Selbstbestimmungsgesetz: Datensammlung unnötig und gefährlich
(Berlin) - Das Bundesinnenministerium (BMI) will bei Änderungen nach dem Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) die früheren Eintragungen dauerhaft speichern und bei zahlreichen behördlichen Vorgängen als Information zur Verfügung stellen lassen. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisiert diesen Vorstoß scharf: Datenschutzrechtlich und mit Blick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist dieses Vorhaben höchst bedenklich. Die Notwendigkeit ist nicht ersichtlich. Dafür erhöht sich die Gefahr einer wiederholten Diskriminierung.
In einem Verordnungsentwurf hat das BMI vorgeschlagen, im Falle von Änderungen des Vornamens und Geschlechtseintrags nach dem SBGG die früheren Eintragungen in gesonderten Datenblättern zu speichern. Diese Informationen sollen beispielsweise bei jedem Umzug gegenüber der jeweiligen Anmeldebehörde mitgeteilt werden – um Personen leichter identifizieren zu können.
„Nicht alles, was ‚praktisch‘ wäre, ist auch rechtmäßig – gerade in puncto Datensammlung“, betont Prof. Niko Härting, Vorsitzender des Ausschusses Informationsrecht sowie Vielfaltsbeauftragter des DAV. Es gelte der Grundsatz der Datensparsamkeit – vor allem bei solchen Daten, die eine hohe Gefahr in sich tragen, für Diskriminierungen missbraucht zu werden.
Die geschlechtliche Identität gehört zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten im Sinne der DSGVO, geschützt durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Eine zu sorglose Streuung solcher Informationen kann großen Schaden anrichten. „Viele irrationale Ängste wurden in den vergangenen Jahren auf trans, inter und nicht-binäre Menschen projiziert – Ängste, die zunehmend in Hass und Gewalt umschlagen. Der Staat sollte es unbedingt vermeiden, diese vulnerable Gruppe von Menschen systematisch zu outen, wenn er seiner Schutzpflicht nachkommen möchte“, mahnt Härting.
Es fehle auch schlicht an der Notwendigkeit einer gesonderten Datensammlung und -übermittlung, die sich durch die Einführung des SBGG ergeben haben könnte, wie der DAV-Vielfaltsbeauftrage erläutert: „Änderungen von Geschlechtseinträgen und Vornamen sind bereits seit dem Inkrafttreten des damaligen Transsexuellengesetzes im Jahr 1981 möglich und Realität. An der Identifizierbarkeit dieser Personen hat es in den vergangenen Jahrzehnten nicht gemangelt – auch weil sich etwa die Steuer-ID nicht ändert.“ Ein Mehrwert durch die zusätzlichen Datenblätter und die wiederkehrende Streuung dieser Daten sei nicht erkennbar – eine Diskriminierungsgefahr umso mehr.
Auch die Regelung im Verordnungswege ist bedenklich, da es an parlamentarischer Kontrolle fehlt.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV), Littenstr. 11, 10179 Berlin, Telefon: 030 7261520