Verantwortung für den Artenschutz: Stellungnahme des VdZ zur Situation in Nürnberg
(Berlin) - Am Dienstag, 29. Juli, hat der Tiergarten Nürnberg zwölf seiner Guinea-Paviane tierschutzgerecht getötet. Die Entscheidung hierfür wurde in Abstimmung mit dem zuständigen Veterinäramt und dem Umweltamt der Stadt Nürnberg sowie den Koordinatoren des Erhaltungszuchtprogramms des Europäischen Verbands der Zoos und Aquarien (EAZA) getroffen. Als führende Vereinigung wissenschaftlich geleiteter Zoologischer Gärten mit Wirkungsschwerpunkt im deutschsprachigen Raum nimmt der Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) e.V. dazu Stellung:
„Die Begründung des Tiergartens Nürnberg für die Tötung von überzähligen Pavianen ist aus Sicht des VdZ fachlich plausibel und nachvollziehbar. Auch aus verantwortungsethischer Sicht ordnet der VdZ die Entscheidung als vernünftig ein.
Der VdZ versteht, dass das Töten von gesunden Tieren in Zoos zunächst widersinnig erscheint, und dadurch auch starke emotionale Reaktionen und Unverständnis hervorrufen kann. Auch für die Mitarbeitenden in den Zoos, die sich jeden Tag um das Wohl der in ihrer Obhut befindlichen Tiere kümmern, stellt das Töten von gesunden Tieren eine Herausforderung dar“, so VdZ-Geschäftsführer Volker Homes.
Artenschutz als oberste Priorität
Zoologische Gärten haben den gesetzlichen Auftrag, ihre Arbeit und ihre Tierbestände in den Dienst des Erhalts der biologischen Vielfalt zu stellen. Dies ist unter anderem in Artikel 9 der „Convention on Biological Diversity“ der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung von 1992, der EU- Zoorichtlinie sowie im Bundesnaturschutzgesetz festgelegt. Die Mitglieder des Verbands der Zoologischen Gärten (VdZ) haben sich darüber hinaus in ihren Leitlinien dazu verpflichtet, transparent, verantwortungsbewusst, werteorientiert und mit hohem ethischem Maßstab zu agieren. Nach allen dem VdZ vorliegenden Informationen hat der Tiergarten Nürnberg diese Kriterien konsequent befolgt:
• Der Entscheidung, die Tiere zu töten, sind jahrelange, intensive Bemühungen des Tiergartens vorausgegangen, die Guinea-Paviane an andere Zoos oder ähnliche Einrichtungen zu vermitteln. In einem solchen Fall muss der Tiergarten allerdings sicherstellen, dass die Tiere den Bestimmungen des Tierschutzgesetzes entsprechend gut untergebracht werden. Falls dies nicht gewährleistet werden kann, ist die Tötung eines Tieres einer lebenslangen, leidvollen und nicht tiergerechten Unterbringung vorzuziehen. Aus keinem der aktuellen Angebote hat sich nach Prüfung eine konkrete Übernahmemöglichkeit für die Guinea-Paviane des Tiergartens Nürnberg ergeben.
• Ebenso wurde bereits seit langem versucht, das Wachstum der Population durch verschiedene Maßnahmen einzudämmen und dabei eine sozial funktionierende und gesunde Gruppe zu erhalten. Diese führten nicht zum gewünschten Erfolg.
• Die Auswahl der betroffenen Tiere, deren Entnahme aus der Gruppe sowie die Tötung fand unter externer und behördlicher Begleitung und nach tierschutzkonformen Maßstäben statt.
Populationsmanagement ersetzt natürliche Auswahlprozesse
Unabhängig davon, ob es sich um eine bedrohte Tierart handelt, haben die Zoologischen Gärten die Aufgabe, ihre Tierpopulationen verantwortungsvoll und nachhaltig zu managen. Das bedeutet unter anderem, ihnen entsprechend ihrer biologischen Bedürfnisse die Fortpflanzung zu ermöglichen, für stabile soziale Gruppen zu sorgen und zeitgleich zu verhindern, dass Tiergruppen zu groß für den zur Verfügung stehenden Raum werden. Das Ziel besteht dabei darin, gesunde, fortpflanzungsfähige Populationen über viele Generationen zu erhalten.
Darüber hinaus fungieren Zoologische Gärten als Ersatzlebensraum für zahlreiche Tierarten, die ihren natürlichen Lebensraum verloren haben oder deren Bestand in der Natur rückläufig ist. Sie agieren dabei nicht autonom, sondern auf Basis internationaler, wissenschaftlich basierter Erhaltungszuchtprogramme. Diese zielen auf den Erhalt der Artenvielfalt und der genetischen Vielfalt der gehaltenen Arten ab und koordinieren die Auslastung der einzelnen Anlagen und Halter in Europa und weltweit.
Die Bedeutung solcher Reservepopulationen in Zoologischen Gärten nimmt wegen des rasanten Artensterbens zu und wird unter anderem von der Weltnaturschutzunion IUCN betont (siehe Positionspapier der IUCN zu der Rolle von Zoos, Botanischen Gärten und Aquarien im Artenschutz und One Plan Approach/Species 360).
Für das so genannte Populationsmanagement und zur Umsetzung der EU-Zoorichtlinie hat der Europäische Zooverband EAZA Standards und Leitlinien erstellt. Eine der möglichen Maßnahmen ist das Töten von Tieren. Dadurch wird eine gesunde Struktur der Tierpopulationen erhalten und deren Fortbestand in menschlicher Obhut gesichert. Diese Eingriffe stellen letztlich einen Ausgleich dafür dar, dass zahlreiche natürliche Auswahlprozesse wie etwa hohe Jungtiersterblichkeit, tödliche Verletzungen, Verhungern, das Abwandern oder das Gefressenwerden in Zoos nicht stattfinden.
Öffentlicher Diskurs notwendig
Die öffentliche Reaktion auf die Tötung der Guinea-Paviane in Nürnberg macht deutlich, dass die erforderlichen Maßnahmen eines wissenschaftlich fundierten Populationsmanagements in Zoos einer breiteren gesellschaftlichen Diskussion und Aufklärung bedürfen. Der VdZ wird dazu beitragen, indem er relevante Informationen bereitstellt, Hintergründe transparent darlegt und den Diskurs in der Öffentlichkeit fördert.
Quelle und Kontaktadresse:
Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) e.V., Astrid Falter, Leiter(in) Kommunikation, Schiffbauerdamm 40, 10117 Berlin, Telefon: 030 206 53 90 0