Pressemitteilung | Deutscher Städtetag - Hauptgeschäftsstelle Berlin

Städte demonstrieren trotz Finanzkrise Selbstbewusstsein / Gemeindefinanzreform muss jetzt zügig kommen / 32. Hauptversammlung des Deutschen Städtetages in Mannheim

(Mannheim) - Trotz ihrer existentiellen Finanzkrise demonstrieren die deutschen Städte Selbstbewusstsein. „Ohne die Städte sind Staat und Gesellschaft nicht funktionsfähig. Vom Wohl der Städte hängt der Zusammenhalt unseres Gemeinwesens ab“, erklärte die amtierende Präsidentin des Deutschen Städtetages, die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth, am 13. Mai in Mannheim zum Auftakt der Hauptversammlung des größten kommunalen Spitzenverbandes, die unter dem Motto „Städte sind Zukunft“ steht.

Gleichzeitig rief Frau Roth Bund und Länder dazu auf, die dringend notwendige Gemeindefinanzreform nun zügig im Sinne der Städte abzuschließen: „Die Städte müssen jetzt in ihrer großen Not gerettet werden. Sie brauchen wieder Luft zum Atmen, damit sie nicht wegen fehlender Einnahmen und erdrückender Aufgaben ersticken. Es darf keine Verzögerung bei dem zentralen Projekt geben, die Einnahmen der Städte zu stärken und die Ausgaben nachhaltig zu reduzieren. Wir erwarten, dass der Bundeskanzler Wort hält und sowohl eine modernisierte Gewerbesteuer als auch eine Entlastung der kommunalen Sozialhilfe in Milliardenhöhe zum 1. Januar 2004 verwirklicht. Wir erwarten ebenso, dass die Länder im Bundesrat konstruktiv an diesen Reformen mitwirken.“

Trotz weiterhin unterschiedlicher Meinungen in der Kommission zur Gemeindefinanzreform schätze der Städtetag die Chancen für eine Modernisierung der Gewerbesteuer als gut ein. Das von den Kommunen abgelehnte Modell der Industrie für einen Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftssteuer sei ohnehin nicht vor 2006 realisierbar. Außerdem setze sich zunehmend die Erkenntnis durch, welche Probleme eine Abschaffung der Gewerbesteuer mit sich bringen würde. „Bisher hat niemand einen Ersatz für die Gewerbesteuer anbieten können, bei dem Wirtschaft und Bevölkerung jeweils zu etwa gleichen Anteilen für die Finanzierung der Städte in der Pflicht bleiben“, sagte Frau Roth.

Bei dem zweiten Teil der Reform – der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe – sei der Weg aus Sicht der Städte ebenfalls vorgezeichnet. Der Bund müsse die Aufgabe der Vermittlung und Unterstützung der Langzeitarbeitslosen, auch aus der Sozialhilfe, übernehmen und finanzieren, so wie es von der Kommission zur Gemeindefinanzreform unterstützt werde.

Frau Roth warnte Bund und Länder davor, in der Schlussphase der Reformdebatte wieder auf Vorgaben zurückzukommen, die ein Gelingen der Reform gefährden. „Es heißt jetzt wieder aus der Regierung, es dürfe keine Lastenverschiebungen zwischen dem Bund auf der einen und Ländern und Kommunen auf der anderen Seite geben. Wenn das wirklich der Maßstab ist, sehe ich für die Städte schwarz. Im übrigen widerspricht diese Vorgabe den Zusagen des Bundeskanzlers an die Städte.“

Die amtierende Städtetagspräsidentin wies darüber hinaus darauf hin, dass der Städtetag auch an seiner Forderung nach Soforthilfe festhalte, weil die Gemeindefinanzreform den Städten nicht sofort helfen könne: „Bund und Länder müssen endlich die Gewerbesteuerumlage auf das Niveau vor der Steuerreform senken. Die Städte können es nicht verkraften, dass die Gewerbesteuer wegbricht und wir trotzdem mehr Geld an Bund und Länder abführen müssen. “

Die Städte befinden sich, so der Deutsche Städtetag, in der schwersten Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik. Die gravierenden Einbrüche der Gewerbesteuer setzen sich nach der neuesten Gewerbesteuerumfrage des Verbandes auch in diesem Jahr fort – mit einem Minus im ersten Quartal von 4,5 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum. 2002 lag das gesamte Gewerbesteueraufkommen bei 23,5 Milliarden Euro und damit 3,5 Milliarden Euro niedriger als im Jahr 2000. Die kommunalen Investitionen bewegen sich um 30 Prozent unter dem Niveau von vor zehn Jahren, die Sozialausgaben dagegen sind um 30 Prozent gestiegen. Den Kommunen droht 2003 ein Haushaltsdefizit von fast zehn Milliarden Euro, obwohl sie seit Jahren ihre Haushalte strikt konsolidieren. Die kommunalen Kassenkredite, eigentlich nur zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe gedacht, liegen mit 11,7 Milliarden Euro auf Rekordhöhe und sind mehr als zehn mal so hoch wie 1992.

Der amtierende Vizepräsident des Deutschen Städtetages, der Oberbürgermeister von Hannover, Dr. Herbert Schmalstieg, sagte dazu: „Die Gemeindefinanzreform muss gelingen, damit wir in den Städten wieder investieren und positive Impulse für Wachstum und Arbeitsplätze setzen können. Sie muss gelingen, damit wir uns mit der Sozialhilfe wieder auf persönliche Notlagen konzentrieren können, statt durch die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit überfordert zu werden. Und sie muss gelingen, damit wir unsere Haushaltsdefizite abbauen und so einen quasi außergesetzlichen Zustand beenden können. “

Schmalstieg machte deutlich, warum die Städte in Mannheim trotz der dramatischen Finanzlage Selbstbewusstsein zeigen wollen: „Wir wissen, wie leistungsfähig die Städte sind: als Keimzelle und Schule der Demokratie, als Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger, als Orte des sozialen Zusammenhalts und der Integration, als Zentren der Kultur, als Standorte für die Wirtschaft.“ Allerdings müssten die Städte neu in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben zu erfüllen, da die kommunale Selbstverwaltung in den vergangenen Jahren immer mehr eingeschränkt und ausgehöhlt worden sei. „Es muss wieder in das Bewusstsein aller staatlichen Ebenen dringen, dass sich die Zukunft nur mit starken Städten erfolgreich gestalten lässt.“

Die Städte seien ausdrücklich zu Veränderungen und zur Erneuerung bereit. Das mache der Deutsche Städtetag mit seinem „Leitbild der Stadt der Zukunft“ deutlich, das von der Hauptversammlung in Mannheim beraten und verabschiedet werden soll. Die Städte definieren in diesem, in einem dreijährigen Diskussionsprozess erarbeiteten Grundsatzpapier die Grundwerte und Ziele der künftigen Stadtpolitik ebenso wie Strategien, um diese Ziele zu erreichen.

Als ein Grundwert, so Schmalstieg, werde genannt, die Aufgaben der Stadtpolitik auf das für die Bürgerinnen und Bürger Notwendige zu konzentrieren, um der gesellschaftlichen Selbstregulierung genügend Raum zu lassen. Daraus folge zum Beispiel, dass die Städte selbst entscheiden, aber auch entscheiden können müssen, welche Leistungen sie weiterhin selbst wahrnehmen und welche von privaten Dienstleistern erbracht werden können. Andere Strategien des Leitbildes dienten etwa dazu, das Verhältnis von Stadt und Region neu zu bestimmen. Da die Städte und Gemeinden in Deutschland immer enger verflochten und immer abhängiger voneinander seien, müssten die Städte die Region mehr als bisher als Handlungsebene akzeptieren und – jedenfalls in Ballungsräumen – auch institutionell verankern. Es müssten neue Grundlagen und Verfahren einer partnerschaftlichen Kooperation in den Stadtregionen entwickelt werden.

Durch die eigene Anpassungsfähigkeit der Städte allein, so der amtierende Städtetagsvizepräsident, lasse sich jedoch die Krise der kommunalen Selbstverwaltung keinesfalls lösen. Bund, Länder und Europäische Union müssten die Rahmenbedingungen herstellen, die echte Selbstverwaltung und eigenes Gestalten in den Städten wieder möglich machen. Denn: „Städte sind Zukunft, so wie wir es mit dem Motto unserer Hauptversammlung hier in Mannheim ausdrücken.“

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Städtetag Straße des 17. Juni 112, 10623 Berlin Telefon: 030/377110, Telefax: 030/37711999

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