche Bedeutung hat, hat das Gericht die Berufung beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) in Münster zugelassen. Die VG-Entscheidung ist damit noch nicht rechtskräftig. In mehreren Bundesländern wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen und Bremen stehen ähnliche Klagen an.
"Das Urteil ist ein richtungsweisender Schritt auf dem Weg zum Streikrecht für Beamtinnen und Beamte in Deutschland", sagte Ilse Schaad, Leiterin des Vorstandsbereichs Angestellten- und Beamtenpolitik der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), am Donnerstag (16. Dezember 2010) in Frankfurt a.M. "Jetzt ist der Gesetzgeber gefordert, die nationale Rechtslage den europäischen Standards in der Rechtsprechung anzupassen." Sie wies darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in jüngerer Vergangenheit in mehreren Urteilen festgestellt hatte, dass auch Beamte das Recht hätten zu streiken. Mit Blick auf die Tarifrunde im öffentlichen Dienst der Länder, die im Februar 2011 beginnt, sagte Schaad: "Wir sind sicher, dass am Ende der juristischen Auseinandersetzungen das Streikrecht für Beamtinnen und Beamte bestehen wird. Die Arbeitgeber sollten deshalb verbeamtete Lehrkräfte nicht mehr nach Gutsherrenart behandeln. Dieser Anachronismus aus vordemokratischen Zeiten muss endlich überwunden werden."
Info: Die verbeamtete Lehrerin hatte 2009 an drei Warnstreiktagen gestreikt und deswegen als Disziplinarmaßnahme eine Geldbuße in Höhe von 1.500 Euro auferlegt bekommen. Dagegen hat die GEW in einem Rechtsschutzverfahren vor der Disziplinarkammer des VG Düsseldorf geklagt. Die mündliche Verhandlung fand am 15. Dezember statt.
Das Gericht sah in der Disziplinarmaßnahme u.a. einen Verstoß gegen Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und einen Verstoß gegen die jüngere Rechtsprechung des EGMR. Damit steht es im Widerspruch zur in der Vergangenheit durch Richterrecht geprägte herrschende Meinung in Deutschland und der bisherigen nationalen Rechtsprechung zum Streikrecht für Beamte. (VG Düsseldorf, Az: 31 K 3904/10.O).
Alle Hintergrundinformationen zum Thema "Streikrecht für Beamte" finden Sie in der Zeitschrift "Der Personalrat" 12/2010, S. 466 - 468 und unter dem Link: http://www.aib-verlag.de/de/zeitschriften/der-personalrat/ausgabe/2010/12/ (Login notwendig).
Quelle und Kontaktadresse:
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
Ulf Roedde, Pressesprecher
Reifenberger Str. 21, 60489 Frankfurt am Main
Telefon: (069) 78973-0, Telefax: (069) 78973-201
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