Pressemitteilung | Hans-Böckler-Stiftung

Untersuchung des ÖPNV in drei Großstädten / Ausschreibungen im öffentlichen Nahverkehr bringen hohe Transaktions- und Bürokratiekosten

(Düsseldorf) - Ausschreibungen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) führen nicht zwangsläufig zu niedrigeren Kosten. Im Gegenteil: In einer Großstadt, die ihren Nahverkehr über Ausschreibungen organisiert, entstehen neue und oft höhere Kosten. Großstädte, die diese Leistungen direkt vergeben, fahren im Vergleich deutlich besser. Das gilt sowohl für die Kosten als auch für das Leistungsangebot im Nahverkehr. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung.

Die Nahverkehrsexperten Dipl.Ing. Dieter Neth und Dipl. Sozialw. Hubert Resch haben in ihrer von Prof. Dr. Dietrich Budäus von der Universität Hamburg begleiteten Untersuchung den ÖPNV in drei deutschen Großstädten analysiert. Eine dieser Städte organisiert ihren Nahverkehr über die Ausschreibung von Bus-Teilnetzen. Diese Netze werden von privaten Unternehmen oder von Tochterfirmen des vormals dominierenden kommunalen Verkehrsunternehmens betrieben. Die beiden Vergleichsstädte haben dagegen eine direkte Vergabe gewählt. Die kommunalen Verkehrsunternehmen betreiben weiterhin den ÖPNV. Parallel werden diese Unternehmen im internen Ablauf neu strukturiert.

Ziel der Untersuchung war eine Gesamtbetrachtung, die sowohl die kompletten Kosten und Leistungen der Verkehrsunternehmen erfasst als auch den Aufwand der übrigen mit dem ÖPNV-Angebot jeweils befassten Institutionen. Dazu gehören etwa Planungsämter, Aufgabenträger und andere Behörden, etwa die für Ausschreibungen zuständige Stelle. Dabei zeigt sich, dass die Ausschreibungslösung im untersuchten Zeitraum von 1995/96 bis 2004 keineswegs die günstigste Variante war:

* So hat sich in der Großstadt mit Ausschreibung beispielsweise der Gesamtaufwand bezogen auf die gefahrenen Nutzkilometer im Betrachtungszeitraum um etwa zwei Prozent erhöht. In den beiden anderen untersuchten Städten hat sich dieses Verhältnis dagegen um rund sieben Prozent beziehungsweise rund neun Prozent verringert. Ein erhebliches Volumen, denn ein Prozent schlägt mit etwas mehr als zwei Millionen Euro zu Buche.

* Nimmt man die positiven Entwicklungen der ÖPNV-Systeme mit direkter Vergabe und projiziert die Resultate auf das ÖPNV-System mit Ausschreibungen, so hätten dort die finanziellen Gesamtaufwände zum Ende des Betrachtungszeitraums um zirka 20 bis 24 Millionen Euro niedriger liegen können - bei Anwendung der direkten Vergabe und ähnlich effizienter Restrukturierung des kommunalen Unternehmens.

Der entscheidende Faktor für die höheren Kosten bei Ausschreibungen ist die Ausschreibungsbehörde. Allein im Zeitraum von 2001 bis 2004 verursachte sie einen Personalaufwand von etwa 13 Millionen Euro. Sie beschränkte sich nicht nur auf die gesetzlich vorgesehene verkehrspolitische Steuerungsfunktion, sondern übernahm unternehmerische Funktionen von der Fahrplanung bis zu detaillierten Qualitätsvorgaben und Qualitätskontrollen. Diese Aufgaben wurden in kommunalen Unternehmen bisher in Mischfunktion abgearbeitet. Das geschah offensichtlich kostengünstiger. Aus Sicht der Nahverkehrsexperten gingen damit zudem wesentliche wirtschaftliche Aufgaben der Verkehrsunternehmen auf eine Art "Regulierungsbehörde" über. Damit sei statt Wettbewerb eine Form von "Verstaatlichung" erfolgt.

Nach Analyse der Forscher sind insbesondere die Transaktionskosten, also alle Kosten, die bei der Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen in den neuen Strukturen entstehen, in der Großstadt mit Ausschreibungen überproportional hoch. Die darin enthaltenen Bürokratiekosten seien auch deutlich höher als die direkten Kosten für die einzelnen Ausschreibungsverfahren.

Die durch den Wettbewerb beabsichtigte Kostensenkung müsste unter diesen Verhältnissen bei 40 bis 50 Prozent liegen und würde damit fast ausschließlich zu Lasten der Beschäftigten gehen, da andere Kostensenkungspotentiale weitgehend ausgeschöpft seien.

Zugleich entwickelte sich das Leistungsangebot im öffentlichen Nahverkehr in den Großstädten, die ihre ÖPNV-Leistungen weiter direkt vergaben, tendenziell attraktiver als in der Kommune mit ÖPNV-Ausschreibungen: Bei der Relation von Fahrgastzahlen und Nutzkilometern, einer Kennzahl für die Attraktivität, lag eine der Kommunen mit Direktvergabe weit vorne. Die zweite rangierte in etwa gleichauf mit der Ausschreibungskommune.

Quelle und Kontaktadresse:
Hans-Böckler-Stiftung Rainer Jung, Leiter, Pressestelle Hans-Böckler-Str. 39, 40476 Düsseldorf Telefon: (0211) 77780, Telefax: (0211) 7778120

(bl)

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