Pressemitteilung | Deutscher Bauernverband e.V. (DBV)

Sonnleitner: Bei WTO am Ende der Fahnenstange / „Landwirtschaft am Erfolg in Hongkong sehr interessiert“

(Berlin) - Die WTO-Verhandlungen in Hongkong werden nicht an der EU-Agrarpolitik scheitern. Sollten sie nicht erfolgreich beendet werden, läge dies eindeutig an fehlenden Zugeständnissen bei Industriegütern und Dienstleistungen. Dies erklärte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, auf der WTO-Veranstaltung des DBV in Berlin am 14. November 2005 mit Vertretern der Wissenschaft und des europäischen Bauernverbandes COPA. Sonnleitner forderte die Wirtschaft in Deutschland zu solidarischem Handeln auf, um gemeinsam einen Erfolg bei WTO zu erreichen. Die deutsche Landwirtschaft jedenfalls wünsche sich in Hongkong den Erfolg. Zu wichtig sei für Deutschland und die EU der Gewinn durch weltweiten Handel. Das bedeute aber, dass in allen Wirtschaftsbereichen, also auch bei den Dienstleistungen und Industriegütern, Fortschritte in der Liberalisierung erreicht würden. In der Agrarpolitik erwarte die Landwirtschaft entscheidende Zugeständnisse von den USA, Argentinien, Brasilien, Indien und China sowie von den Cairnsländern. Die EU habe mit drei großen Reformen der Agrarpolitik so weitgehende handelspolitische Zugeständnisse und Vorleistungen zum besseren Marktzugang und zum Abbau von Handelsbeschränkungen gemacht, dass das Ende der Fahnenstange erreicht ist.

Innerhalb von zehn Jahren habe die EU drei schmerzhafte Reformen der eigenen Agrarpolitik vorgenommen. Die interne Stützung der Agrarpreise sei durch das so genannte Entkoppeln als Vorleistung für die WTO-Verhandlungen abgebaut und damit ihrer handelsverzerrenden Wirkung beraubt worden. Diese Strategie der EU-Kommission, mit Vorleistungen in die WTO-Verhandlungen zu gehen, sei bisher jedoch nicht aufgegangen, stellte Sonnleitner fest. Wenn in den kommenden Wochen die Verhandlungspartner sich nicht bewegen würden, müssten EU-Kommission und Ministerrat „die Notbremse ziehen und die gemachten Angebote ganz oder teilweise zurückziehen“, konstatierte der DBV-Präsident.

Zudem drohe in der Entwicklungspolitik unterzugehen, dass die EU auch den Anliegen der Entwicklungsländer gerecht werden wolle. Die EU sei selbst mit gutem Beispiel vorangegangen. So habe sie mit dem Abkommen „Alles außer Waffen“ klar gemacht, dass man den Ärmsten der Armen sehr weit entgegenkomme. Danach würde die EU 73 Prozent der Exporte der Entwicklungsländer aufnehmen, die USA lediglich 10 Prozent. Zu 100 Prozent zollfrei dürften zudem die Ärmsten der armen Länder Nahrungsgüter in die EU exportieren. Außer der EU würde dies kein anderes Industrieland erlauben. Für die Liberalisierung des Welthandels habe die EU zudem angeboten, jegliche Exportsubventionen einzustellen, sofern die anderen WTO-Länder dies ebenso machen würden.

Sonnleitner räumte ein, dass zu den Vorbereitungen der Verhandlungen auch das Pokern gehöre. Doch unverantwortlich sei, wenn von interessierter Seite wie der G20-Gruppe mit Indien und Brasilien der Öffentlichkeit im Hinblick auf die Liberalisierung des europäischen Marktes ein „falsches Spiel vorgemacht und die Medien missbraucht“ würden. Alles werde dem eigenen Ziel unterstellt, eine aggressive Exportstrategie zu Lasten der EU zu verwirklichen. Harte Kritik übte Sonnleitner auch an den Vereinigten Staaten. „Geradezu unverschämt“ sei die jüngste Attacke des Handelsbeauftragten Portmann auf die EU-Agrarpolitik. Die Vereinigten Staaten hätten den vergangenen drei Jahren nichts getan, ihre interne Stützung der Landwirtschaft zurückzufahren oder WTO-fähig zu machen. Im Gegenteil, die produktionsabhängigen Beihilfen würden kräftig ausgedehnt und Exportsubventionen über Nahrungsmittelhilfe und langfristige Kredite sogar ausgeweitet.

Der Generalsekretär des europäischen Bauernverbandes COPA, Dr. Franz-Josef Feiter, unterstrich das Interesse der EU an einem erfolgreichen Abschluss der WTO-Verhandlungen. Der Erfolg dürfe jedoch nicht um jeden Preis erfolgen. Die EU habe sich besser als je auf die WTO-Verhandlungen vorbereitet und wie kein anderes Land für den Agrarmarkt ein ganzes Bündel an Marktzugang, Abbau von Handelsbeschränkungen und Exportförderungen bereits eingeführt oder vorgeschlagen. Doch müssten in Hongkong auch bei den Nicht-Agrarprodukten und Dienstleistungen Ergebnisse erzielt werden. Hier gebe es bisher keinerlei Bewegungen geschweige denn Ergebnisse in den WTO-Verhandlungen. Sollte Hongkong scheitern, wäre es eindeutig an diesen Handelsfeldern gescheitert. Bei der Landwirtschaft lägen so viele Verhandlungsvorschläge auf dem Tisch, dass bei entsprechendem politischem Willen das Thema Agrarhandel erfolgreich abzuschließen wäre.

Die weitere Liberalisierung der Agrarmärkte in den entwickelten reichen Ländern würde den ärmsten Ländern nur wenig helfen, stellte Professor Dr. Harald von Witzke von der Humboldt-Universität zu Berlin in seiner Analyse fest. Vielmehr müssten die Gründe für Armut eines Landes, nämlich Humankapital, funktionierendes marktwirtschaftliches System und demografische, konzeptionelle Regierung – auch good governance genannt – ausgeräumt werden. Da dies in vielen Entwicklungsländern bisher nicht erfolgt sei, hätte die bisherige Liberalisierung der Agrarmärkte keinen Fortschritt bei der Verbesserung des Wohlstandes erreicht. Der Handel mit Nahrungsgütern hätte sich vielmehr verschlechtert und bei den reichen Ländern weiter verbessert. Investitionen in Forschung und Ausbildung, eine verbesserte Infrastruktur, eine funktionierende Marktwirtschaft, good governance und eine Ermutigung von ausländischen Direktinvestitionen seien der wirksamere Weg für Entwicklungsländer, aus der Armutsfalle herauszukommen, als eine weitere Liberalisierung des Agrarhandels zu betreiben, stellte Witzke fest.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Bauernverband e.V. (DBV), Haus der Land- und Ernährungswirtschaft Pressestelle Claire-Waldoff-Str. 7, 10117 Berlin Telefon: (030) 31904-0, Telefax: (030) 31904-205

(mm)

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