VENRO zum Europäischen Gipfel in Thessaloniki: Künftige EU-Verfassung darf Eigenständigkeit der Entwicklungspolitik nicht gefährden
(Bonn) - Die Lobbyarbeit der Nichtregierungsorganisationen (NRO) hat sich gelohnt. Die Befürchtung, durch die Beratungen des Europäischen Konvents könnte die Entwicklungspolitik an Bedeutung verlieren, hat sich nicht bestätigt. Insgesamt ist der Vertragsentwurf aus entwicklungspolitischer Sicht positiv zu bewerten. Es kann nur begrüßt werden, dass der Verfassungsentwurf die Europäische Entwicklungspolitik vor allem auf die Bekämpfung und Beseitigung der weltweiten Armut festlegt, sagte der VENRO-Vorsitzende Reinhard Hermle anlässlich der feierlichen Übergabe des Entwurfs für den neuen EU-Verfassungsvertrag an die Staats- und Regierungschefs beim Europäischen Gipfel in Thessaloniki. Auf Drängen der europäischen Nichtregierungsorganisationen sei das wichtige Prinzip einer kohärenten Politik aus dem Maastrichter Vertrag in den Entwurf aufgenommen worden. Auch die Stärkung der Rechte der Kinder und die erfreuliche Aufnahme der Charter der Grundrechte der Union in das Dokument gehe auf engagierte Lobbyaktivitäten von Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen in ganz Europa zurück.
Besorgniserregend sei jedoch, dass die künftige EU-Verfassung dem Europäischen Außenminister ermögliche, alle Instrumente der EU einschließlich des Entwicklungsetats im Rahmen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu nutzen. Entwicklungspolitik kann nur dann erfolgreich zur Armutsbekämpfung in der Welt beitragen, wenn sie einen von außen- und verteidigungspolitischen Absichten unabhängigen Status genießen kann und angemessen finanziert wird. Daher muss es für die Europäische Sicherheitspolitik einen gesonderten Etat geben, betonte Hermle.
Kritisch äußerte sich VENRO auch zu den Verfassungsartikeln, die die humanitäre Hilfe in den Dienst der Terrorismusbekämpfung stellen. Humanitäre Hilfe darf nur allein auf die Linderung von Leid und Not ausgerichtet sein. Sie darf auf keinen Fall der Außen-, Sicherheits- oder Verteidigungspolitik untergeordnet werden. Hierzu werden die Staaten durch die Genfer Konventionen verpflichtet. Neutralität ist eine wichtige Voraussetzung für den Zugang zu Hilfsbedürftigen und die Sicherheit der Helfenden. Der Respekt vor diesem Neutralitätsprinzip muss daher noch in den Verfassungsentwurf Eingang finden, verlangte Reinhard Hermle. Der Verband wendet sich außerdem gegen die Überlegung zur Einrichtung eines Europäischen Freiwilligenkorps für Nothilfeeinsätze. Maßnahmen der humanitären Hilfe sollten ausschließlich von professionellen Organisationen geleistet werden.
Mit Blick auf die Regierungskonferenz, die den neuen EU-Verfassungsvertrag auf der Grundlage der Arbeitsergebnisse des Europäischen Konvents verabschieden soll, erinnert VENRO an die Erklärung von Laeken. Dort sei festgehalten worden, dass die neue EU-Verfassung den Bürgerinnen und Bürgern in den Mitgliedsstaaten Europa näher bringen soll. Daher muss die Arbeit der Regierungskonferenz offen und transparent sein. Das Erreichte darf nicht hinter verschlossenen Türen zugunsten nationaler Interessen verwässert werden, mahnte Hermle.
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