Pressemitteilung | (vzbv) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

Urheberrecht: Europaweite Kampagne gegen Kriminalisierung von Verbrauchern / Keine Vielfalt bei Musikangebot im Internet

(Berlin) - Das Verbraucherrecht auf Privatkopien bei legal erworbenen digitalen Musiktiteln aus dem Internet wird immer stärker ausgehöhlt. Gleichzeitig bieten die großen Downloadplattformen der Musikindustrie nur ein sehr einseitiges und schmales Angebot an legal erhältlichen Musiktiteln - es droht eine kulturelle Verödung. Parallel schränkt die fehlende Kompatibilität der technischen Standards den Wettbewerb ein. Dies sind die zentralen Ergebnisse einer Untersuchung des Europäischen Verbraucherverbands BEUC zu Verbraucherechten bei digitalen Musikangeboten. Gemeinsam mit Verbraucherorganisationen in ganz Europa startete BEUC eine Kampagne für digitale Verbraucherrechte. Edda Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, warnte vor einer zunehmenden Kriminalisierung privater Verbraucher wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen.

"Produktpiraterie ist ein ernstzunehmendes globales Problem," sagte Edda Müller zum Start der europaweiten Kampagne. "Verbraucher sollten keine Raubkopien von CDs und DVDs kaufen: Allzu häufig werden diese Produkte in großer Stückzahl von organisierten kriminellen Banden hergestellt. Dennoch sind nicht die privaten Verbraucher die Kriminellen und die Industrie muss damit aufhören, sie als solche abzustempeln."

Mit ihrer Kampagne wollen die Verbraucherorganisationen ein Zeichen setzen: "Im Windschatten des Kampfes gegen kriminelle Raubkopierer werden Verbraucherrechte ausgehebelt. Gleichzeitig zwingt die Industrie Verbraucher durch Kopierschutzsysteme und fehlende technische Kompatibilität dazu, doppelt und dreifach zu bezahlen," kritisierte vzbv-Chefin Edda Müller. Denn schon heute zahlen Verbraucher beim Kauf von leeren Datenträgern oder Aufnahmegeräten pauschale Abgaben, die den Urhebern zugute kommen - dies ist als Ausgleich für Privatkopien gedacht.

"Es ist an der Zeit, den Verbrauchern bestimmte grundlegende Rechte in der digitalen Welt einzuräumen und ihnen zu sagen, was sie mit ihrer digitalen Hardware und ihren digitalen Inhalten tun dürfen." Dazu gehöre auch ein vor Gerichten durchsetzbares Recht der Verbraucher auf Privatkopien, das nicht durch DRM-Technologie eingeschränkt werden darf, so Edda Müller.

BEUC veröffentlichte eine Charta digitaler Verbraucherrechte. Die Charta umfasst das Recht auf Schutz der Privatsphäre, das Recht auf kulturelle Vielfalt und das Recht auf universelle, einheitliche technische Standards (siehe www.consumersdigitalrights.org).

Neue Technologien und Vermarktungsstrategien der Unterhaltungsindustrie für digitale Inhalte schränken die Rechte der Verbraucher immer weiter ein. Zugleich wird der Einsatz legal erworbener digitaler Inhalte technisch erschwert. Das Ziel: Die Kunden sollen bei jeder Verwendung neu bezahlen.

Stichwort Interoperabilität:
Immer mehr Geräte und Datenträger sind untereinander nicht mehr kompatibel. Eine in den USA gekaufte DVD lässt sich auf europäischen Geräten nicht mehr abspielen, ein Sony MP3 Player kann Musik nur von der Sony-Musikplattform nicht aber von iTunes abspielen. "Wer in einer Buchhandlung ein Buch kauft, wird auch nicht verpflichtet, eine bestimmte Art Brille zu tragen, um es lesen zu können. Warum ist das in der digitalen Welt anders?", fragt Edda Müller.

Stichwort Digital Rights Management (DRM):
Die urheberrechtlich geschützte Privatkopie wird von der Industrie durch DRM-Technologien unterlaufen - sie verhindern oder beschränken die Mehrfachnutzung oder das Kopieren legal erworbener digitaler Inhalte wie CDs, DVDs oder Downloads. Die Beschränkungen können sogar nach dem Kauf noch weiter verschärft werden. Durch ferngesteuerten Zugriff auf den Rechner des Nutzers kann die beim Kauf eines Musikstücks erlaubte Anzahl von fünf Kopien nachträglich auf drei reduziert werden.

Doch DRM kann noch mehr: Software, die sich beim Einlegen einer CD ohne Wissen des Nutzers auf privaten Rechnern installiert, kann der Musikfirma beispielsweise Informationen über die Nutzung weiterleiten. Für den Verbraucherzentrale Bundesverband eine schwerwiegende Verletzung der Privatsphäre - und keineswegs Science Fiction: Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur AP hatte die Musikabteilung von Sony erst kürzlich nach heftigen Protesten einen Rückzieher gemacht und ein Reinigungs-Programm angeboten. Das Reinigungs-Programm entfernt einen ohne Wissen der Verbraucher auf dem PC installierten Kopierschutz. Das geheime Kopierschutzprogramm ist auf 20 Sony-CDs enthalten und wird auf den PC kopiert, sobald die CD ins Laufwerk eingelegt wird. Die Software zum Entfernen des Sony-Spionageprogramms kann man auf der Website (http://cp.sonybmg.com/xcp/) von Sony bestellen - aber erst nach Ausfüllen eines Formulars.

Der Test: Kulturelle Vielfalt leidet bei Download-Plattformen
In einer im August 2005 durchgeführten Untersuchung hat der Europäische Verbraucherverband BEUC die Vielfalt bei sieben Internet-Musikplattformen führender Anbieter in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien untersucht. Dabei wurde getestet, ob rund 240 im Handel erhältliche Musiktitel aus einem breiten Spektrum unterschiedlicher Musikstile auf den einzelnen Plattformen legal zum Herunterladen angeboten werden.

Warum haben wir das untersucht?
Die Frage nach der Angebotsvielfalt bei den großen Download-Plattformen ist deshalb relevant, weil durch die zunehmend eingeschränkte Interoperabilität Verbraucher immer stärker dazu gedrängt werden, Musiktitel ausschließlich von einer Plattform zu beziehen - wer einmal bei Sony oder Universal Kunde ist, soll möglichst ausschließlich dort Kunde sein. Wettbewerb wird dadurch verhindert.

Die Hegemonie der vier großen globalen Musiklabels Sony/BMG, Universal, EMI und Warner Music, die 70 Prozent des weltweiten Plattenhandels kontrollieren, wird dadurch noch größer. Für die künstlerische Vielfalt und die Interessen der einzelnen Musiker verheißt das nichts Gutes: Gerade Musik jenseits des Mainstreams und der Charts wird durch das einseitige und schmale Angebot der Download-Plattformen an den Rand gedrängt. Dabei sind es vor allem die angeblichen Interessen der Künstler, auf die sich die Musikindustrie in ihrer Interpretation des Urheberrechts immer wieder berufen.

Bei der Auswahl der insgesamt rund 240 Musiktitel standen zwei Kriterien im Vordergrund:
1. Die Titel mussten auch im regulären Schallplattenhandel erhältlich sein;
2. sie repräsentieren ein breites Spektrum unterschiedlicher Genres und Richtungen.

Das Ergebnis: Die kulturelle Vielfalt ist bei den großen Download-Plattformen stark eingeschränkt. Sie verkaufen nur Formate, die zu ihren technischen Standards passen und nur Titel ihrer eigenen Label. So bieten die einzelnen Plattformen nur rund ein Drittel der gefragten Pop-Titel. Bei den Klassik-Titeln sind teilweise sogar 90 Prozent der gesuchten Titel nicht zu finden.

In Deutschland wurde das Angebot von T-Online untersucht: Bei den Pop-Titel waren nur 23 Prozent der gesuchten Titel erhältlich, bei Klassik sogar nur zehn Prozent.

Quelle und Kontaktadresse:
vzbv Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Carel Mohn, Pressesprecher, Presse- u. Öffentlichkeitsarbeit Markgrafenstr. 66, 10969 Berlin Telefon: (030) 258000, Telefax: (030) 25800218

(sk)

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