Pressemitteilung | Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) - Bundesvorstand
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Urlaub ist das Spiegelbild einer hochproduktiven Arbeitsgesellschaft

(Berlin) - In der anhaltenden Diskussion über die Gestaltung der Arbeitszeiten sind die Urlaubs- und Feiertagsregelungen ins Fadenkreuz einiger Arbeitgeber sowie von Politikern der Union und der FDP geraten. Die Debatte wird bisweilen irrational geführt. Bayern beispielsweise steht mit 13 Feiertagen an der Spitze des deutschen Feiertagsvergleiches, gleichzeitig aber über eine höchst dynamische und überdurchschnittliche erfolgreiche Unternehmenslandschaft mit hoher Tarifbindung. In der von interessierter Seite losgetretenen Diskussion steht die Politik im Mittelpunkt der Betrachtung, von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erkämpfte und durch Lohnverzicht auch bezahlte Urlaubsregelungen sollen mit Gewalt rückgängig gemacht werden. Mit einem historischen Rückblick und einer Betrachtung der heute geltenden Urlaubs- und Feiertagsregelungen will der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ein Stück Sachlichkeit in die Debatte zurückbringen.

Zwischen Gnadenakt und Anspruch - ein historischer Rückblick Noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde Urlaub wie ein Geschenk der Dienstvorgesetzten betrachtet, auf den der Beschäftigte keineswegs einen Anspruch hatte. Erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand bei den Beamten der Brauch, dass ein Beamter auch um Urlaub nachsuchen konnte, wenn ihm ein ärztliches Attest seine Erholungsbedürftigkeit bescheinigte. Dies wurde in einer "Verordnung über den Urlaub der Rechtsbeamten" im Jahre 1874 verbindlich fixiert. Später sah man die Erholungsbedürftigkeit eines Beamten grundsätzlich ein Mal im Jahr als gegeben an. Der Urlaub wurde bereits im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts von vielen Unternehmen als Mittel angesehen, bei den Beschäftigten ein beamtenähnliches Treueverhältnis zur Firma zu erzeugen und sie gleichzeitig von der Arbeiterschaft abzugrenzen. Zu dieser Zeit war es noch an der Tagesordnung, dass Unternehmen ihren beurlaubten Angestellten vorschrieben, wo, wann und wie sie ihren Urlaub zu verbringen hatten.

Für Arbeiter war Urlaub auch im Jahr 1900 noch eine Ausnahmeerscheinung. Der Urlaub war zudem in der Regel unbezahlt. Da oftmals nur solche Arbeiter in den Genuss von Urlaub kamen, die schon 20 oder mehr Jahre im Betrieb beschäftigt waren, erhielten insgesamt nur wenig mehr als 10 Prozent aller Arbeiter Urlaub. Ab 1890 begannen die bürgerlichen Sozialreformer, den Arbeiterurlaub zu fordern. Die Arbeiterbewegung selbst hatte zu diesem Zeitpunkt noch angesichts der Praxis der Urlaubsgewährung bis zur Jahrhundertwende eine distanzierte Einstellung zu diesem Thema. Solange Urlaub als Gnadenakt oder Disziplinierungsmittel verstanden wurde, konnte er nicht zum sozialpolitischen Ziel der Gewerkschaften erklärt werden.

Die Entwicklung in einigen Arbeitergruppen war schließlich ausschlaggebend dafür, dass im Bereich der Urlaubsgewährung ein Paradigmenwechsel stattfand. Eine erste tarifvertragliche Regelung über die Urlaubsfestsetzung war im Tarifvertrag für die Ringbrauereien in Stuttgart vom 1. April 1903 vereinbart worden. Bereits Ende 1903 wiesen alle Brauereitarifverträge im Raum Thüringen Urlaubsbestimmungen auf. 1911 regelten Tarifverträge für 1 237 Betriebe des Brauereigewerbes mit insgesamt 44 744 Beschäftigten den Arbeiterurlaub. Die Wartezeit bis zur Erlangung eines erstmaligen Anspruchs auf Urlaub betrug auch in diesen Tarifverträgen im Jahre 1910 bzw. 1911 immer noch zwischen zwei und sechs Jahren.

Angefangen von den Eisenbahnarbeitern breitete sich auch in den Staatsbetrieben Preußens ab Ende der 1890er Jahre zunehmend der Brauch aus, Urlaub zu gewähren. Zwischen 1909 und 1910 griffen auch die Gewerkschaften die Urlaubsfrage wieder auf. Als neuer Aspekt wurde gesehen, dass Urlaub zur Wiederherstellung der vollen Arbeitskraft dient. Damit war der Grundstein für den Ausbau der tarifvertraglichen Regelungen und die Einbeziehungen von Urlaubsregelungen in diese Verträge gelegt.

Der Urlaubsanspruch in Deutschland wurde erst nach 1945 gesetzlich geregelt. Zunächst bestanden Urlaubsgesetze der Länder, die 1963 durch das Bundesurlaubsgesetz abgelöst wurden. Seit 1998 ist in diesem Gesetz ein Mindesturlaub von 24 Werktagen festgelegt. Dies entspricht vier Wochen Urlaub, denn die Woche hat laut Bundesurlaubsgesetz sechs Werktage. Das Bundesurlaubsgesetz sieht außerdem vor, dass während des Urlaubs der Lohn weitergezahlt wird.

Die aktuellen tarifvertraglichen Urlaubsansprüche Im Lauf der Jahre ist es zu einer tariflichen Steigerung der Urlaubsdauer von 23,5 Tagen (auf Grundlage einer 5-Tage-Woche) im Jahr 1976 auf 29,5 Tage im Westen und 29,0 Tage im Osten im Jahr 2004 gekommen. Die Urlaubsdauer befindet sich seit 1996 auf diesem Niveau. 80 Prozent der Beschäftigten in Westdeutschland und 57 Prozent in Ostdeutschland verfügen über einen Urlaub von sechs Wochen oder mehr. Für rund 55 Prozent der Beschäftigten ist in den Tarifverträgen eine einheitliche Urlaubsdauer vorgesehen. Für die übrigen 45 Prozent gilt eine Differenzierung zwischen Grundurlaub und Endurlaub. Den Grundurlaub erhält jede/r erwachsene Arbeitnehmer/in mindestens, der Endurlaub wird je nach Betriebszugehörigkeit und Lebensalter gewährt. 34 Prozent der Tarifverträge beziehen sich dabei auf das Lebensalter, 4 Prozent auf die Betriebszugehörigkeit und weitere 7 Prozent kombinieren Lebensalter und Betriebszugehörigkeit.

Einige Tarifverträge sehen über die normale Urlaubsdauer hinaus einen Zusatzurlaub für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor, die ständig oder überwiegend schwere oder gesundheitsgefährdende Arbeiten verrichten. Dieser Zusatzurlaub umfasst bis zu fünf Tage. Es gibt keine gesetzlichen Regelungen über ein zusätzliches Urlaubsgeld. Die Höhe der Zusatzleistungen wird ausschließlich tarifvertraglich geregelt. Das tarifvertragliche Urlaubsgeld bewegt sich für Beschäftigte in den mittleren Lohn- und Gehaltsgruppen zwischen 153 und 1.777 Euro. Insgesamt erhalten 90 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in tarifgebundenen Betrieben ein tarifvertraglich vereinbartes Urlaubsgeld. Eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) zeigt übrigens, dass 30 Prozent der abhängig Beschäftigten ihren Jahresurlaub nicht vollständig nutzen. Von den etwa 936 Millionen Tagen Urlaubsanspruch wurden nur rund 870 Millionen Tage effektiv genommen. Damit nahmen die Befragten im Jahr 1999 von 28 Tagen Urlaubsanspruch im Durchschnitt nur 26 Tage.

Die aktuellen Feiertagsregelungen

In den einzelnen Bundesländern gibt es zwischen neun und 13 Feiertagen. Mit neun Feiertagen liegen Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein am unteren Ende der deutschen Feiertagsskala. Bayern steht mit 13 Feiertagen an der Spitze, gefolgt von Baden-Württemberg, dem Saarland und Sachsen mit jeweils 12 Feiertagen. Regional bestehen hier noch weitere Differenzierungen. Ermittelt man einen Durchschnittswert aller Bundesländer, so liegt Deutschland bei 10,5 Feiertagen im Jahr, während die durchschnittliche Anzahl der Feiertage europaweit bei 11,36 Feiertagen liegt. Änderungen bei den Feiertagsregelungen könnten allenfalls von den jeweiligen Länderparlamenten beschlossen werden.

Urlaub kürzen und Feiertage streichen?

Die ständig wiederkehrenden Forderungen nach einer Streichung von Urlaub oder Feiertagen sind vor dem Hintergrund der Debatte um eine Arbeitszeitverlängerung zu sehen. Sollte der Urlaub gekürzt werden, wäre dies mit einer Verlängerung der individuellen Arbeitszeit gleichzusetzen. Dadurch würde in der gegenwärtigen Lage aber nicht die Beschäftigung, sondern vielmehr die Arbeitslosigkeit erhöht. Das Beispiel der Verlängerung der Arbeitszeiten für Beamte zeigt dies deutlich. Überall dort, wo die Arbeitszeiten erhöht werden, geht dies mit Stellenstreichungen einher.

Die hohen Arbeitsbelastungen sowie der hohe Leistungsdruck, dem die Beschäftigten heute ausgesetzt sind, erfordern und rechtfertigen den Urlaub in der tarifvertraglich vereinbarten Höhe. Letzten Endes gilt der Satz: Der Mensch ist keine Maschine. Die Produktivität eines Beschäftigten lässt sich nicht beliebig steigern. Vielmehr müssen Belastung und Erholung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Der Urlaub dient damit neben der Regeneration auch der Belastungs- und Beanspruchungsreduzierung. Kurzum: Die geltenden Urlaubsregelungen sind auch ein Spiegelbild einer hochproduktiven Arbeitsgesellschaft.

Die Gewerkschaften haben die derzeit gültigen tarifvertraglichen Urlaubsregelungen im Auftrag ihrer Mitglieder in dieser Höhe vereinbart. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben sich ihren Urlaubsanspruch im übrigen durch den Verzicht auf Lohnerhöhungen im Laufe der Jahre selbst "erkauft". Dies gilt auch für den Anspruch auf Urlaubsgeld. Neben den erwähnten Funktionen ist so auch gesichert, dass die Beschäftigten noch Zeit für ihre Familien und Hobbys finden.

Nach aktuellen Berechnungen des Deutschen Tourismusverbandes (DTV) würde die Streichung eines Urlaubstages in den Sommermonaten einen Rückgang von 1 Million Übernachtungen und einen Umsatzrückgang von 70 Millionen Euro bewirken und damit auch zu einem Verlust von Arbeitsplätzen in der Branche führen.

Auch die Debatte um die Streichung von Feiertagen belegt, dass der ideologische Sieg vielen wichtiger ist als die ökonomische Einsicht. Für die Arbeitszeitverlängerer ist nämlich schwer zu erklären, warum Bayern, das Land mit den meisten Feiertagen, die niedrigste Arbeitslosigkeit in Deutschland zu verzeichnen hat und gleichzeitig Spitzenreiter beim Wirtschaftswachstum ist.

Der Vorwurf, die Beschäftigten würden ihren Urlaubsanspruch zum Teil ohne Rücksicht auf die Situation des Unternehmens nehmen, mutet vor dem Hintergrund der aktuellen Rekordarbeitslosigkeit geradezu höhnisch an. Die Urlaubsgewährung ist nicht nur in zahlreichen Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen detailliert geregelt - auch das Bundesurlaubsgesetz verpflichtet die Arbeitgeber, bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs, die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu berücksichtigen, es sei denn, dringende betriebliche Belange stehen dem entgegen.

Wer diese Regelungen nun unter Ausnutzung der Angst der Beschäftigten vor dem Verlust des Arbeitsplatzes revidieren möchte, handelt in hohem Maße verantwortungslos. Der niedrigste Krankenstand seit 10 Jahren verdeutlicht, dass die Beschäftigten aus Angst vor dem Arbeitsplatzverlust inzwischen oft krank zur Arbeit erscheinen und aus diesem Grunde sicherlich auch aus der gleichen Angst heraus nicht ohne Rücksicht auf Verluste ihren Urlaub nehmen würden.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin Telefon: 030/24060-0, Telefax: 030/24060324

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