Stellungnahme zu Berücksichtigung des Aufziehens von Kindern in der Pflegeversicherung: djb-Vorschlag zur Umsetzung der Pflegeversicherungs-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 3. April 2001
(Berlin) - Der djb schlägt eine pragmatische gesetzliche Regelung vor, die unter Berücksichtigung der in der Pflegeversicherung ohnehin geringen möglichen Entlastungseffekte verwaltungstechnisch angemessen, d.h. unaufwändig umzusetzen ist:
- Erziehende werden durch einen pauschalen Abzugsbetrag vom einkommensproportionalen Versichertenbeitrag pro Kind entlastet.
- Die Entlastung soll bis zum 18. Lebensjahr des Kindes wirken und dem Elternteil zugeordnet werden, der Elternzeit überwiegend beansprucht bzw. der überwiegend erzieht, im Zweifel der Mutter.
- Die generelle beitragsfreie Mitversicherung von nichterwerbstätigen Ehegatten unabhängig von einer Kindererziehung wird durch ein allein familienbezogenes Beitragssystem abgelöst.
djb-Vorschlag und Begründung
I. Einleitung
1. Zum Urteil
Das BVerfG erklärt in den genannten Entscheidungen §§ 54 I, II, 55 I 1, II, 57 SGB XI für verfassungswidrig, soweit Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet werden. Das Gericht hat dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung bis zum 31. Dezember 2004 eingeräumt.
Der djb setzt sich von jeher dafür ein, dass der Beitrag von Familien - insbesondere der typischerweise von den Frauen erbrachte Beitrag der Kindererziehung - zur Funktionsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme in diesen Systemen selbst Berücksichtigung finden muss. Weder die Leistungen des allgemeinen Familienlastenausgleichs noch die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung tragen dieser Leistung angemessen Rechnung. Der djb stimmt daher dem BVerfG zu, dass eine Sozialversicherung, die die systemerhaltenden Nachwuchssicherungskosten unberücksichtigt lässt, prinzipiell zu billig gerät.
Diese generelle Frage der Internalisierung von Nachwuchssicherungskosten in die Pflegeversicherung ist jedoch, deutlicher als das BVerfG es tut, zu trennen von der Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit bei der Kostentragung. Offen ist, ob die Nachwuchssicherungskosten aus dem Beitragsaufkommen oder aus Steuermitteln zu finanzieren sind. Das Grundgesetz und entsprechend das Urteil machen hierzu keine Vorgaben.
2. Umsetzungsebenen
Zunächst ist festzuhalten, dass die Berücksichtigung von Nachwuchssicherungskosten in der Pflegeversicherung nicht zu verwechseln ist
- mit dem allgemeinen politischen Ziel, Familien zu fördern und
- mit dem Verfassungsauftrag der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.
Individuell betrachtet erfordert die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nach wie vor die realistische Freistellung der Existenzminima aller Familienmitglieder in der Steuer. Familienförderung hingegen findet ihren zentralen Ansatzpunkt in der Verbesserung der Bedingungen für die Erwerbstätigkeit von Kindererziehenden, insbesondere von Frauen. Der djb hat deshalb bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hingewiesen, dass vor allem die soziale Infrastruktur für Familien insbesondere mit Blick auf die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Beruf verbessert werden muss. Kindererziehenden Eltern darf die Beibehaltung der Erwerbstätigkeit oder ihre Wiederaufnahme nach der Erziehungszeit nicht verbaut, sondern sie muss vielmehr erleichtert werden. Dies ist die Voraussetzung, dass erziehende Eltern auch monetäre Beiträge zu den Systemen der sozialen Sicherung und zum Fiskalaufkommen leisten können.
Eine gesamtgesellschaftliche Lastenverteilung für die Nachwuchssicherung muss transparent sein und nachhaltig wirken: der Familienlastenausgleich mit seinen verschiedenen Elementen führt nicht zuletzt durch seine Unübersichtlichkeit zu Ungerechtigkeiten. Der djb diskutiert derzeit das Modell einer Familienkasse, die
- mehr leisten sollte als die Zusammenführung bestehender Familienleistungen
- und auch die Arbeitgeber in die Finanzierung einbindet.
Zu einer solchen Forderung gibt nicht zuletzt das aktuelle, im Auftrag des BMFSFJ erstellte, Gutachten von Prof. Bert Rürup Nachhaltige Familienpolitik im Interesse einer aktiven Bevölkerungspolitik" vom November 2003 Anlass. Das Gutachten stellt fest, dass für den Staat bzw. die Gesellschaft die sogenannten externen Effekte von Kindern relevant sind. Mehr Kinder bedeuten mehr Wirtschaftswachstum und damit mehr gesellschaftlichen Wohlstand. Das einzelne Individuum mag keine Kinder ''brauchen'', die Gesellschaft benötigt sie aber. Durch das Aufziehen und Erziehen ihrer Kinder bewirken Eltern positive und verhindern negative externe Effekte. An diesen Leistungen, so Rürup, habe sich der Staat angemessen zu beteiligen. Der Staat: das sind nicht nur die Lohn-, Einkommens- und Verbrauchssteuerzahler, sondern auch die Unternehmer, die gleichfalls auf Wirtschaftswachstum angewiesen sind.
Da die Frist zur Umsetzung des BVerfG-Urteils Ende des Jahres 2004 abläuft, ist aus Zeitgründen zunächst eine pragmatische Lösung anzustreben. Wegen der Besonderheit der Pflegeversicherung muss diese Lösung eine weitere Komponente im bereits jetzt unübersichtlichen Regelwerk des Familienlastenausgleichs darstellen. Aus Sicht des djb ist hierin mittelfristig das entscheidende Signal zur grundlegenden Reform der Verbesserung und Vereinfachung zu sehen. Die folgenden Überlegungen beziehen sich deshalb nur auf die systeminterne Umsetzung des Urteils in der Pflegeversicherung (II.) und auf die auch vom BVerfG aufgegebene Übertragung auf andere Sozialversicherungssysteme (III.).
II. Änderungsbedarf der sozialen Pflegeversicherung
Nach Auffassung des djb hat der Gesetzgeber bei der Umsetzung der Pflegeversicherungsurteile verschiedene Rahmenbedingungen zu berücksichtigen:
1. Sorge für eine ausreichende Finanzierung der Alterssicherung allgemein und der Pflege im Besonderen,
2. angemessene Berücksichtigung der Kindererziehung im Verhältnis zu Kinderlosen,
3. Dynamisierung der Entlastung,
4. keine Anreize, sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit aufzugeben.
Unter diesen Voraussetzungen empfiehlt der djb folgendes Modell:
1. Finanzierung
a. Gegenfinanzierung notwendig
Jede mögliche begünstigende Berücksichtung der Kindererziehung auf der Beitragsseite und diese wird vom BVerfG gefordert benötigt zwangsläufig eine Gegenfinanzierung.
Erkennbar ist bereits jetzt, dass die Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung auf absehbare Zeit die Einnahmen übersteigen werden. Der Altersanstieg in der Bevölkerung lässt vermuten, dass Ausgabensenkungen nicht zu erwarten sind. Der Gesetzgeber steht deshalb vor der Aufgabe, die Einnahmen der sozialen Pflegeversicherung mittelfristig zu steigern. Die vom BVerfG geforderte Berücksichtigung der Kindererziehungsleistungen kann deshalb nur entweder durch höhere Beiträge der Mitglieder oder durch eine Subventionierung des Bundes finanziert werden, die als steuerfinanzierter Bundeszuschuss die Kindererziehungsleistung ausgleicht.
b. Beitragsfinanzierung versus Steuerfinanzierung
Für eine Steuerfinanzierung spräche das arbeitsma
rktpolitische Anliegen, die Lohnnebenkosten nicht zu erhöhen. Die systematischen Vorteile einer Beitragsfinanzierung sind jedoch aus Sicht des djb höher zu bewerten und entsprechen auch dem Anliegen der BVerfG-Entscheidung, die die systemspezifische Berücksichtigung der Kindererziehung fordert. Eine Finanzierung durch Steuern liefe im Ergebnis auf eine Art Kindergeld hinaus, das nur unsystematisch und neue Probleme aufwerfend über die Pflegeversicherung ausgezahlt würde.
Würde sich der Gesetzgeber dennoch für diese Lösung entscheiden, wäre ein Zuschlag zum Kindergeld der technisch konsequentere Weg. Diese Lösung hätte den Vorteil geringen Verwaltungsaufwandes, weil nicht die Pflegekassen, sondern die ohnehin kompetenten Kindergeldkassen (Finanzämter) mit der konkreten Entscheidung über die Förderung befasst würden. Allerdings würden Eltern über die gezahlten Steuern nicht nur die eigene Entlastung, sondern auch die Verbreiterung der Finanzierungsbasis zu ca. einem Drittel gegenfinanzieren (Bundesbank 2002). Fraglich ist allerdings, ob damit dem BVerfG-Urteil noch Genüge getan würde, da eine Verbindung zum System der Pflegeversicherung nicht mehr bestünde.
Bei einer Beitragsfinanzierung bleibt es nicht nur bei dem vom BVerfG verlangten systemspezifischen Ausgleich es werden darüber hinaus durch die anteilige Finanzierung die Nachwuchssicherungskosten nicht allein auf die Bürger verteilt, sondern vielmehr auch die Wirtschaftsunternehmen beteiligt. Dies ist konsequent, da Nachwuchssicherung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und auch von der Wirtschaft gefordert wird (s. das oben zitierte Gutachten von Prof. Bert Rürup). Zudem führt eine Beitragsfinanzierung automatisch zu einer Dynamisierung dieser Kosten, so dass die fortschreitende Entwertung entsprechender Leistungen, die bei den steuerfinanzierten Familienleistungen besteht, vermieden wird.
Der djb spricht sich deshalb für eine Beitragsfinanzierung aus.
c. Konsequenz für den Beitragssatz
Entscheidet sich der Gesetzgeber für die Anhebung des Beitragsaufkommens, bedeutet dies im ersten Schritt eine Erhöhung des Beitragssatzes für alle Versicherten. Dabei muss sichergestellt werden, dass das Gesamtvolumen der Pflegeversicherung nicht durch die im zweiten Schritt vorzunehmende Beitragslastsenkung bei Kindererziehenden reduziert wird, also mindestens gleich bleibt.
Die Senkung der Beiträge für Kindererziehende kann dann zwar im Einzelfall dazu führen, dass die absolute Belastung kindererziehender Mitglieder nicht oder nur unwesentlich sinkt. Da das BVerfG nur auf die relative Berücksichtigung der familiären Nachwuchssicherung im Verhältnis zu Kinderlosen abstellt, entspräche dies der Entscheidung.
2. Beitragsentlastung für Kindererziehende
a. Grundsatz
Die Berücksichtigung der Nachwuchssicherungsleistungen in der Pflegeversicherung erfolgt sodann durch eine Beitragssatzreduzierung für Mitglieder, die Kinder erziehen.
Die Reduzierung des Beitragssatzes stellt der Logik des BVerfG-Urteils nach eine Berücksichtigung der von Eltern zusätzlich erbrachten Leistungen im Vergleich zu Kinderlosen dar. Denn es kann nicht (mehr) selbstverständlich davon ausgegangen werden, dass alle Mitglieder die für die Systemerhaltung notwendige Nachwuchssicherungs-Leistung erbringen werden. Daher muss diesem Unterschied in Zukunft Rechnung getragen werden.
b. Keine Entlastung des Arbeitgeberanteils
So folgt für den Arbeitgeberanteil zwangsläufig, dass er von einer Beitragsentlastung nicht betroffen ist, da der Arbeitgeber ohnehin nie die systemnotwendige Kindererziehungsleistung erbringt. Die Beitragsentlastung betrifft damit nur den Arbeitnehmeranteil des Pflegeversicherungsbeitrags.
c. Konstante oder proportionale Beitragsentlastung?
Erfolgt die Anerkennung von Kindererziehungsleistungen durch eine Reduzierung des Beitragssatzes, so kann diese Entlastung einkommensproportional oder durch einen konstanten Betrag erfolgen. Der djb spricht sich für die Berücksichtigung jedes Kindes mit einem konstanten Betrag aus. Er sollte sich aus dem statistischen Durchschnittsbeitrag (entsprechend der Bezugsgröße in der GRV) errechnen und könnte gegenwärtig 2,50 Euro pro Kind betragen. Eine solche Regelung fände ihre Parallele in der beitragsunabhängig gestalteten Honorierung der Leistung Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Jedes Kind ist damit unabhängig vom tatsächlich erzielten Einkommen - in der Renten- und Pflegeversicherung gleich viel wert. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Einkommen der Eltern und der späteren Wertschöpfung des Kindes besteht nicht.
Der konstante Abzugsbetrag ist darüber hinaus praktikabel eine Dynamisierung entsprechend der Bezugsgröße müsste, solange der Beitragssatz der Pflegeversicherung insgesamt unter 2 Prozent bleibt, nicht alljährlich erfolgen, sondern könnte in größeren Zeitabständen (z.B. alle 5 Jahre) vorgenommen werden.
d. Dauer und Höhe der Beitragsentlastung
Der djb empfiehlt, auch bei der Umsetzung der Beitragsentlastung besonderen Wert auf die Praktikabilität der zu treffenden Regelung zu legen. Ein wegen des insgesamt geringen Beitragssatzes geringer Entlastungseffekt für Kindererziehende darf keinen erhöhten Verwaltungsaufwand zur Folge haben, der die Leistungsfähigkeit des Systems gefährdet.
Zentral ist jedoch, dass eine Beitragsentlastung, die dem BVerfG-Urteil Rechnung trägt, deutlich unterschieden werden muss von der bereits heute erfolgenden mit der gesetzlichen Krankenversicherung parallel laufenden Beitragsfreistellung während der Elternzeit (§ 56 Abs. 3 Satz 1 SGB XI, § 224 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil die Beitragsfreistellung während der Elternzeit dem allgemeinen Familienlastenausgleich zuzurechnen ist, es hier demgegenüber aber um die systemspezifische Beitragsentlastung wegen der systemnotwendigen Nachwuchssicherung geht.
Nach Auffassung des djb ist unter Berücksichtigung der genannten Prämissen eine Beitragsentlastung bis zum 18. Lebensjahr des Kindes zu empfehlen. Eine Anknüpfung an den Kindergeldbezug erscheint verwaltungstechnisch vergleichsweise zu aufwändig.
e. Zuordnung der Beitragsentlastung zwischen den Eltern
Notwendig ist eine praktikable und zugleich der familiären Gestaltungsfreiheit Rechnung tragende Zuordnung der Beitragsentlastung an ein Elternteil bzw. eine Erziehungsperson. Hierbei sind verschiedene Gesichtspunkte weiter zu berücksichtigen.
Es muss sichergestellt werden, dass die finanzielle Entlastung bei der Person erfolgt, die die Erziehungsleistung erbringt und die damit verbundenen finanziellen Benachteiligungen tatsächlich spürt. In der traditionell typischen Familiensituation bedeutet dies, dass verhindert werden muss, dass die Frau die Kinder erzieht und auf Erwerbstätigkeit verzichtet während die Beitragsentlastung beim Mann erfolgt.
Deshalb schlägt der djb vor, die Beitragsentlastung der Pflegeversicherung an die überwiegende Wahrnehmung von Elternzeit bzw. Erziehungsgeld zu koppeln. Für einen erheblichen Teil der betroffenen Personen ist damit eine einfache Zuordnung möglich. In den Fällen, in denen keine Elternzeit genommen oder kein Erziehungsgeld gewährt wurde, bleibt die übereinstimmende Erklärung der Sorgeberechtigten. Bei Uneinigkeit sollte generalisierend der Frau die Beitragsentlastung zugeordnet werden, um ein kostenintensives Streitverfahren hierüber zu vermeiden. Wenn nach Trennung und Scheidung durch Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ein Wechsel der Zuordnung erforderlich wird, sollte er auf Antrag vorgenommen werden.
f. Altfallproblematik
Die vorgeschlagene Lösung berücksichtigt grundsätzlich nur Mitglieder, die ab der Neuregelung Kinder erziehen. Für alle Altfälle also die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes erbrachten Erziehungsleistungen - ist nach Auffassung des djb eine Neuregelung nicht verfassungsrechtlich geboten. Es wäre jedoch eine pauschalierte Beitragsfreistellung oder eine einmalige Zuschussregelung denkbar, die aus Gründen der Praktikabilität bei einem geringen Finanzvolumen einfach zu handhaben sein muss. So könnte ähnlich der Regelung für die Trümmerfrauen bei der Einführung der Kindererziehungszeiten für jedes geborene Kind der Mutter ein einmaliger pauschaler Zuschuss gewährt werden.
3. Umstellung der beitragsfreien Familienversicherung der Ehegatten in eine Beitragsreduzierung bei Kindererziehenden
Der djb spricht sich weiter dafür aus, die BVerfG-Entscheidung dazu zu nutzen, die geltende beitragsfreie Familienversicherung der nichtverdienenden Ehegatten in eine Beitragsreduzierung für Kindererziehende umzuwandeln. Das bisherige System begünstigt einseitig die Ehe unabhängig von der Kindererziehung. Auch nichterwerbstätige oder nur geringfügig erwerbstätige Ehegatten sollten generell einen Mindestbeitrag zur Pflegeversicherung leisten. Diese zusätzliche Belastung muss dann bei den anderen sozialen Sicherungssystemen (insbesondere bei den Leistungssätzen oder der Einkommensanrechnung für das Arbeitslosengeld II und dem Sozialgeld) berücksichtigt werden.
Die geltende beitragsfreie Familienversicherung von nicht oder nur geringfügig erwerbstätigen Ehegatten ist nicht an die Kindererziehung gekoppelt - deshalb hat das BVerfG sie auch zu Recht nicht als Kompensation für die Nachwuchssicherungskosten gelten lassen. Sie wirkt als Begünstigung nur bei verheirateten Personen, ohne dass sie im Hinblick auf familiäre oder sonstige Belastungen zielgenau ist. Sie ist daher in der bisherigen Ausgestaltung sachlich nicht zu rechtfertigen. Besteht für nichterwerbstätige Ehegatten so wie für Alleinstehende keine beitragsfreie Familienversicherung, würde das vom djb vorgeschlagene Modell nur die Personen begünstigen, die Kinder erziehen. Für diese würde sich dann der Mindestbeitrag reduzieren oder sie wären beitragsfrei gestellt. Die Beitragsentlastung wegen Kindererziehung wird sich damit, unabhängig von der Familienform in der gelebt wird, nur für Eltern auswirken. Zudem wird damit die ohnehin überfällige Ausrichtung der Familienförderung an der Kindererziehung statt an dem Ehestatus fortgesetzt.
Schließlich bedeutet diese Umstellung zugleich eine Gegenfinanzierung der Beitragsreduktion für Kindererziehende. Der djb verkennt nicht, dass sich damit die faktische Situation vieler Haushalte nur wenig verändern wird und es auch zu einer höheren Belastung für kinderlose Ehepartner kommen kann. Zum ersten ist jedoch durch eine notwendige flankierende Änderung der Grundsicherung dafür zu sorgen, dass einkommensschwache, vor allem arbeitslose Personen keine zusätzliche Belastung jenseits ihrer Leistungsfähigkeit auferlegt bekommen. Zum zweiten entspricht ein solches Modell der Zielsetzung des BVerfG-Urteils. Zum dritten muss mit Blick auf den ökonomischen Zustand der sozialen Pflegeversicherung die Erhaltung ihrer Finanzierugsgrundlagen zentral sein. Andernfalls wäre jede scheinbare Verbesserung nur ein Pyrrhussieg, weil ein Kollaps der sozialen Pflegeversicherung alternative private Alters- und Pflegebedürftigkeitsvorsorge unerlässlich macht, und für diese die Familienförderung nach dem hier verlangten Muster nicht greift.
III. Berücksichtigung von Nachwuchssicherungskosten im Zusammenhang anderer Alterssicherungssysteme
1. Private Pflegeversicherung
Das Aufziehen von Kindern wird auch im System der privaten Pflegeversicherung mittelfristig stärker als bisher zu berücksichtigen sein. Kapitalgedeckte Systeme werden das erforderliche Kapital nicht aktivieren können, wenn nicht nachwachsende Generationen durch wirtschaftliche Tätigkeit und Konsum die Kapitalanlagen wirksam werden lassen. Auch das BVerfG schließt in den Pflegeversicherungs-Urteilen Rückwirkungen der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung auf solche Systeme nicht aus und verpflichtet deshalb den Gesetzgeber zur fortlaufenden Prüfung und ggf. zur Nachbesserung. Kindererziehung bildet im Rahmen dieses Prüfungs- und Nachbesserungsauftrags einen Gemeinwohlbelang, dem auch im obligatorischen System der privaten Pflegeversicherung Rechnung zu tragen ist.
2. Gesetzliche und private Krankenversicherung
Innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung wird der Beitrag, den Mitglieder durch Kindererziehung leisten, im Wege der beitragsfreien Versicherung der Kinder berücksichtigt. Mit der beitragsfreien Versicherung der Kinder trägt die gesetzliche Krankenversicherung schon jetzt systemimmanent und ausreichend dem Umstand Rechnung, dass sie als soziales Sicherungssystem ebenso auf die Nachwuchssicherung wie auf monetäre Beiträge angewiesen ist. Hier besteht kein Ergänzungs- oder Änderungsbedarf.
Allerdings kann die generelle beitragsfreie Versicherung der nicht erwerbstätigen (Ehe-)Partner in der gesetzlichen Krankenversicherung aus Sicht des djb nicht in diesem Zusammenhang gesehen werden und sollte überdacht werden.
3. Gesetzliche Rentenversicherung
Eine Übertragung der vorstehenden Überlegungen auf die gesetzliche Rentenversicherung ist aus Sicht des djb schon deshalb nicht geboten, weil hier der Beitrag, den Mitglieder durch Kindererziehung leisten, auf der Leistungsseite berücksichtigt werden kann. Der djb hat dazu bereits im Jahr 2000 ein Modell entwickelt, das vor allem eine eigenständige Alterssicherung von Frauen gewährleistet und einer künftigen Altersarmut entgegenwirkt.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Juristinnenbund (Vereinigung der Juristinnen, Volkswirtinnen und Betriebswirtinnen) e.V. (djb)
Margret Diwell, Präsidentin
Dr. Christine Fuchsloch, Vorsitzende der Kommission Recht der sozialen Sicherung, Familienlastenausgleich
Anklamer Str. 38, 10115 Berlin
Telefon: 030/4432700, Telefax: 030/44327022
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