Pressemitteilung | Verband Bildung und Erziehung e.V. (VBE)
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Schluss mit Täuschung der Öffentlichkeit auf Kosten der Lehrer

(Berlin) - Der Deutsche Lehrertag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) hat den Ländern eine massive Täuschung der Öffentlichkeit über die wirkliche Situation an den Schulen in Deutschland vorgeworfen. „Die Kultusministerien sind längst zu Außenstellen der Finanzminister degradiert worden“, erklärte VBE-Bundesvorsitzender Ludwig Eckinger heute in Dortmund vor den rund 200 Teilnehmern aus allen Bundesländern. Jede Reformdiskussion münde in eine Spardiskussion und es gehe nur mehr um einen Wettstreit zwischen Kassenwärtern, wer am flinkesten den Rotstift schwingen kann, kritisierte Eckinger. „Die Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer wird in einem Bermuda-Dreieck aus Reformdruck, Sparwut und Unterrichtsalltag versenkt. Der Deutsche Lehrertag setzt ein Zeichen gegen Überbürdung.“

„Es besteht ein krasser Widerspruch zwischen den Absichtserklärungen der Länder, die Schulqualität verbessern zu wollen, und der realen Verschlechterung der Lehr- und Lernbedingungen an den Schulen“, so der VBE-Bundesvorsitzende und er warnte davor, gegenüber Eltern mit gezinkten Karten zu spielen. Die Finanzminister würden den Schülerrückgang ungeniert als Sparpotenzial missbrauchen. „Rigoros planen oder vollstrecken die meisten Länder eine Verlängerung der Unterrichtspflichtzeit für Lehrer und übergehen damit bewusst, dass Lehrer über die Unterrichtsstunden hinaus eine Vielzahl weiterer pädagogischer und organisatorischer Aufgaben wahrnehmen.“ Und weiter stellte Eckinger klar: „Wenn der Staat in Zukunft von einer Detailsteuerung der Bildungseinrichtungen abgeht, um Schulen mehr Freiraum zu geben, und damit nicht mehr den Input, sondern nur noch den Output kontrolliert, werden Lehrerinnen und Lehrer immer stärker in das Spannungsfeld zwischen Idealismus und Belastung geraten.“ Arbeitszeiterhöhungen dürften nicht zum Instrument derjenigen werden, so Eckinger, die ausloten wollten, wann Idealismus in Burnout umschlage. Immer deutlicher zeigt sich ein Generalangriff auf die Profession der Lehrerinnen und Lehrer.“

Der VBE forderte auf dem Dortmunder Deutschen Lehrertag eine Abkehr von diesem Kurs. Bundesvorsitzender Eckinger kündigte an, dass der VBE in den Ländern in die Offensive gehe und den Schutz der Lehrergesundheit einfordere. Grundlage des Handlungskonzepts sind die Ergebnisse der vom VBE wesentlich initiierten Potsdamer Lehrerbelastungsstudie. Der VBE fordert überzeugende Präventionsstrategien, d.h. wirksame Unterstützungssysteme für Schulen – 1. eine systematische prozessorientierte Schulentwicklungsberatung, 2. ein sozialpädagogisches, schulpsychologisches und arbeitsmedizinisches Unterstützungssystem, 3. eine Lehrerbildung, die nicht mehr Lehrer als Einzelkämpfer ausbildet, 4. ein Fortbildungskonzept, welches Lernen im Beruf sinnvoll ermöglicht. Außerdem fordert der VBE langfristig angelegte Personalentwicklungspläne für die Schulen, um wenigstens künftig Pensionierungswellen zu vermeiden und Lehramtsstudenten eine berufliche Perspektive in der Schule sichern.

Einhellig wurde auf dem Deutschen Lehrertag auch das Hamburger Arbeitszeitmodell abgelehnt. „Mit deutscher Gründlichkeit werden Zeiten für das Nachlegen von Papier beim Kopierer oder das Säubern der Tafel festgelegt“, sagte Ludwig Eckinger. „Kann sich jemand vorstellen, dass die Urteilsverkündung durch den Richter in ähnlicher Weise faktorisiert wird?“ Der VBE setze sich dafür ein, bekräftigte Eckinger, „die Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer künftig nicht mehr allein auf der Grundlage von Unterrichtsverpflichtungen zu bemessen. Wir wollen mehr Arbeitszeitgerechtigkeit.“

Für den VBE in Nordrhein-Westfalen erklärte Landesvorsitzender Udo Beckmann, er könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass im Schulministerium noch nicht alle begriffen hätten, dass Gesundheitsschutz und Fürsorge eine wichtige Voraussetzung für eine gute Schule und ein gutes Lernklima seien. Heftig kritisierte Beckmann die Grünen in NRW für ihre Vorreiterrolle in der Frage der Arbeitszeiterhöhung. „Da bewahrheitet sich wieder der Spruch ‚wer in der Opposition als schneidiger Düsenjäger auftritt, wird in der Regierungsverantwortung aus Angst vor Machtverlust meist ein bedächtiger Segelflieger’.“ Weiter betonte Udo Beckmann: „Wenn uns Lehrerinnen und Lehrern keiner hilft, und die Landesregierungen und insbesondere die Finanzminister nicht begreifen, dass nur eine gesunde Lehrkraft auch eine vergleichsweise kostengünstige Lehrkraft ist, müssen wir uns eben selbst helfen.“ Der VBE-Landesvorsitzende bekräftigte, dass der VBE NRW wie der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) die Aktion Rotstift gestartet hat. „Das wird die Hitze des Feuers unter dem Stuhl des Ministerpräsidenten deutlich erhöhen. Unter dem Motto ‚Mehr geht nicht! Wir wehren uns!’ haben wir alle Lehrerkollegien aufgefordert, selbst darüber zu entscheiden, welche der freiwilligen zusätzlichen Angebote an den Schulen sie nach der Arbeitszeiterhöhung streichen müssen.“

Der VBE NRW hatte dazu eigens für Nordrhein-Westfalen eine Lehrerbelastungsstudie bei Professor Uwe Schaarschmidt, dem Autor der Potsdamer Belastungsstudie, in Auftrag gegeben. Von den 6380 befragten Lehrkräften wurden als Hauptbelastungsfaktoren vor allem zu große Klassen, eine zu hohe Unterrichtsverpflichtung und problematisches Sozialverhalten von Schülerinnen und Schülern angegeben. Als problematisch benannten die meisten fehlende Möglichkeiten zur sozialen Begegnung und individuellen Hilfestellung. Die Lehrerinnen und Lehrer würden sich gern noch intensiver um ihre Schülerinnen und Schüler kümmern und mehr Zeit für kollegiumsinterne Beratungen haben. Als Konsequenz aus dieser Befragung warnte Udo Beckmann: „Wir Lehrerinnen und Lehrer sind es Leid, als Allzweckwaffe gegen alle möglichen gesellschaftlichen Fehlentwicklungen herhalten zu müssen und uns dann bei Nichtgelingen noch von denen beschimpfen zu lassen, die diese Fehlentwicklungen verursacht haben.“

Quelle und Kontaktadresse:
Verband Bildung und Erziehung e.V. (VBE) Behrenstr. 23-24, 10117 Berlin Telefon: 030/7261966-0, Telefax: 030/7261966-19

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