Pressemitteilung | Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV)

Steueranwaltstag 2005 in Berlin / Steueranwälte fordern radikale Steuervereinfachung / Finanzverwaltung muss mehr Dienstleister werden

(Berlin) - Anlässlich des am 04. und 05. November 2005 in Berlin stattfindenden Steueranwaltstages fordern die Steuerrechtsanwälte eine radikale Vereinfachung des Steuersystems. Die Reform der Ertragssteuern, insbesondere der Einkommen- und Körperschaftssteuer müsse weiter auf der politischen Tagesordnung bleiben, so die Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Der deutsche Gesetzgeber und das Bundesfinanzministerium seien insbesondere gefordert, da sie oftmals Vorschriften vorlegten, die gegen das Europarecht verstoßen. Die Finanzverwaltung dürfe den Bürger auch nicht generell als potentiellen Steuerhinterzieher behandeln.

„Das komplizierte Steuerrecht schreit geradezu nach Reformen,“ betont Rechtsanwalt Dr. Rolf Schwedhelm, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht des DAV, anlässlich des Steueranwaltstages. Die Gewerbesteuer sei eine anachronistische Steuer und gehöre abgeschafft. Es gebe Alternativmodelle, um die Finanzkraft der Gemeinden zu sichern, beispielsweise durch Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer. Der Umsatzsteuermissbrauch zeige, dass hier erheblicher Reformbedarf bestehe. Die inzwischen zur Vermeidung des Missbrauches normierten Hürden formalistischer und bürokratischer Art würden wie eine eigene Steuerbelastung wirken.

„Zu bemängeln ist, dass die Finanzgerichte im zunehmenden Maße deutsche Steuervorschriften dem Europäischen Gerichtshof vorlegen müssen, da sie von deren Europarechtswidrigkeit ausgehen“, so Schwedhelm weiter. Der deutsche Gesetzgeber und das Bundesfinanzministerium müssen die europäischen Vorgaben ernster nehmen.

Die Vorschrift zur gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung (§ 370 a AO) ist abzuschaffen. Der Bundesgerichtshof hatte diese Norm mit dem Merkmal „verfassungswidrig“ belegt. In der Fahndungspraxis verunsichert sie nur, ohne die Hinterziehung tatsächlich zu bekämpfen. Da heute die gewerbsmäßige Steuerhinterziehung von der normalen Steuerhinterziehung nicht zu trennen und bei der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung eine Selbstanzeige nicht möglich ist, könnten Selbstanzeigen nur mit großem Unsicherheitsfaktor abgegeben werden.

Völlig unverständlich sei das Verbot des Bundesfinanzministeriums im Bereich des Zolls, dass Beamtinnen und Beamten bei Prüfungen noch keine Getränke wie zum Beispiel Kaffee annehmen dürfen. Wenn man solche Vorschriften ernst nehmen würde, müsste man sie konsequent weiterdenken. Dann dürften Zöllner auch keine Parkplätze des Unternehmens in Anspruch nehmen, das Händeschütteln zur Begrüßung sei abzuschaffen, da es ja schon das „Klima“ der „Korruption“ begründen könnte. Die Weisung des Bundesfinanzministeriums sei nur eine exemplarische Spitze des Eisberges. „Sie zeigt, wie sehr die Finanzverwaltung von der Ideologie durchsetzt ist, alle Steuerpflichtigen, insbesondere aber Unternehmer, seien potentiell kriminell,“ ärgert sich Schwedhelm. Das sei ebenso falsch, wie die Befürchtung vieler Steuerpflichtiger, alle Finanzbeamten seien ausschließlich von Sozialneid getrieben. Um wieder ein Vertrauen zwischen Staat und seinen Organen einerseits und dem Steuerbürger andererseits zu schaffen, bedürfe es nicht nur der Reform des materiellen Steuerrechts, sondern auch vor allem einer „inneren Reform“ der Finanzverwaltung. Hierzu Schwedhelm: „Sie muss ihr Selbstverständnis von einer hoheitlichen Eingriffsverwaltung hin zu einer dem Staat und ihren Bürgern verpflichteten Dienstleistungsbehörde ändern“.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV) Swen Walentowski, PR-Referent Littenstr. 11, 10179 Berlin Telefon: (030) 7261520, Telefax: (030) 726152190

(tr)

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