Pressemitteilung | Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV)

Strafrechtler verleihen Ehrenpreis „pro reo“

(Berlin) - Auf dem Herbstkolloquium der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) in Berlin wurde zum zweiten Mal die Auszeichnung „pro reo“ verliehen. Mit dem Ehrenpreis soll eine Strafverteidigerin, ein Strafverteidiger oder eine Person des öffentlichen Lebens für ihren herausragenden Beitrag zur Förderung der Strafverteidigung besonders geehrt werden.

Die Auszeichnung „pro reo“ wird in diesem Jahr an Herrn Rechtsanwalt Dr. Frank Nobis, Iserlohn, verliehen. Dr. Nobis ist in herausragender Weise für die Rechte seines Mandanten eingetreten. Er hat Verteidigerrechte wahrgenommen und dadurch in Kauf genommen, dass er persönliche Nachteile - eine mehrstündige Inhaftierung - über sich ergehen lassen musste.

„Strafverteidiger Dr. Nobis gebührt die Auszeichnung pro reo in Würdigung seiner Rolle und Standhaftigkeit bei der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Hagen am 20. Mai 2003“, so der Laudator Rechtsanwalt Dr. Stefan König, Mitglied des DAV-Strafrechtsausschusses. Er habe gerade dort vorbildlich gehandelt, wo die Anwendung des Rechts perforiert wurde durch bloße Ausübung von Macht.

„Mit dem Preis soll daran erinnert werden, was Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger alltäglich zu tun haben und täglich leisten“, so der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des DAV, Rechtsanwalt Werner Leitner für die Jury. Insbesondere das Eintreten für den Angeklagten im Hier und Jetzt der alltäglichen, präsenten Konfrontation der Verfahrensbeteiligten. In den vielen Hauptverhandlungen, die tagtäglich nicht nur von den großen Strafkammern oder in den Oberlandesgerichten, sondern gerade in den Amtsgerichten stattfinden würden.

Sachverhalt:
Im Mai 2003 hat Dr. Nobis vor dem Schöffengericht Hagen verteidigt. Nach Durchführung der Beweisaufnahme haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung jeweils die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung und die Aufhebung des bestehenden Haftbefehls beantragt. Über eine einige Zeit vor Beginn eingelegte Haftbeschwerde hatte der Vorsitzende des Schöffengerichts nicht entschieden. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren, der bestehende Haftbefehl wurde aufgehoben und ein neuer Haftbefehl nach Maßgabe des verkündeten Urteils erlassen.

In der Urteilsbegründung hatte der Richter erklärt, er hätte den Angeklagten zwar eigentlich entlassen können, habe dies jedoch nicht getan, weil ihm die Diktion der Haftbeschwerde missfallen habe. Der Verteidiger habe dem Gericht offensichtlich vorschreiben wollen, was zu tun sein. Der Verteidiger hatte die Protokollierung dieser Äußerung beantragt. Dies hatte der Vorsitzende aber abgelehnt. Auch die Protokollierung dieser Ablehnung wurde dem Verteidiger verweigert. Das Gericht forderte ihn vielmehr auf, zu schweigen und den Sitzungssaal zu verlassen, was Dr. Nobis zunächst unterließ, weil er die richtige Ansicht vertrat, dass seinem Protokollantrag hätte gefolgt werden müssen. Darauf hin ließ der Vorsitzende ihn durch den Wachtmeister aus dem Saal führen.

Nach Erteilung der Rechtsmittelbelehrung ließ der Richter den Verteidiger wieder in den Sitzungssaal „vorführen“, um über ein Ordnungsmittel gegen ihn zu verhandeln. Dr. Nobis erklärte dazu, dass sitzungspolizeiliche Maßnahmen gegen einen Verteidiger nach dem Gerichtsverfassungsgesetz ausdrücklich unzulässig sei. Dies bestätigte auch der Staatsanwalt gegenüber dem Gericht. Gleichwohl verhängte der Richter nun gegen den Preisträger einen Tag Ordnungshaft und ordnete seine Festnahme und den sofortigen Transport in die Justizvollzugsanstalt Hagen an. Auf Grund einer Eilentscheidung des Oberlandesgerichts Hamm wurde Dr. Nobis nach 3-stündiger Inhaftierung frei gelassen. Die Richter stellten fest, dass die Verhängung der Ordnungshaft gesetzeswidrig und damit rechtswidrig war.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV) Swen Walentowski, PR-Referent Littenstr. 11, 10179 Berlin Telefon: (030) 7261520, Telefax: (030) 726152190

(sk)

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