Tarifliche Altersvorsorge ein Erfolgsmodell mit Nebenwirkungen
(Düsseldorf) - Die Tarifpolitik hat in den vergangenen Jahren zunehmend sozialpolitische Aufgaben übernommen, wie das Beispiel der Altersvorsorge belegt. Auf diese Weise konnten zwar teilweise Lücken in der sozialpolitischen Versorgung geschlossen werden, aber dieser Erfolg von sozialpolitischer Regulierung durch Tarifverträge hat auch bislang kaum berücksichtigte tarif- und verteilungspolitische Nebenwirkungen. Zu diesem Ergebnis kommt der Tarifexperte des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Hans-Böckler-Stiftung, Reinhard Bispinck, in einer aktuellen Analyse*.
Bis Ende vergangenen Jahres haben die Tarifparteien nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums in rund 370 Tarifbereichen mit rund 19 Millionen Arbeitnehmer/-innen Regelungen zur Altersvorsorge vereinbart und damit ein differenziertes und durchaus attraktives Angebot zur Altersvorsorge durch Entgeltumwandlung bereitgestellt (vgl. Übersicht). Auf diese Weise soll vor allem die Absenkung des Niveaus der gesetzlichen Rente ausgeglichen werden, die sich als Folge der Rentenreform von 2001 ergibt. Betriebe und Beschäftigte haben die neuen tariflichen Angebote positiv aufgegriffen: 15 Prozent der Betriebe haben von Dezember 2001 bis März 2003 ein Zusatzversorgungssystem neu eingerichtet und der Anteil der Beschäftigten mit Zusatzversorgung ist seitdem um sechs Prozent gestiegen. Allerdings kann von einer flächendeckenden Verbreitung der zweiten Säule der Altersversorgung bislang nicht die Rede sein. In der Privatwirtschaft verfügten im vergangenen Jahr lediglich 35 Prozent der Betriebe mit 43 Prozent der Beschäftigten über eine betriebliche Altersversorgung. Nach wie vor bestehen erhebliche Unterschiede nach Geschlecht, Betriebsgröße, Branche, West- und Ostdeutschland. Es stellt sich daher die Frage, ob mit tariflichen oder gesetzlichen Mitteln eine obligatorische Beteiligung der Beschäftigten an einer betrieblichen Altersvorsorge sichergestellt werden sollte.
Die erfolgreiche Sozialpolitik durch Tarifvertrag wird wohl nicht ohne Folgen bleiben: Eine zukünftige (stärkere) Beteiligung der Arbeitgeber an der Finanzierung dürfte bei anderen tarifpolitischen Forderungen gegengerechnet werden. Das ist der verteilungspolitische Pferdefuß, den die Gewerkschaften der Rentenreform 2001 verdanken.
Quelle und Kontaktadresse:
Hans-Böckler-Stiftung
Margitta Reicharz, Pressestelle
Hans-Böckler-Str. 39, 40476 Düsseldorf
Telefon: 0211/7778148, Telefax: 0211/777812225
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