RSF stellt Strafanzeige gegen Eritreas Präsident wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit
(Berlin) - Reporter ohne Grenzen (RSF) hat in Schweden Strafanzeige gegen Eritreas Präsident Isaias Afewerki gestellt. Die Organisation wirft Afewerki sowie sieben weiteren hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern des eritreischen Staates Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor, weil sie den eritreisch-schwedischen Journalisten Dawit Isaak seit 2001 ohne Kontakt zur Außenwelt festhalten. Mit der Strafanzeige will RSF erreichen, dass die schwedische Justiz endlich ernsthaft zum Fall des eritreisch-schwedischen Staatsbürgers Isaak ermittelt und die Verantwortlichen wegen Folter, Entführung und erzwungenem Verschwindenlassen verfolgt.
"Die Verantwortlichen dafür, dass Dawit Isaak seit 19 Jahren ohne Prozess in einem eritreischen Gefängnis vegetiert, müssen endlich strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden", sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. "Der Kampf um Gerechtigkeit wird in Eritrea nicht vorankommen, solange die Schuldigen für die Repression nicht einmal in Ländern Strafverfolgung fürchten müssen, die die juristischen Mittel dazu haben."
Dawit Isaak ist einer der am längsten inhaftierten Journalisten weltweit und ein prominentes Opfer der Repressionswelle, mit der die Regierung von Präsident Afeworki im September 2001 sämtliche privaten Medien in Eritrea auf einen Schlag verbot. Die Strafanzeige in Schweden haben zwei Anwälte im Namen von Reporter ohne Grenzen am Mittwoch (21.10) in Stockholm eingereicht. Neben Präsident Afewerki richtet sie sich unter anderem gegen den Außen-, und den Informationsminister, die Justizministerin und einen Berater des Präsidenten. RSF zählt Afewerki, der Eritrea seit 1993 regiert, zu den größten Feinden der Pressefreiheit weltweit.
Journalist seit fast 20 Jahren in Isolationshaft
Der Journalist und Dichter Dawit Isaak hatte nach der Rückkehr in sein Geburtsland Eritrea die reformorientierte Wochenzeitung Setit mitgegründet. In seinen Artikeln machte er sich wiederholt für politische Reformen stark. Im September 2001 wurde Isaak im Zuge einer politischen Säuberungsaktion gemeinsam mit weiteren Journalistinnen und Journalisten festgenommen und sitzt seitdem ohne Urteil oder Anklage in Haft. Nach RSF-Informationen sind sieben der damals Festgenommenen in der Haft gestorben. Laut der Aussage eines Gefängniswärters wurde Isaak zum letzten Mal im Jahr 2010 lebend gesehen.
Obwohl Isaak schwedischer Staatsbürger ist und trotz zahlreicher Anfragen blieb ihm in den letzten 19 Jahren der Kontakt zu schwedischen Diplomatinnen und Diplomaten, UN-Vertretern, Anwältinnen und Anwälten sowie zu seiner Familie verwehrt. Er wird vermutlich unter katastrophalen Bedingungen im Gefangenenlager Eiraeiro inmitten einer Wüstengegend festgehalten, wo brennend heiße Container als Gefängniszellen dienen.
Nachdem Schweden ein Gesetz über die weltweite Zuständigkeit seiner Gerichte in bestimmten Fällen verabschiedete, reichten Isaaks Anwälte dort bereits im Juni 2014 Klage gegen den eritreischen Präsidenten und seine engsten Mitarbeiter ein. Darin warfen sie ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verschwindenlassen und Folter im Fall Dawit Isaak vor.
Dennoch leitete die schwedische Justiz in Abstimmung mit dem Außenministerium in Stockholm keine Ermittlungen ein, weil dies "die Beziehungen Schwedens zu Eritrea beeinträchtigen" und damit zugleich die Chancen verringern könne, Dawits Freilassung zu erreichen.
"Dieses Argument ist nicht mehr gültig", sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. "Die schwedischen Behördern haben bisher nichts erreicht, weder Isaaks Freilassung noch die Möglichkeit, ihn zu besuchen oder einen Beweis dafür, dass er noch lebt. Die vielen Resolutionen und Verurteilungen durch internationale Gremien, darunter der UN-Menschenrechtsrat und die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker, haben auch nichts bewirkt. Eine strafrechtliche Untersuchung ist daher nun dringend erfolderlich."
Bei einer parlamentarischen Anhörung in Stockholm im vergangenen Jahr musste auch die schwedische Außenministerin einräumen, dass Eritrea "in keiner Weise auf unsere Bedenken gehört und sie nicht weiterverfolgt hat." Die im Namen von RSF eingereichte Strafanzeige soll die schwedische Justiz nun dazu drängen, die für das Schicksal von Isaak Verantwortlichen bei der Einreise nach Schweden festzunehmen und gegebenenfalls internationale Haftbefehle auszustellen, um sie in Schweden vor Gericht zu stellen.
Prominente Unterstützer für RSF-Strafanzeige
Die Strafanzeige wurde von den Anwälten Percy Bratt and Jesús Alcalá verfasst. Mitunterzeichnet haben Dawit Isaaks Bruder, Esayas Isaak, die Historikerin und Expertin für internationale Beziehungen, Susanne Berger, der Leiter des Dawit-Isaak-Teams von RSF Schweden, Björn Tunbäck, sowie der internationale Anwalt und RSF-Berater für internationale Rechtsstreitigkeiten Antoine Bernard.
Auch elf prominente Juristinnen und Juristen sowie international bekannte Persönlichkeiten haben die Strafanzeige durch ihre Unterschrift unterstützt: die Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 2003, Shirin Ebadi, die ehemalige Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Navanethem Pillay, die ehemalige Vorsitzende der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und die Rechte der Völker, Pansy Tlakula, der ehemalige kanadische Justizminister Irwin Cotler, der Rechtsanwalt und Mitglied des Menschenrechtsausschusses der deutschen Bundesrechtsanwaltskammer, Bernhard Docke, der internationale Menschenrechtsanwalt David Matas, der Direktor der eritreischen Anwaltskammer Daniel Mekonnen, der britisch-französische Anwalt und Präsident der britischen Sektion von PEN, Philippe Sands, die Geschäftsführerin des Instituts für Menschenrechte und Entwicklung in Afrika, Gaye Sowe, der Direktor der Straniak-Akademie für Demokratie und Menschenrechte, Hannes Tretter, und der Direktor des Menschenrechtszentrums der Universität von Pretoria, Frans Viljoen.
Seit 2001 gibt es in Eritrea keine unabhängigen Medien mehr. Im Zuge einer politischen Säuberungsaktion schloss die Regierung damals alle nicht-staatlichen Medien und inhaftierte zahlreiche Journalistinnen und Journalisten. Einzig die Staatsmedien dürfen seither Nachrichten verbreiten, doch auch sie sind streng zensiert. Aufgrund der Nachrichtenkontrolle sind die Bürgerinnen und Bürger in Eritrea der staatlichen Propaganda praktisch vollständig ausgesetzt. Der einzige unabhängige und politisch unparteiische Radiosender, der in Eritrea kritische Informationen verbreitet, sendet aus Paris. Radio Erena wird von eritreischen Exil-Journalistinnen und -Journalisten betrieben, allerdings wird das Signal in ihrem Heimatland oft blockiert.
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