Schwarzer Tag für die Studierenden und den Sozialstaat
(Frankfurt am Main) Als einen Schwarzen Tag für die Studierenden und den Sozialstaat hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Aufhebung des Studiengebühren-Verbots im Hochschulrahmengesetz gewertet. Jetzt seien die Länder gefordert. Der gesellschaftliche Konsens, dass alle Menschen in der Bundesrepublik je nach Einkommen, die Kosten für Schulen und Hochschulen tragen, ist aufgekündigt worden. Die vom Grundgesetz garantierten gleichwertigen Lebens- und Arbeitsbedingungen werden dem neoliberalen Wettbewerbsföderalismus geopfert, sage GEW-Vorsitzende Eva-Maria Stange am Mittwoch in Franfurt am Main. Finanzschwächere Bundesländer werden künftig im Wettlauf mit den reichen immer weiter abgehängt. Das Urteil sei ein weiterer Schritt, den Bund aus der Bildungspolitik herauszudrängen entgegen der notwendigen engeren Kooperation zwischen Bund und Ländern sowie den Anforderungen eines zusammenwachsenden Europas. Mit großen Schritten mache sich die Bundesrepublik auf den Weg vom Steuer- in den Gebührenstaat. Gebühren seien jedoch das ungerechteste Instrument zur Finanzierung öffentlicher Daseinsvorsorge, zu denen auch die Bildung zählt.
Die soziale Herkunft wird künftig noch stärker darüber entscheiden, wer studiert und wer nicht, unterstrich Stange. Entweder könnten die Eltern die Studienkosten übernehmen oder junge Menschen müssten bereit sein, sich gegebenenfalls hoch zu verschulden. Sozial Schwächere und Kinder aus Mittelschichtfamilien blieben auf der Strecke. Die GEW-Vorsitzende wies noch einmal darauf hin, dass es in Deutschland kein ausgebautes Stipendiensystem gebe. Wir haben es in über 20 Jahren nicht einmal geschafft, ein angemessenes Bafög-System zu schaffen. Das Politiker-Versprechen, soziale Nachteile durch Stipendien auszugleichen, bleibt hohl. Niemand sagt, woher die erforderlichen Haushaltsmittel kommen sollen, sagte Stange. Allein 350 Millionen Euro wären erforderlich, um die Studiengebühren der Bafög-Empfänger zu zahlen. Der Bund wird nicht bereit sein, dieses Geld auszugeben, das über den Gebührenumweg in die Kassen der Länder fließt.
Der Vorschlag neoliberaler Ökonomen, die Studiengebühren über Kredite zu finanzieren, sei absurd. Hierbei gibt es nur einen Gewinner: die Banken. Das amerikanische Beispiel zeigt, dass die Banken an jedem geliehenen Dollar einen Dollar verdienen, sagte die GEW-Vorsitzende. Die Banken würden künftig um marktgängige Fachwissenschaftler buhlen. Für Sozial- und Kulturwissenschaftler solle der Staat gerade stehen.
Die Wende in der Hochschulpolitik bedeutet die Aufkündigung des
Generationenvertrags: Die ältere Generation hat den jungen Menschen mitgeteilt, dass sie nicht mehr bereit ist, durch Steuern einen Teil der Kosten für deren Ausbildung mit zu tragen, stellte Stange fest. Wer erklärt den jungen Menschen, warum sie später im Berufsleben belastet mit einem hohen Schuldenberg auch noch die Renten und Pensionen der Älteren mitzahlen sollen? Diese Einbahnstraßensolidarität birgt ein hohes soziales Konfliktpotenzial in sich und beschleunigt den Weg in die Ellenbogengesellschaft.
Quelle und Kontaktadresse:
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
Reifenberger Str. 21, 60489 Frankfurt
Telefon: 069/78973-0, Telefax: 069/78973-201
Weitere Pressemitteilungen dieses Verbands
- GEW: „130 Milliarden Euro für Bildung!“ / Bildungsgewerkschaft zur Abstimmung im Bundeskabinett über die Einrichtung des Sondervermögens Infrastruktur und Klimaneutralität
- GEW: „Ohne Geld keine Chancengleichheit“
- GEW Bayern zur Sprachstandserhebung: Funktioniert in der Praxis nicht und belastet alle Beteiligten!