Pressemitteilung | (vzbv) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

Versicherungsvermittlung: "Maßgeschneiderte Ausnahmen für Versicherungslobby" / Entwurf des Wirtschaftsministeriums droht EU-Richtlinie zu verwässern

(Berlin) - Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat die geplanten neuen Regeln für Versicherungsvermittler kritisiert. "Aus verbraucherfreundlichem EU-Recht ist ein für die deutsche Versicherungslobby maßgeschneiderter Ausnahmekatalog geworden", sagte vzbv-Vorstand Prof. Dr. Edda Müller. Die lückenhafte Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht werde dazu führen, dass auch künftig der Absatz von Versicherungsprodukten primär von der Höhe der Vermittlerprovision bestimmt wird - und nicht von der Qualität und dem Preis der angebotenen Versicherungsprodukte. "Die zahlreichen Hintertüren bei den Beratungs-, Informations- und Dokumentationspflichten werden zur Folge haben, dass die deutschen Haushalte auch künftig überwiegend falsch und zu teuer versichert sind", so vzbv-Vorstand Prof. Dr. Edda Müller.

Zur Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Versicherungsvermittlung hatte das Wirtschaftsministerium kürzlich einen Referentenentwurf vorgelegt. Der vzbv fordert die Bundesregierung auf, den Entwurf nachzubessern und dem "Drückertum" im Versicherungsvertrieb endlich ein Ende zu setzen.

Nach den EU-Vorgaben soll ein Vermittler verpflichtet werden, die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden zu berücksichtigen und zu dokumentieren, warum ein bestimmtes Versicherungsprodukt empfohlen wurde. Zudem müssen Vermittler dem Kunden vor einem Gespräch mitteilen, ob sie unabhängig oder an einen bestimmten Versicherer gebunden sind. Doch diese für die Kunden positiven Berichtspflichten drohen mit dem Entwurf der Bundesregierung zu scheitern. So sollen Kunden beispielsweise "freiwillig" auf das Beratungsprotokoll verzichten können - dabei ist dies die entscheidende Grundlage zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, Zudem kann das Protokoll erst zusammen mit dem Versicherungsschein, also erst einige Zeit nach dem Gespräch übersandt werden. Es ist zweifelhaft, dass sich der Kunde dann noch an die genauen Inhalte erinnern kann.

Für absurd hält der vzbv, dass diese Verzichtsmöglichkeiten den Kunden von Versicherungsverkäufern eingeräumt werden, nicht aber den Kunden der derzeit circa 200 "Versicherungsberater". Diese Berater werden allein für ihre Beratung bezahlt und dürfen keine Provisionen von Versicherern annehmen. "Wem man als Kunde eigentlich in besonders hohem Maße vertrauen könnte, der soll seine Arbeit dokumentieren müssen. Wer jedoch Provisionsinteressen hat, soll seinen Kunden einen Protokollierungsverzicht nahelegen und sich so der Protokollierungspflicht entziehen können", so Edda Müller. Der vzbv schätzt, dass den rund 200 Versicherungsberatern etwa 500.000 überwiegend anbieterabhängige und überwiegend nur gering qualifizierte Versicherungsvermittler gegenüberstehen. Nach Einschätzung des vzbv sind die vielen Ausnahmeregelungen eine "Einladung an unseriöse Vermittler", die Kunden zu einem Verzicht auf ihre Rechte zu überreden.

Qualifikation: Fehlanzeige
Auch dem Ziel der Vermittlerrichtlinie, für eine angemessene Berufsqualifikation von Versicherungsvermittlern zu sorgen, wird der Referentenentwurf nicht gerecht. So hält das Ministerium nur das für "angemessen", was an Kenntnissen im Zusammenhang mit der jeweiligen Vermittlungstätigkeit unbedingt notwendig ist. Es wird weder geregelt, was jeweils als "angemessen" gilt, noch wird sichergestellt, dass Versicherer oder Vorgesetzte tatsächlich für die entsprechende Berufsqualifikation der von ihnen eingesetzten Vermittler sorgen. Dies läuft auf eine faktische Missachtung der Richtlinie hinaus.
Das heißt im Klartext: Auch künftig sind die Qualifikationsanforderungen etwa an einen Friseur wesentlich höher als an Versicherungsvermittler, die Lebensversicherungen über mehrere 100.000 Euro verkaufen.

Haftungslücken bei Fehlberatung
Des Weiteren hätte der Entwurf gravierende Haftungslücken bei Fehlberatungen zur Folge. So soll die Berufshaftpflichtversicherung "marktübliche" Risikoausschlüsse enthalten dürfen. Die EU-Richtlinie sieht vor, dass alle nicht an bestimmte Versicherer gebundene Vermittler eine Haftpflichtversicherung abzuschließen haben,

Lob allein von der Versicherungslobby
Dass der Verbraucherschutz zu kurz kommt, zeigen auch die Stellungnahmen der Verbände zum Referentenentwurf. So urteilt der Bundesverband der Versicherungsberater, dass das Ziel einer Verbesserung des Verbraucherschutzes insgesamt verfehlt wird. Lob kommt allein vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Auch der Bankenfachverband und der Zentralverband des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes loben, dass "bewährte" Vertriebsstrukturen aufrechterhalten werden.

Quelle und Kontaktadresse:
vzbv Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Carel Mohn, Pressesprecher, Presse- u. Öffentlichkeitsarbeit Markgrafenstr. 66, 10969 Berlin Telefon: (030) 258000, Telefax: (030) 25800218

(bl)

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