Pressemitteilung | Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV)

Soziale Spannungen spiegeln sich in den Schulen / BLLV- Präsident Albin Dannhäuser warnt vor gesellschaftlichem Sprengstoff: „Mehr Zeit für individuelle Förderung!“

(München) - „In unseren Schulen bündeln sich die sozialen Spannungen, Verwerfungen und Nöte wie in einem Brennglas. Pädagogen sind immer stärker gefordert Gegensätze auszugleichen, die Ausgrenzung von Kindern zu verhindern und ihnen menschlich zu helfen, weil ihre Lebensprobleme die Lernprobleme überlagern.“ Diese Feststellung traf der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) Albin Dannhäuser bei der Delegiertenversammlung des BLLV- Bezirksverbandes Oberpfalz in Cham.

Bedrückend sei es, dass allein in Bayern 157.000 Kinder in Haushalten leben, die Arbeitslosengeld II- Empfänger sind. In Deutschland befinden sich 37,2 Prozent der Familien mit Minderjährigen in einer armutsnahen Lage.

Besonders betroffen sind auch Kinder von Migranten. In Bayern haben rund 10 Prozent der Schüler keinen deutschen Pass. „Um diesen Kindern und Jugendlichen in ihrer Entwicklung gerecht zu werden, ist die Bildungspolitik gefordert. Bildung ist der entscheidende Schlüssel, dass junge Menschen dem Teufelskreis von Armut, Ausgrenzung und sozialem Abstieg entkommen“, betonte Dannhäuser.

Die sozialen Gegensätze zeigten sich tagtäglich sehr konkret: In einem einzigen Klassenzimmer säßen Kinder nebeneinander in sündhaft teurer Markenkleidung und Kleidern aus Secondhandshops. Da seien Jugendliche mit eigenen Kreditkarten und Jugendliche, denen das Geld für Schulbücher, für den Schulausflug oder für einen Aufenthalt im Schullandheim fehle. Dannhäuser beklagte, dass Armut oft der Grund sei für schlechte Bildungschancen. Von 100 Kindern, die bereits im Kindergarten arm waren, schaffen lediglich vier den Sprung ins Gymnasium. Besonders betroffen seien Kinder mit Migrationshintergrund.

Diese besuchten häufiger Förder- und Hauptschulen. 20 Prozent von ihnen erreichten keinen Schulabschluss. Der BLLV- Präsident warnte vor den Spätfolgen bildungspolitischer Vernachlässigung: “Schüler ohne Schulabschluss haben keine Chance im Berufsleben Fuß zu fassen. Wer keine Perspektive hat, ist besonders anfällig für radikale Scharlatane und für politisch extreme Gruppierungen. Es besteht die konkrete Gefahr, dass sich ein explosives Gemisch zusammenbraut aus Schulversagen, beruflicher Aussichtslosigkeit, sozialen Demütigungen und aus der Beschädigung religiöser Gefühle.“ Diese soziale Zeitbombe könne vor allem durch bessere Bildungschancen für alle entschärft werden.

Dannhäuser bestätigte, dass einige bildungspolitische Maßnahmen zunehmend Wirkung zeigten, wie z.B. die frühe Sprachförderung im Kindergarten, die engere Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Grundschule und der schrittweise Ausbau des Angebots an Ganztagsschulen.

Andererseits bemängelte der BLLV- Präsident, dass finanzpolitisch nicht zügiger und konsequenter gehandelt wird.

Dannhäuser forderte u.a.
- mehr pädagogisches Personal: Lehrer, Förderlehrer, Sonderpädagogen, Schulpsychologen und Sozialpädagogen.
- mehr Zeit und Freiräume für die Erziehungsaufgabe, für die Gestaltung des Schullebens und für Beratung, wie für die Zusammenarbeit mit Eltern und außerschulischen Einrichtungen.
- kleinere Klassen und Lerngruppen: In der Grundschule dürfen nicht mehr als 25 Kinder in einer Klasse sitzen und in der Sekundarstufe muss die Obergrenze bei 30 Schülern sein.

Dannhäuser wiederholte auch die Forderung des BLLV, die frühe Auslese von Kindern nach der vierten Grundschulklasse zu überdenken. Der BLLV sehe sich in seiner Auffassung einer späteren Zuweisung von Schülern in verschiedene Schularten auch durch die Bildungsminister in der Europäischen Union bestätigt, die erst in dieser Woche das deutsche selektive Schulsystem scharf kritisiert hatten. Vor allem wendet sich Dannhäuser gegen die Diskriminierung der Schülerinnen und Schüler an Hauptschulen und unterstützt die Pläne von Kultusminister Siegfried Schneider, die Hauptschule noch deutlicher zu profilieren und die Schüler vor allem zur Ausbildungsreife zu führen.

Zur aktuellen Diskussion des Doppelhaushalts 2007/08 stellte der BLLV- Präsident fest: Die Schaffung von 784 neuen Lehrerplanstellen ist dringend notwendig angesichts der Tatsache, dass die Klassen an Realschulen und Gymnasien aus allen Nähten platzen. Dass aber innerhalb von drei Haushaltsjahren 1.661 Lehrerstellen an den Pflichtschulen gestrichen werden, führt dazu, dass gut gemeinte Förderpläne in der politischen Rhetorik hängen bleiben.

„Eine überzeugende Bildungspolitik, die ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden will, muss anders aussehen“, sagte Dannhäuser.

Quelle und Kontaktadresse:
Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV) Andrea Schwarz, Pressereferentin Bavariaring 37, 80336 München Telefon: (089) 72100129, Telefax: (089) 72100155

(sk)

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