Pressemitteilung | Reporter ohne Grenzen e.V. (RSF)

ROG-Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Besuch in Sotschi: Journalistenmorde als Gesprächsthema mit Präsident Medwedjew angemahnt

(Berlin) - Reporter ohne Grenzen (ROG) hat sich vor dem am Freitag (14. August 2009) geplanten Treffen der Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew in Sotschi mit einem Schreiben an die deutsche Regierungschefin gewandt. Darin bittet ROG die Bundeskanzlerin darum, bei ihrer Begegnung mit Präsident Medwedjew über die schwierige Lage für Journalisten und Medien in der Russischen Föderation zu sprechen. ROG hat den Brief am 11. August an das Bundeskanzleramt geschickt.

"Als Präsident Medwedjew im vergangenen Jahr sein Amt antrat, waren die Hoffnungen groß, die neuen Töne aus Moskau könnten eine positive Entwicklung einleiten", schreibt Gemma Pörzgen, ROG-Vorstandsmitglied, an die Kanzlerin.

"Tatsächlich werten wir die Einladung des Chefredakteurs der unabhängigen Zeitung `Nowaja Gaseta´ in den Kreml als ebenso ermutigendes Zeichen wie das erste Exklusiv-Interview Medwedjews für das gleiche Blatt." Gleichzeitig sei das Jahr 2009 aber bereits von erschütternden Morden an den Journalistinnen Anastasija Baburowa und Natalia Estemirowa geprägt worden. Erst vor wenigen Tagen wurde außerdem in der russischen Republik Dagestan der Mitarbeiter der Wochenzeitung "Chakikat", Malik Achmedilow, erschossen aufgefunden.

ROG befürchtet, dass auch diese Gewalttaten ohne Folgen bleiben wie frühere Vorfälle. "Wir bitten Sie deshalb darum, in Moskau gründliche Ermittlungen in allen drei Fällen anzumahnen", schreibt ROG. "Solche Taten dürfen nicht ungesühnt bleiben, denn Straflosigkeit trägt nicht nur dazu bei, Täter zu ermutigen, sondern auch unabhängige Journalisten in Russland zu entmutigen. Sie schürt ein Klima der Angst."

Im Fall der ermordeten Reporterin Anna Politkowskaja sieht ROG die Gefahr, dass das zweite Verfahren ohne neue Ermittlungen zu einer leeren Formalie verkommt. ROG appelliert deshalb an die Bundeskanzlerin, auch dieses Thema bei Medwedjew anzusprechen.

"Es scheint uns wichtig, russischen Politikern zu verdeutlichen, dass der Fall Politkowskaja ebenso wie die jüngsten Journalistenmorde auch in der bundesdeutschen Öffentlichkeit nicht vergessen werden, sondern als Testfälle für die Glaubwürdigkeit russischer Rechtsstaatlichkeit gelten", so Pörzgen.

Angesichts des deutsch-russischen Treffens in Sotschi hat ROG Merkel auch darum gebeten, bei Medwedjew anzumahmen, dass russische und ausländische Medienvertreter in der Region Krasnodar vor den Olympischen Winterspielen 2014 nicht in ihrer Berichterstattung behindert werden. ROG beobachtet mit Sorge, dass die Obrigkeit in Sotschi schon jetzt keine öffentliche Debatte über die Vorbereitung der Spiele zulässt und damit den Spielraum der Medien zusätzlich einschränkt.

ROG bittet die Kanzlerin deshalb, Präsident Medwedjew in Sotschi daran zu erinnern, dass der Geist von Olympia die Verantwortlichen für die Winterspiele 2014 dazu verpflichten sollte, demokratische Rechte nicht mit Füßen zu treten.

Auf der aktuellen Rangliste zur Lage der Pressefreiheit weltweit steht die Russische Föderation auf Platz 141 von insgesamt 173 Staaten. Seit März 2000, dem Amtsantritt des früheren Präsidenten Wladimir Putin, sind mindestens 22 Journalisten ermordet worden. Besonders gefährlich ist die Arbeit von Journalisten und Menschenrechtlern derzeit in den drei russischen Kaukasusrepubliken Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien.

Hier lesen Sie den ROG-Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel:

www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/rte/docs/2009/Brief.pdf.

Quelle und Kontaktadresse:
Reporter ohne Grenzen Katrin Evers, Presseabteilung Skalitzer Str. 101, 10997 Berlin Telefon: (030) 6158585, Telefax: (030) 6145649

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