Pressemitteilung | Erwerbslosen Forum Deutschland

Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt wegen Ein-Euro-Job / AWO Karlsruhe-Stadt spart Lohnkosten durch Einsatz von Ein-Euro-Jobber

(Bonn) - Darf mit dem Sozialgesetzbuch und staatlich geförderten „Zusatz-Jobs reguläre Arbeit verdrängt und das Arbeitsrecht ausgehebelt werden? Mit diesen und damit zusammenhängenden Fragen hat sich der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfurt am 20. Februar, 11 Uhr, in einer Revisionsverhandlung (Az.: 5 AZR 290/07) auseinander zu setzen.

Klage führt ein erwerbsloser ver.di-Kollege gegen die Arbeiterwohlfahrt Karlsruhe-Stadt e.V. (AWO), bei der er als Kraftfahrer zum Ausfahren von AWO-Menü bzw. Essen-auf-Rädern eingesetzt wurde. Als Essens-Ausfahrer arbeitete der Kollege Schulter an Schulter mit Normal-Arbeitsbeschäftigten in genau der gleichen Tätigkeit. Die Essens-Ausfahrten waren weder zusätzlich noch gemeinnützig, da dieser Zweig kommerziell und in Konkurrenz zu anderen kommerziellen Einrichtungen betrieben wird. Der Kläger möchte erreichen, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung das Vorliegen eines regulären Arbeitsverhältnisses feststellt.

In diesem Prozess geht es über den für den Betroffenen wichtigen Einzelfall hinaus auch um Grundsätzliches bei der Einrichtung von so genannten Zusatzjobs. Zu diesen Zusammenhängen ist bislang noch kein Fall vom Bundesarbeitsgericht entschieden worden. Die vorherigen Instanzen, das Arbeitsgericht Karlsruhe und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg haben nicht bestätigt, dass durch die Arbeitsumstände und die Art der Arbeitsaufnahme ein sozialversicherungsrechtliches Arbeitsverhältnis zwischen dem Betroffenen und der AWO zustande gekommen ist und dabei verkannt, dass zumindest dann von einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis auszugehen ist, wenn der Arbeitgeber genau weiß oder wissen musste, dass die Voraussetzungen für eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (MAE) gemäß 16 Abs.3 S.2 SGB II nicht vorliegen und er somit bösgläubig ist.

Die AWO hat sich mit der Frage der Arbeitsgelegenheiten intensiv auseinander gesetzt. Dies wird deutlich in einem am 28.01.2005 von der AWO-Geschäftsführerkonferenz verabschiedeten Grundsatzpapier zu Arbeitsgelegenheiten und einem Positionspapier der AWO zur öffentlichen Beschäftigung vom 03.09.2004. Die in den Grundsatzpapieren festgelegten Positionen der AWO schließen Tätigkeiten wie Kraftfahrer bei der AWO-Großküche explizit aus. Die AWO und ihre MitarbeiterInnen (JuristInnen, SozialarbeiterInnen, BetriebswirtInnen u.a. ) waren somit über die Problematik der Ein-Euro-Jobs informiert.

Die Kraftfahrerstelle ist eine reguläre Stelle, und wird zudem von den Kunden der Großküche refinanziert. Aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, wie er der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entspricht, hätte die AWO den betroffenen Kollegen auch wie die anderen dort beschäftigten Kraftfahrer bezahlen müssen. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln. Ansonsten könnte jeder Arbeitgeber sanktionslos rechtswidrig zugewiesene Empfänger von Arbeitslosengeld II als Ein-Euro-Jobber auf regulären Stellen beschäftigen.

Eine arbeitsgerichtliche Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist auch aus spezial- und generalpräventiven Gründen dringend geboten, da jüngste Untersuchungen ergeben haben, dass der Großteil der angebotenen Arbeitsgelegenheiten mit MAE den gesetzlichen Kriterien nicht genügen. Die „Wehrlosigkeit und die Drohung einer Leistungskürzung hindert die überwältigende Zahl der in solch reguläre Stellen vermittelten Ein-Euro-Jobber daran, sich dagegen zu wehren. Hier hat die Arbeitsgerichtsbarkeit Zeichen zu setzen und dem Missbrauch Grenzen zu ziehen, um die rechtswidrige Verpflichtung von Hartz IV Betroffenen zur Annahme von Ein-Euro-Jobs auf regulären Arbeitsstellen endlich zu beenden.

Quelle und Kontaktadresse:
Erwerbslosen Forum Deutschland Martin Behrsing, Sprecher, Presse Schickgasse 3, 53117 Bonn Telefon: (0228) 2495594, Telefax: (0228)

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