Pressemitteilung | (ibw) Informationszentrale der Bayerischen Wirtschaft

Studie Geopolitische Herausforderungen und ihre Folgen für das deutsche Wirtschaftsmodell

(München) - Das deutsche Bruttoinlandsprodukt würde bei einer handelspolitischen Strategie der Rückverlagerung von Produktion ins Inland (Reshoring) mittelfristig auf ein um 9,7 Prozent niedrigeres Niveau sinken. Auch die Verlagerung in benachbarte Länder (Nearshoring) würde in Deutschland dauerhaft zu einem Wertschöpfungsverlust von 4,2 Prozent führen. "De-Globalisierung führt grundsätzlich zu weniger Wohlstand. Insbesondere für exportstarke Länder wie Deutschland sind die entstehenden Nachteile gravierend. Umfassende Rückverlagerungen schwächen aber darüber hinaus auch benachbarte Länder und direkte Handelspartner. In einem solchen Szenario gäbe es nur Verlierer", erklärt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw - Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., eines der Ergebnisse der vbw Studie "Geopolitische Herausforderungen und ihre Folgen für das deutsche Wirtschaftsmodell". Die vbw hat die Studie in Auftrag gegeben, weil die verschiedenen Krisen zu einem Überdenken der internationalen Handelsbeziehungen geführt haben. Erstellt wurde die Studie vom ifo Institut.
Die Studie beleuchtet fünf verschiedene handelspolitische Szenarien und deren Auswirkungen auf die deutsche gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Neben der Rückverlagerungsoption nach Deutschland liegt der Fokus auf einer einseitigen Entkoppelung der bestehenden Handelsbeziehungen der EU beziehungsweise des Westens von China sowie der Möglichkeit eines daraus resultierenden Handelskriegs. Ein weiteres Szenario untersucht die Folgen für Deutschland, wenn die EU ihren Handel mit allen autokratischen Staaten abbrechen würde. "Die Studie gibt einen Überblick über die direkten Konsequenzen einer Entscheidung und nicht über die daraus entstehenden dynamischen Folgekosten. Dennoch würde eine einseitige Erhöhung der Kosten für Importe aus China allein in Deutschland zu einem dauerhaften Wertschöpfungsverlust von 0,52 Prozent führen. Umgerechnet liegen die Kosten damit viermal höher als beim Brexit", erklärt Brossardt und ergänzt: "Die vergleichsweise geringen Auswirkungen lassen sich mit den starken Handelsbeziehungen zu anderen Ländern erklären. Deutschland würde insbesondere den Handel mit den USA deutlich steigern". Für China läge der Wertschöpfungsverlust bei 0,42 Prozent.
In einem Szenario, in dem sich der gesamte Westen zur Erhöhung der Handelskosten gegenüber China einigt, wäre China der klare Verlierer. Der langfristige reale BIP-Niveaurückgang läge bei 1,49 Prozent. "Damit wäre der Rückgang dreimal so hoch wie im Durchschnitt der westlichen Länder", betont Brossardt. Sollte China Gegenmaßnahmen ergreifen, würden sich die BIP-Verluste auf beiden Seiten drastisch erhöhen. "Klar ist, dass ein Handelskrieg für beide Seiten zu wirtschaftlichen Verlusten führt", so Brossardt. Ein Handelskrieg mit autokratischen Staaten käme für die deutsche Wirtschaft besonders teuer. "Wir erleben durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine eine Zäsur in den Handelsbeziehungen mit Russland und überdenken jene mit anderen autokratischen Staaten. Das Modell zeigt eindeutig, dass die Kosten immens wären. Allein in Deutschland läge der Wertschöpfungsverlust bei 1,69 Prozent", erklärt Brossardt.
Brossardt resümiert abschließend: "Aus den Erfahrungen mit der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine werden wir unsere Außenhandelsstrategie neu austarieren und optimieren müssen. Fakt ist aber, dass wir an unserem grundsätzlichen Geschäftsmodell der Internationalisierung festhalten müssen. Denn die Kombination aus De-Globalisierung und Reshoring hätte erhebliche wirtschaftliche Einbußen zur Folge. Eine Nationalisierung der Lieferketten ist allenfalls für Güter des kritischen Bedarfs sinnvoll. Entscheidend ist, dass wir im Außenhandel einseitige Abhängigkeiten vermeiden. Dies erreichen wir durch eine noch stärkere Diversifizierung sowohl der Lieferketten als auch der Absatzmärkte. Wichtige Faktoren werden dabei strategische Partnerschaften und neue Handelsabkommen sein."

Quelle und Kontaktadresse:
(ibw) Informationszentrale der Bayerischen Wirtschaft Tobias Rademacher Max-Joseph-Str. 5, 80333 München Telefon: 089 55178-370, Fax: 089 55178-376

(ss)

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