transport logistic: Innovationen in die Regelanwendung bringen: Smart Logistics als Booster für die Wertschöpfung
(München) - Für Logistiker sind Unsicherheit und Multikrise zu ständigen Begleitern geworden: Kostenstrukturen für Energie oder Laderaum werden regelmäßig durcheinandergewirbelt, globale Handelskonflikte führen zu Standortverlagerungen und stellen die Weichen für Güterströme neu. Auf dem DVF-Forum bei der Messe transport logistic in München wurde nach Lösungen gesucht, wie Deutschland seine Führungsrolle als Logistikstandort und Innovationstreiber halten kann und welchen Beitrag Digitalisierung, KI und Plattformen leisten können.
Tobias Jerschke, Vorsitzender der Geschäftsleitung Kühne + Nagel (AG & Co.) KG, DVF-Präsidiumsmitglied: "Smart Logistics ist ein Booster für die Wertschöpfung am Standort Deutschland und Europa. Plattformen, autonome Umschlags- und Fahrzeugtechnik, Datenhubs, Predictive Logistics und vieles mehr tragen den Stempel "Made in Europe". Das soll auch so bleiben. Darum müssen wir uns auch in Deutschland neuen Methoden und Technologien gegenüber öffnen, deren Zulassung erleichtern, Testfelder ausrollen und in den Alltagsbetrieb hinein skalieren."
"Wir haben in der letzten Dekade schon einen gewaltigen Effizienzschritt vollzogen und die Digitalisierung in unseren Prozessen eingeführt. Jetzt werden neue technische Möglichkeiten eingesetzt. Künstliche Intelligenz, Automatisierung, Drohnen und Datenplattformen, die digitale Zwillinge von Lieferketten schaffen, revolutionieren bereits heute die Logistikprozesse. Diese dehnen ihren Anwendungsradius aus und beziehen mehr Akteure ein." Laut Jerschke müsse man aber stärker in die Regelanwendung von Innovationen kommen. "Die Erprobung von autonomen Systemen muss die Perspektive haben in den Regelbetrieb zu kommen. Bei Datenschutzvorgaben brauchen wir mehr Pragmatismus seitens der zulassenden und beaufsichtigenden Behörden." Auch wünschte sich Jerschke von der öffentlichen Hand mehr Datenaustausch bei "berechtigtem Interesse", um die Unternehmen von Mehrfachabgaben ihrer Daten zu entlasten.
Die Experten auf dem Podium zeigten, welchen Effizienzschub die Digitalisierung bereits heute bewirkt.
Ein erfolgreiches Projekt präsentierte Steffen Bauer, CEO, HGK Shipping GmbH, mit dem teilautonomen Binnenschiff: "Aktuell haben wir eine sechsmonatige Testerlaubnis für das nordwestdeutsche Kanalnetz. Aus unserem Duisburger Remote Operations Center, in dem erfahrene Schiffsführer sitzen, können wir Binnenschiffe fernsteuern. Nach Abschluss aller Genehmigungsverfahren können wir in Zeiten eines eklatanten Fachkräftemangels die Schiffsführer in Zukunft von Land aus viel flexibler einsetzen."
Ulrich Wrage, Vorstandsvorsitzender Dakosy AG, stellte das Projekt "Secure Release Order" vor, das die Abläufe an den deutschen Seehäfen nicht nur verbessern, sondern gleichzeitig auch Drogeneinfuhr und Kriminalität einen Riegel vorschieben soll. "Die Basis des künftigen Freistellprozesses bildet das "digitale Recht zur Abholung". Dieses ersetzt die bisherige PIN-basierte Freistellreferenz. Durch das neue "digitale Recht" wird sichergestellt, dass vom seeseitigen Eintreffen des Containers im Hafen bis zu dessen Abholung durch das Transportunternehmen jederzeit - auch in der Historie - nachvollziehbar ist, wer über den Container verfügen darf."
Und schließlich zeigte Thomas Zysk, Co-Founder / COO, SWAP INNOVATIONS GmbH, dass mit der Innovation, den Palettentausch zu revolutionieren, nicht nur Geld gespart, sondern auch die Umwelt geschont werden kann: "Wir bieten einfache Möglichkeiten, benötigte Ladungsträger bei allen LETSSWAP24 Teilnehmern aufzunehmen, überschüssige Ladungsträger abzugeben oder andere Communitymitglieder zu bitten Ausgleichstransporte an naheliegende Ladestellen durchzuführen. Mit unserem neuartigen Projekt Nexus werden wir den Spediteur beziehungsweise Transportdienstleister künftig gänzlich vom Palettentausch befreien und eine nie gekannte Transparenz über Schuldverhältnisse und Ausgleichsbewegungen für alle beteiligten Parteien schaffen."
Hemmnisse beseitigen - Innovationen vorantreiben
"Erfolgreiche Digitalisierung mittels KI braucht drei Dinge: eine klare Vision, agile Umsetzung - und vor allem die Menschen", betonte Karsten Keil, Member of the Management Board, Vice President Group IT & Digitization, Schnellecke Group AG & Co. KG. "Denn Technologie und Prozesse entfalten erst dann ihren vollen Wert, wenn wir alle Teams vom Shopfloor bis zum Vorstand mitnehmen. Bei Schnellecke Logistics leben wir das durch schnelle Piloten, skalierbare Lösungen und eine Kultur, die Experimente nicht nur erlaubt, sondern fordert. "
"Leidenschaft an Innovation, um althergebrachte Abläufe dank des Einsatzes modernster Technologie neu zu denken, stellt ein wichtiges Element für die Umsetzung von Digitalisierungsprojekten dar", sagte Bauer. "Letztendlich müssen alle Beteiligten verstehen, dass wir am meisten erreichen, wenn alle mit ihren jeweiligen Verantwortlichkeiten und Kompetenzen an einem Strang ziehen. Eine digitalisierte Logistikwelt bedarf dabei unbedingt eines funktionierenden Informationsflusses sowie nicht zuletzt intakter Schnittstellen für den Datenaustausch. Dass bei aller Transparenz die Datenschutzgesetze absolute Priorität genießen, ist für uns selbstverständlich."
Ähnlich äußerte sich Wrage: "Der Schlüssel für eine erfolgreiche, unternehmensübergreifende Digitalisierung liegt in der frühzeitigen gemeinsamen Verabredung mit allen beteiligten Stakeholdergruppen, wie die Prozesse digital unterstützt werden sollen, sowie die anschließende Anbindung an die Inhouse-Systeme der Nutzer." Die einstigen Vorbehalte gegenüber Transparenz seien seiner Erfahrung nach überwunden - Ausnahme seien etwaige Mitbewerbssituationen unter den Beteiligten. "Datenschutz, Nutzungsrechte an Daten und Haftungsfragen sind berechtigte Themen, die man frühzeitig und parallel zu Konzeption und Analyse abstimmen sollte, da sie zuweilen komplexer zu lösen sind als das Projekt selbst."
Innovation wird an vielen Stellen durch die mangelhafte Digitalisierung der Verwaltung ausgebremst, berichtete Zysk, als ehemaliges Start Up: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass bereits der Gründungsprozess immer noch größtenteils analog erfolgen muss." Zysk wünschte sich beim Thema Datenschutz eine bessere Handhabung. "Ich denke, dass bei nicht personenbezogenen Daten bzw. bei Daten von Kunden, die für jeden im Internet ohnehin zugänglich sind, die Anforderungen an den Datenschutz deutlich gelockert werden können. Bei KI-Anwendungen muss die EU ohnehin einen guten Kompromiss zwischen Datenschutz und Datenbereitstellung zum Training der Systeme finden."
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Deutsches Verkehrsforum e.V. (DVF), Ingrid Kudirka, Leiter(in) Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Klingelhöferstr. 7, 10785 Berlin, Telefon: 030 2639540