Pressemitteilung | IG Metall - Industriegewerkschaft Metall

Studie: Metall- und Elektroindustrie in Ostdeutschland droht Fachkräftemangel

(Frankfurt/Main) - Den Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in den neuen Bundesländern droht in den kommenden Jahren ein massiver Fachkräftemangel. Wenn der gegenwärtigen Entwicklung in den Betrieben und auf dem Arbeitsmarkt nicht entgegengesteuert werde, komme es zu sozialen Verwerfungen in den Betrieben und zur Überalterung der Belegschaften. Im schlimmsten Fall sei die Schließung von Betrieben zu befürchten. Das geht aus einer Studie hervor, die Professor Dr. Burkart Lutz, Zentrum für Sozialforschung Halle, im Auftrag der IG Metall nahen Otto Brenner Stiftung erstellt hat.

Als "Alarmsignal für die ostdeutsche Industrie" bewertete der Erste Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, die Ergebnisse der Studie. "Die Betriebe müssen heute schon alles dafür tun, Fachkräfte zu gewinnen, dazu gehören in erster Linie verstärkte Anstrengungen bei der betrieblichen Ausbildung. Andernfalls gefährdeten die Unternehmen ihre Zukunft und den Erfolg des Aufbau Ost", sagte Huber am Dienstag in Frankfurt.

Als Ursache für den befürchteten Fachkräftemangel benennt die Studie zum einen die Auswirkungen der demografischen Sonderentwicklung in Ostdeutschland und zum anderen Versäumnisse vieler Metallbetriebe bei der Personalpolitik. Als zwischen 1998 und 2006 die geburtenstarken Jahrgänge Schule und Ausbildung abschlossen, sei die Zahl der jüngeren Beschäftigten in den ostdeutschen Metall- und Elektrobetrieben nicht etwa gestiegen, sondern gesunken. Arbeiteten 1998 noch 210.000 bis 35-Jährige in den Betrieben, waren es acht Jahre später nur noch 170.000. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der älteren Beschäftigten. Die ostdeutschen Metall- und Elektrobetriebe hätten die Gelegenheit, Belegschaften mit qualifizierten Kräften zu verjüngen, nicht genutzt, heißt es in der Studie.

Der potenzielle Nachwuchs an Fachkräften gehe allein dadurch zurück, dass seit 2005 die Zahl der Schulabgänger, zeitweise um rund 15 Prozent jährlich sinke. Zudem zähle die Industrie nach wie vor nicht zu den attraktiven Branchen im Osten. Industrieberufe gelten seit den massenhaften Entlassungen nach Zerschlagung der DDR-Kombinate als wenig aussichtsreich. Letztlich sorge die Industrie selbst dafür, dass sie nicht an Attraktivität gewinnt. Fachkräfte verdienten nach wie vor knapp 35 Prozent weniger als ihre Kollegen in der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie. Schon jetzt klage mehr als die Hälfte der ostdeutschen Metall- und Elektrounternehmen, dass es schwierig sei, Fachkräfte zu rekrutieren. Dies gehe aus einer Befragung ausbildender, ostdeutscher Betriebe von 2006 hervor.

Die meisten Betriebe der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie handelten laut Lutz nach der Devise „Weiter so“ und vertrauten darauf, dass sich wie in der Vergangenheit genügend qualifizierte Bewerber finden würden. Sie ignorierten die Tatsache, dass die Zahl der Schulabgänger zurückgehe und die Industrie zunehmend mit Hochschulen und anderen Branchen in Konkurrenz um Bewerber stehe.

Wenn die Nachfrage das Fachkräfteangebot übersteige, müssten diese Betriebe Bewerbern einen höheren Verdienst anbieten. Dies ginge laut Studie zu Lasten der älteren Beschäftigten. Bevorzugungen und Ungleichheiten mit der Tendenz zur „Verwilderung von Verdienststrukturen“ könnten die Folge sein. Dies wiederum könnte zu Unruhe und Rivalitäten zwischen jüngeren und älteren Arbeitnehmern führen.

Aus eigener Kraft scheint sich die Mehrzahl der ostdeutschen Metall- und Elektrounternehmen nicht aus diesem Dilemma befreien zu können. Deshalb schlägt Lutz vor, mit gezielten Maßnahmen industrielle Fachkräfte zu gewinnen. Der Sozialwissenschaftler hat hierbei besonders jene, mehrere hunderttausend Menschen im Blick, denen es trotz Schulabschluss und Berufsausbildung nicht gelungen ist, ins Erwerbsleben einzusteigen. Zwar bedürfe es erheblicher Anstrengungen und einer nachdrücklichen politischen Kampagne, diese „verlorene Generation“ für industrielle Facharbeit zu qualifizieren. Selbst wenn nur jeder Zehnte dieses Ziel erreiche, wären dies mehrere zehntausend zusätzliche Arbeitskräfte für die ostdeutsche Industrie.

Hinweis für die Redaktionen:
Die Studie kann unter www.otto-brenner-stiftung.de (unter aktuelle Themen, links oben) heruntergeladen werden.

Quelle und Kontaktadresse:
Industriegewerkschaft Metall Vorstand (IG Metall) Georgios Arwanitidis, Leiter, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Wilhelm-Leuschner-Str. 79, 60329 Frankfurt am Main Telefon: (069) 6693-0, Telefax: (069) 6693-2843

(tr)

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