Sonnleitner: Cross Compliance ein unbürokratisches Ungetüm / Bei Landwirten und in der Verwaltung entwickelt sich enormer Unmut
(Berlin) - Ein grundsätzlicher Teil der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik droht durch die nationale Umsetzung zum bürokratischen Ungetüm mit einer gravierenden Benachteiligung der Wettbewerbsstellung der deutschen Bauern zu werden. Hierbei handelt es sich um die Regelungen zur Bindung der EU-Ausgleichszahlungen an die Vorschriften des Gesundheits-, Umwelt- und Tierschutzes, Cross Compliance genannt. Die Tragweite dieser umfassenden und überzogenen nationalen Regelungen für die landwirtschaftliche Praxis wird von den Politikern in Bund und Ländern unterschätzt. Cross Compliance ist für mich ein Ausdruck des Misstrauens des Staates gegenüber den Bauern wie er eigentlich nicht in eine freiheitliche Rechtsordnung passt, kritisierte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) Gerd Sonnleitner, auf dem heutigen DBV-Umweltgespräch in Berlin. Die EU-Agrarminister hatten im Juni 2003 mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik eine fortgesetzte Anpassung der landwirtschaftlichen Produktion an den Weltmarkt mit weiter sinkenden Erzeugerpreisen beschlossen. Die finanzielle Unterstützung der Direktzahlungen an die Landwirte werden an die Erfüllung bestehender Rechtsvorschriften des Verbraucher, Umwelt- und Naturschutzes gebunden..
Sonnleitner machte deutlich, dass es im deutschen wie im europäischen Recht keine vergleichbaren Beispiele für eine derartige moralische Rechtfertigung von Beihilfen für einen Wirtschaftsbereich gebe. So sei es unvorstellbar, dass einem Häuslebauer etwa die Eigenheimzulage gestrichen würde, wenn er nicht ordnungsgemäß den Müll trennt oder die Heizung nicht regelmäßig vom Schornsteinfeger abgenommen werde. Mit deutscher Beamtengründlichkeit entwickele man bei der nationalen Umsetzung von Cross Compliance sogar einen Vorschlag, wonach zukünftig die untere Jagdbehörde regelmäßig überprüfen müsse, ob der Landwirt in seiner Freizeit als Jäger in seiner Eigenjagd eine nach EU-Vogelschutzrichtlinien geschützte Vogelart geschossen habe. Ein eventueller Verstoß im Rahmen dieser Freizeitaktivität würde dann zu einer Kürzung der Prämien für seinen Betrieb führen. Das in Deutschland und der EU geltende Rechtssystem, so Sonnleitner, gehe eigentlich von einem Grundvertrauen gegenüber seinem Bürger aus, wonach geltendes Recht eingehalten werde. Nur im Verdachtsverfall bei einem Anlass zur Besorgnis würden bestehende Gesetze kontrolliert und notfalls sanktioniert. Dieser Grundsatz werde bei Cross Compliance jedoch auf den Kopf gestellt. Zurzeit würden Bund und Länder die Schaffung von 50 bis 100 Prüfkriterien erörtern.
Deshalb forderte Sonnleitner Bund und Länder nachdrücklich auf, Cross Compliance national mit Augenmaß zu gestalten und umzusetzen. Auch wenn aufgrund der EU-Vorgaben letztendlich zusätzliche bürokratische Belastungen nicht auszuschließen seien, müssten unbedingt Wettbewerbsverzerrungen für die deutschen Landwirte innerhalb der EU verhindert werden. Ebenso erweise man sich einen Bärendienst, wenn die Leistungen, die die deutsche Landwirtschaft im Umwelt- und Naturschutz und bei der Gestaltung der Kulturlandschaften erbringe, durch überzogene Cross Compliance-Regelungen gefährdet oder gar aufgegeben würden. Bei den Landwirten wie in der Verwaltung der Bundesländer entwickle sich deshalb enormer Unmut.
Inhaltlich geht es bei Cross Compliance um ein Grünlanderhaltungsgebot, 18 Basisanforderungen an die Betriebsführung und Formulierungen zu guten landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen. Einige Umweltverbände hatten gefordert, Cross Compliance für die Landwirte weiter zu verschärfen. Diese Bestrebungen gehen offensichtlich in die Richtung einer Extensivierung der gesamten Landwirtschaft. So forderten einige Umweltverbände, dass erneut Obergrenzen für den Viehbesatz darüber eingeführt werden.
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