Sommer würdigt 60 Jahre Tarifvertragsgesetz
(Berlin) - Anlässlich des Symposiums der Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit dem DGB zum 60. Jubiläum des Tarifvertragsgesetzes betonte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer am Freitag, 24. April 2009, die Bedeutung der Tarifverträge als tragende Säulen des Sozialstaats: "Tarifvertragliche Erfolge haben die Gewerkschaften seit 1949 in teilweise harten Tarifkonflikten erstritten und erstreikt. Somit wurden soziale Fortschritte für alle Arbeitnehmer - nicht nur für Gewerkschaftsmitglieder - erreicht. Sie beruhen auf dem Prinzip der Koalitionsfreiheit. Es galt und gilt der Grundsatz 'ein Betrieb eine Gewerkschaft'. Die Gewerkschaften in Deutschland haben sich aus den Erfahrungen der Zeit vor 1945 dem Prinzip der Einheitsgewerkschaft verschrieben und in rund 300 unterschiedlichen Tarifbranchen seither rund 370.000 Tarifverträge abgeschlossen - die meisten ohne Streiks.
Die Arbeitgeber haben in den neunziger Jahren teilweise massiv den Austritt aus den Arbeitgeberverbänden propagiert und den Mitgliedsverbänden eine so genannte 'OT-Mitgliedschaft' angeboten. Mit rückläufiger Tarifbindung wurde es schwieriger, tarifliche Regelungen zu vereinbaren und tariflose Zustände nahmen zu. In Kombination mit der staatlich verordneten Deregulierung des Arbeitsmarktes bedeutete dies die Zunahme unsicherer und schlecht entlohnter Beschäftigung - 2,5 Mio. Vollzeitbeschäftigte arbeiten mittlerweile in Deutschland für Armutslöhne!
Die Flächentarifverträge müssen wieder stabilisiert werden. Sie bedeuten sozialen Frieden und bringen auch Standortvorteile. Neben der Mitbestimmung garantieren Tarifverträge Rechtssicherheit für die arbeitenden Menschen und Betriebe gleichermaßen. Mit einem Angriff auf die Tarifautonomie zielen ihre Gegner auf das Herz der sozialen Demokratie und das zentrale Instrumentarium der Gewerkschaften. Sollten Teile der Politik und der Arbeitgeber in der jetzigen Krise versuchen, die Tarifpolitik und die Tarifautonomie zu schleifen, ist gewerkschaftliche Gegenwehr angesagt.
Tarifverträge können zwar zur Beschäftigungssicherung beitragen, nicht aber die Lücke von mehreren Millionen fehlenden Arbeitsplätzen schließen und Mängel in der Wirtschafts- und Strukturpolitik ausgleichen. Tarifpolitik darf nicht zum Ausfallbürgen für staatliche Politikdefizite gemacht werden - sie kann diese Rolle auch gar nicht übernehmen.
Gewerkschaften kämpfen weiter vehement für Mindestlöhne. Dabei haben tarifvertraglich ausgehandelte Mindestlöhne Vorrang vor gesetzlich festgelegten. Ein wichtiges Ziel ist es dabei, dass in Deutschland Menschen nur zu Löhnen beschäftigt werden dürfen, die mindestens Existenz sichernd sind. Es liegt an den Arbeitgebern, sich nicht länger zu verweigern. Ansonsten muss der Staat korrigierend eingreifen. Wir sagen: Als unterste Haltelinie braucht es den gesetzlichen Mindestlohn von zunächst 7,50 Euro pro Stunde.
Die Gewerkschaften haben aus der Erfahrung von 1933 bis 1945 den Neuanfang im Jahre 1949 mit dem Tarifvertragsgesetz genutzt und immer wieder passgenaue Lösungen für die Branchen geschaffen. Die Tarifautonomie und das Tarifvertragsgesetz sind Voraussetzungen dafür, soziale Belange der Beschäftigten und gesicherte Arbeits- und Entlohnungsbedingungen zu garantieren. Und das muss so bleiben."
Quelle und Kontaktadresse:
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(tr)