Pressemitteilung | Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb)
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Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung (BT-Drucksache 15/904) bzw. zum Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/Die Grünen

(Berlin) - Der Gesetzentwurf baut den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24 b EStG weiter aus. Durch die Einbeziehung auch der Alleinerziehenden, die (ausschließlich) mit volljährigen Kindern zusammen leben, trägt der Gesetzentwurf dem Umstand Rechnung, dass eine wesentliche Zäsur durch den 18. Geburtstag des Kindes vielfach nicht erfolgt, sondern die besondere Belastungssituation für Alleinerziehende weiter besteht. Dieser Ansatz, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, der als notwendige Kompensation für den Wegfall des Haushaltsfreibetrages eingeführt worden ist, auszudehnen, wird vom djb ausdrücklich begrüßt.

Dagegen äußert der djb Bedenken, neben den Alleinerziehenden, die allein mit ihren Kindern zusammen leben, verschiedene vergleichbare Belastungssituationen zu definieren und diese in die Regelung des "Entlastungsbetrages für Alleinerziehende" einzubeziehen. Der djb fordert den Gesetzgeber auf,

– Alleinerziehenden, die allein mit ihren kindergeldberechtigten Kindern in einem Haushalt zusammen leben, den Entlastungsbetrag zu gewähren,

– nicht jedoch weitere Fallkonstellationen einzubeziehen, sowie

– generell die steuerliche Entlastung von Familien (Familienleistungsausgleich und Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten) zu verbessern und dies unter anderem durch den Abbau der steuerlichen Vorteile für Ehepaare durch das Ehegattensplitting zu finanzieren.

Regelungszweck

Motivation für die Einführung des Entlastungsbetrages war der (stufenweise) Wegfall des Haushaltsfreibetrages, veranlasst durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998, umgesetzt insbesondere durch das (Erste) und das Zweite Familienförderungsgesetz der 14. Legislaturperiode.

Der Haushaltsfreibetrag, der als Kompensation zum Ehegattensplitting diente, wurde durch eine der Verfassungsgerichtsentscheidungen als ehediskriminierend verworfen, da Ehepaare im Vergleich zu nichtehelichen Lebensgemeinschaften vielfach Nachteile hatten.

Ein besonderer Entlastungsbetrag für tatsächlich Alleinerziehende ist dagegen mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vereinbar, wenn nicht sogar zur Gleichbehandlung von Alleinerziehenden mit Ehepaaren oder z.B. Lebenspartnerschaften geboten. Diesen verfassungsrechtlichen Spielraum nutzt der Gesetzgeber mit dem Entlastungsbetrag.

Ziel ist es, die vergleichsweise hohen Belastungen für die Lebens- und Haushaltsführung von Alleinerziehenden abzugelten.

Allgemein zu den besonderen Belastungen der Alleinerziehenden

Alleinerziehende, die allein mit ihren Kindern eine Haushaltsgemeinschaft bilden, können in der Regel keine Synergieeffekte nutzen. Sie haben häufig höhere Kosten, weil sie insbesondere im Falle einer Erwerbstätigkeit mit einem geringeren Zeitbudget auskommen müssen und deshalb weniger günstig einkaufen bzw. Dienstleistungen für bestimmte Aufgaben einkaufen müssen.

Auch mit volljährigen (kindergeldberechtigten) Kindern bleiben im Vergleich zu Zwei-Eltern-Familien spezifische Nachteile. Zwar können volljährige Kinder sich an der Haushaltstätigkeit beteiligen. Vielfach tragen sie auch einen Teil der finanziellen Kosten, wenn sie z.B. Ausbildungsvergütungen oder Einnahmen aus Studentenjobs etc. zur Verfügung haben. Unstreitig ist jedoch die Grenzbelastung für ein Kind im Haushalt umso höher, je kleiner der Haushalt ist. Dies ist insbesondere bei den Wohnkosten offensichtlich. Das heißt, Alleinerziehende sind finanziell - gerade durch das erste Kind - besonders belastet.

Die Notwendigkeit, jedenfalls aber die verfassungsrechtliche Zulässigkeit, einer weiteren Entlastung auch Alleinerziehender mit volljährigen Kindern wird durch den Vergleich mit einem Ehepaar oder anderen Paaren, die den gegenseitigen Unterhalt als außergewöhnliche Belastungen geltend machen können, belegt. Dort wird die zweite Person jeweils mit einem zweiten Grundfreibetrag in Höhe von 7.664 Euro berücksichtigt, obwohl im Hinblick auf die Synergieeffekte in einer Haushaltsgemeinschaft auch niedrigere Beträge für die zweite Person denkbar wären. Schon der Grundfreibetrag liegt deutlich über dem im Existenzminimumbericht der Bundesregierung ermittelten Betrag für Alleinstehende. Wird nun zugunsten der Alleinerziehenden die Steuerfreistellung für ein volljähriges Kind, das als zweite Person zu Hause wohnt, insgesamt mit 6.916 Euro (5.808 Euro Freibeträge für Kinder nach § 32 Abs. 6 EStG plus 1.308 Euro Entlastungsbetrag für Alleinerziehende) festgesetzt, ist dies nicht überhöht.

Dem kann auch kaum entgegengehalten werden, dass - im Gegensatz zum Ehegattensplitting und der Berücksichtigung von Unterhaltspflichten als außergewöhnliche Belastungen - auf die Freibeträge für Kinder und das Kindergeld aufgrund der sog. Fallbeilgrenze eigenes Einkommen bis zu 7.664 Euro nicht angerechnet wird, so dass es hier in gewisser Weise zu einer doppelten Begünstigung kommt. Denn bei der sog. Fallbeilgrenze handelt es sich um eine Regelung, die vor allem auf Praktikabilitätserwägungen bei der Kindergeld- und Kinderfreibetragsgewährung beruht. Sie führt generell zu Vorteilen von kindergeldberechtigten Kindern mit eigenem Einkommen (knapp) unterhalb von 7.664 Euro und ihren Eltern.

Dagegen ist es angemessen, wenn ein volljähriges Kind einer Alleinerziehenden tatsächlich kein eigenes oder nur ein geringes Einkommen hat, die steuerliche Berücksichtigung der Belastungen nicht wesentlich geringer ausfallen zu lassen als in anderen Haushaltsgemeinschaften von zwei Erwachsenen, von denen nur einer Einkommen hat und gegenüber dem anderen unterhaltsverpflichtet ist.

1. Zu Abs. 1 des § 24 b (Entwurf)

Während der derzeitige Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nur gewährt wird, wenn der steuerpflichtigen Person für ein Kind Kindergeld zusteht, das noch nicht 18 Jahre als ist, soll er nach dem Änderungsantrag bezüglich aller "Kindergeldkinder" und damit u.U. bis zu deren 27. Lebensjahr gelten.

Laut Begründung des Entwurfs geht der Gesetzgeber davon aus, dass volljährige ebenso wie minderjährige Kinder sich nicht wie andere Erwachsene an der Haushaltsführung beteiligen und auch finanziell nicht in nennenswertem Umfang in der Lage sind, für die anfallenden Kosten aufzukommen.

Stellungnahme zur Begründung des Gesetzentwurfs

Während die Begrenzung auf Kinder bis 18 Jahre sich ohne weiteres als Typisierung für eine einseitige Belastung der Alleinerziehenden eignete, stellt sich bei den volljährigen bis zu 27 Jahre alten Kindern, die im gemeinsamen Haushalt leben, die Frage, ob sie nicht neben unstreitig belastenden Effekten auch zu einer Entlastung im Haushalt (praktisch oder finanziell) beitragen. Während minderjährige Kinder meist keine Einkünfte haben, ist dies bei volljährigen Kindern vielfach der Fall. Volljährige Kinder dürften auch eher zu einer entlastenden Mitarbeit herangezogen werden können.

Andererseits ist die Begrenzung auf Kinder bis zu 18 Jahren gerade in den Fällen nur bedingt überzeugend, in denen die Kinder eine allgemeinbildende Schule besuchen und diese – trotz allgemein üblicher Schullaufbahn – zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen haben (z.B. die Abiturprüfung wird in aller Regel erst mit 19 Jahren abgelegt). Da eine Anknüpfung an Schulabschlüsse schon aus Praktikabilitätserwägungen nicht in Betracht kommt, wäre eine Typisierung denkbar, die Kinder bis zum 21. Geburtstag einschließt. Damit würde noch dem vielfach besonders schwierigen Übergang ins Erwachsenenalter Rechnung getragen (Altersgrenze in Anlehnung an § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG, wonach Kinder bei Arbeitslosigkeit auch bis zum Alter von 21 Jahren im Familienleistungsausgleich berücksichtigt werden können).

Erweiterte Begründung durch besondere (Grenz-)Belastungen

Im Ergebnis ist die Einbeziehung der Alleinerziehenden mit über 18-jährigen Kindern in den Entlastungsbetrag deshalb geboten, weil sie sonst im Vergleich zu anderen Haushalten, in denen zwei erwachsene Personen leben, benachteiligt werden (vgl. hierzu oben).

Dies wird für volljährige Kinder auch dadurch bestätigt, dass der Freibetrag für das sächliche Existenzminimum für Kinder im Existenzminimumbericht nur anhand der Belastungen für Kinder zwischen 0 und 18 Jahren ermittelt wird. Die höheren Bedarfe der 18- bis 27-jährigen Kinder werden im Wege einer äußerst groben Typisierung nicht berücksichtigt.

Bei Alleinerziehenden mit volljährigen Kindern kumulieren nunmehr einerseits die mangelnden Synergieeffekte im Vergleich zu Zwei-Eltern-Haushalten und andererseits die zu knappe Bemessung des Existenzminimums des volljährigen Kindes, so dass der Entlastungsbetrag für diese Gruppe schon deshalb geboten erscheint.

Neben der Ausweitung des Entlastungsbetrages auf Alleinstehende mit volljährigen Kindern soll er nach dem Entwurf nunmehr nicht nur gewährt werden, wenn die Kinder ihren Hauptwohnsitz, sondern auch, wenn sie ihren Nebenwohnsitz in dem Haushalt des Steuerpflichtigen haben. Eingehend begründet wird dieser Vorschlag nicht. Jedenfalls erscheint eine Abstimmung mit dem Freibetrag zur Abgeltung des Sonderbedarfs für ein auswärtig untergebrachtes Kind in Berufsausbildung gemäß § 33 a EStG geboten, damit beide Steuerfreistellungen nicht kumulieren.

2. Zu Abs. 3 Nrn. 3 und 4 des § 24 b (Entwurf), zugleich zu Abs. 4 des § 24 b (Entwurf)

Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auch auf Fälle, in denen die alleinstehende mit einer schwer behinderten oder einer einkommenslosen Person zusammen lebt, scheint nicht ratsam. Es werden besondere Belastungssituationen definiert, die sich weiter ergänzen ließen (z.B. bei einer ehelichen Familie mit vielen Kindern, mehreren Pflegebedürftigen usw.). Legt man für die Ausweitung des Entlastungsbetrages auf Alleinstehende mit volljährigen Kindern die oben dargestellte Begründung zugrunde, erscheint eine Ausweitung nicht angemessen. Bei größeren Haushalten ist die Grenzbelastung für das Kind nicht mehr so groß wie bei der zweiten Person im Haushalt. Außerdem können die in Nrn. 3 und 4 genannten weiteren Personen in der Regel entweder aufgrund eigenen Einkommens ihrerseits den Grundfreibetrag geltend machen, oder es können für diese Person Unterhaltsleistungen von Dritten steuerlich berücksichtigt werden (Ehegattensplitting/außergewöhnliche Belastungen).

Aus den genannten Gründen sollte auch auf Abs. 4 (Entwurf) verzichtet werden.



Schluss

Im Mittelpunkt einer gerechten Ehe- und Familienbesteuerung stehen kindbezogene Entlastungen der Eltern und das Zurückdrängen aller steuerlichen Regelungen, die der Vereinbarkeit von Beruf und Familie dadurch entgegenwirken, dass sie den damit einhergehenden Belastungen nicht angemessen Rechnung tragen.

Der djb fordert den Gesetzgeber deshalb wiederholt auf, insbesondere die Kosten der Kinderbetreuung wegen Erwerbstätigkeit, Ausbildung, Behinderung oder längerer Krankheit von dem ersten Euro an und ohne Beschränkung der Höhe nach zum Abzug zuzulassen, und das Ehegattensplitting und das sog. Realsplitting durch eine Individualbesteuerung unter Berücksichtigung eines zweiten Grundfreibetrages zu ersetzen, und zwar zugunsten einer kindbezogenen Entlastung von Familien.

Mit diesen Regelungen wäre nicht nur Alleinerziehenden geholfen, sie würden dadurch jedoch typischer Weise besonders entlastet.

Die hier erhobene Forderung, den im Entwurf vorgeschlagenen Entlastungsbetrag allen Alleinerziehenden mit kindergeldberechtigten Kindern zu gewähren, ist ein Schritt in die Richtung, den Belastungen durch unterhaltsberechtigte Kinder gerade auch im Vergleich zu Belastungen für (Ehe-)PartnerInnen angemessen Rechnung zu tragen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Juristinnenbund (Vereinigung der Juristinnen, Volkswirtinnen und Betriebswirtinnen) e.V. (djb) Anklamer Str. 38, 10115 Berlin Telefon: 030/4432700, Telefax: 030/44327022

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