Versicherungswirtschaft 2002 mit 4,1 Prozent Beitragsplus
(Berlin) - Die anhaltende Stagnation in der Wirtschaft, die Langzeitkrise an den Finanzmärkten, die völlig neue Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus sowie zahlreiche Naturkatastrophen und Großschadenereignisse beschreiben ein außergewöhnlich schwieriges Jahr für die Versicherungswirtschaft. Dennoch konnte die Branche ihren Wachstumskurs halten: Wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin mitteilt, belaufen sich die Beitragseinnahmen seiner Mitgliedsunternehmen für das Jahr 2002 auf rund 141 (2001: 135,4) Milliarden Euro (Stand März 2003). Dies bedeutet für die Gesamtbranche ein Plus von rund 4,1 (2001: 2,7) Prozent. Die von den GDV-Mitgliedern erbrachten Versicherungsleistungen bzw. Aufwendungen für Schadenfälle stiegen um 6,2 (2001: minus 2,4) Prozent auf rund 158,7 Milliarden Euro.
GDV-Präsident Dr. Michaels: "Der Verfall der Aktienmärkte hat auch die Versicherungswirtschaft hart getroffen. Der massive Einbruch der Kurse hat in 2002 zu Verlusten bei den Aktienanlagen geführt und die Jahresabschlüsse der Unternehmen belastet. Gerade in diesen schwierigen Börsenzeiten hat sich aber die vorsichtige Kapitalanlagepolitik der Versicherer mit Anlagegrenzen für risikoträchtige Aktien bewährt. Kein Kunde hat auch nur einen einzigen Euro verloren. Und nicht nur das: Die Lebensversicherer konnten sogar für ihre Kunden wieder Überschüsse erwirtschaften, wenn auch geringere als im Jahr zuvor. Dies ist in 2002 als Erfolg zu werten." In der Schadenversicherung habe ein deutlich erhöhter Schadendruck auf den im Einzelnen sehr unterschiedlichen Unternehmensergebnissen gelastet, wobei Kapitalerträge nur schwer einen Ausgleich bringen konnten.
Lebensversicherung und PKV tragen Branchenumsatz
Die Lebensversicherung hat sich in der Börsenkrise im Altersvorsorgemarkt gut positioniert. Dies drückt sich nicht zuletzt im starken Neugeschäft, dem soliden Beitrags- und Bestandszuwachs aus.
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So liegt die Zahl der neu abgeschlossenen Lebensversicherungen im Berichtsjahr 2002 bei 10,22 Millionen Verträgen (plus 20,4 Prozent). Allein bei den Renten- und Pensionsversicherungen ergab sich mit einem Plus von 125 Prozent auf 3,28 Millionen Verträge ein enormer Zuwachs im Neugeschäft. Wesentlichen Anteil hieran hatten die Riester-Verträge, von denen 2,15 Millionen als Einzelrentenversicherungen neu abgeschlossen wurden. Der Gesamtbestand an förderfähigen Lebensversicherungen beläuft sich zum 31. Dezember 2002 auf 2,93 Millionen Verträge.
Allerdings zeigen diese Riester-Verträge noch nicht das volle Bild der neuen geförderten Altersversorgung: Auch die betriebliche Altersversorgung wird stärker gefördert und erlebt derzeit eine Renaissance. Allein die Pensionskassen und Pensionsfonds der Versicherungswirtschaft haben im Jahr 2002 rund 400 000 neue Kunden gewonnen.
Positiv entwickelten sich auch die Brutto-Beitragseinnahmen der Lebensversicherer; sie nahmen um 4,3 (Vorjahr: 1,9) Prozent auf 65,1 Milliarden Euro (Vorjahr: 62,4) zu. Dem stehen voraussichtlich um 4,2 Prozent gestiegene Gesamtleistungen in Höhe von 85,7 Milliarden Euro gegenüber, wovon schätzungsweise 55,1 Milliarden Euro direkt an die Kunden ausgezahlt wurden und weitere 30,6 Milliarden Euro in die zugunsten der Kunden gebildeten Leistungsreserven flossen. Insgesamt erreichten die Auszahlungen der Lebensversicherer 2002 fast 30 Prozent der Rentenausgaben der Arbeiterrenten- und Angestelltenversicherung. Zehn Jahre zuvor waren es noch 18,5 Prozent gewesen.
In der privaten Krankenversicherung (PKV) zeichnet sich für 2002 ein deutlich über dem Branchenschnitt liegendes Beitragswachstum von 6,4 (Vorjahr: 4,9) Prozent auf 23,1 Milliarden Euro ab. Davon dürften 21,1 Milliarden Euro auf die Voll- und Zusatzversicherung (plus 6,8 Prozent) und 2,0 Milliarden Euro auf die Pflegepflichtversicherung (plus 2,3 Prozent) entfallen. Das kräftige Beitragsplus ist in erster Linie dem Zugang an neuen Mitgliedern zu verdanken. So hat sich der Bestand in der Vollversicherung im Berichtsjahr um rund 221 000 (2001: 216 400) Personen erhöht.
Nicht ganz so stark wie die Beiträge stiegen die ausgezahlten Versicherungsleistungen in der Kranken- und Pflegepflichtversicherung: Hier wird mit einem Plus von 5,5 (Vorjahr: 5,9) Prozent auf 15,2 Milliarden Euro gerechnet. Die Gesamtaufwendungen für die Versicherten, also die Aufwendungen für Versicherungsfälle zuzüglich der Zuführung zur Alterungsrückstellung sowie zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung, werden 2002 etwa 27,3 Milliarden Euro betragen (plus 6,4 Prozent).
Autoversicherung verharrt in Verlustzone
Im Bereich der Schaden- und Unfallversicherung nahm der Schadendruck deutlich zu. So ließen zahlreiche Sturm- und Elementarschäden, insbesondere aber der Herbststurm "Jeanett" und nicht zuletzt die Hochwasserkatastrophe vom August 2002 den Aufwand für Geschäftsjahresschäden um über 10 (2001: 0,9) Prozent auf 44,3 Milliarden Euro hochschnellen. Allein in der Allgemeinen Sachversicherung führte das Hochwasser zu einem zusätzlichen Aufwand von 1,1 Milliarden Euro (ohne "DDR Haushaltsversicherung").
Deutlich verhaltener als der Aufwand entwickelte sich die Einnahmeseite in der Schaden- und Unfallversicherung. Hier wird ein Plus von 2,8 (2001: 2,7) Prozent auf 51,1 Milliarden Euro erwartet. Setzt man Aufwand und Kosten ins Verhältnis zu den Einnahmen, ergibt sich für die Schaden- und Unfallversicherung eine Schaden-Kostenquote (combined ratio) von 106 Prozent, was einem Verlust von gut 3 Milliarden Euro gleichkommt.
Nachdem sich die Autoversicherer im Jahr 2001 bei deutlich gestiegenen Beitragseinnahmen und sinkendem Schadenaufwand noch Hoffnung auf eine Wende zum Besseren gemacht hatten, hielt dieser Trend in 2002 nicht an. Insgesamt wurden in Kasko erheblich mehr Schäden als im Jahr zuvor gemeldet; bereits in der ersten Jahreshälfte ergab sich hier ein Plus von 13 Prozent. Das Augusthochwasser belastete die Kaskoversicherer zusätzlich mit etwa 60 Millionen Euro.
In Vollkasko dürfte der versicherungstechnische Verlust bei einer Schaden-Kostenquote von 107 Prozent auf über 400 Millionen Euro ansteigen. Auch für Teilkasko ergibt sich seit vielen Jahren wieder ein versicherungstechnischer Verlust von über 50 (2001: plus 168) Millionen Euro; hier liegt die Schaden-Kostenquote bei 104 Prozent. Lediglich in der Kraftfahrt-Haftpflichtsparte hielt der positive Trend an: Hier dürfte sich der technische Verlust weiter reduzieren. In der gesamten Kraftfahrtversicherung ergibt sich bei einer Beitragseinnahme von 31,9 Milliarden Euro (plus 2,9 Prozent) und einer Schaden-Kostenquote von 102 Prozent ein versicherungstechnischer Verlust von rund einer halben Milliarde Euro.
Auch Sach- und Transportsparte tief in den roten Zahlen
Für die flut- und sturmgeschädigten Sachversicherer war 2002 das schlechteste Jahr seit 20 Jahren. In den Allgemeinen Sachsparten werden die Aufwendungen für Geschäftsjahresschäden wohl um etwa 47 (2001: minus 2,9) Prozent auf 8,5 Milliarden Euro hochschnellen. Bei einem Beitragsplus von allenfalls gut 1 (Vorjahr: 0,4) Prozent auf 9,4 Milliarden Euro und einer Schaden-Kostenquote von über 120 Prozent schreibt der Markt damit tiefrote Zahlen. Als höchst verlustträchtig erwies sich dabei die Wohngebäudeversicherung, für die eine Schaden-Kostenquote von über 140 (2001: 97,6) Prozent erwartet wird. In den gewerblichen Sachsparten dürfte die Schaden-Kostenquote um gut 20 Punkte auf voraussichtlich 123 Prozent ansteigen.
Nachdem in der Industriellen Sachversicherung die anhaltende Prämienauszehrung im Jahr 2001 mit einem Plus von 1,4 Prozent erstmals wieder gestoppt werden konnte, wird für 2002 sogar ein zweistelliger Beitragszuwachs von über 12 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro erwartet. Doch trotz dieser erfreulichen Entwicklung weist der Industriebereich weiterhin tiefrote Zahlen aus. So wird der Schadenaufwand voraussichtlich um gut 20 Prozent auf 3,8 Milliarden Euro zulegen, so dass die Schaden-Kostenquote in der Industriesparte von gut 120 im Jahr 2001 weiter auf über 125 Prozent steigen dürfte.
Auch in der Transportversicherung bleibt die Situation angespannt: Bei einem Beitragswachstum von etwa 3 (Vorjahr: 6,7) Prozent auf 1,8 Milliarden Euro und Schadenaufwendungen in der Größenordnung des Vorjahres (1,7 Milliarden Euro) verharrt die Schaden-Kostenquote bei etwa 126 Prozent. Allerdings konnte mit Durchsetzung des GDV-Versicherungskonzepts für die Speditionsversicherung - hier liegt die Schadenquote derzeit bei 180 Prozent - ein wichtiger Schritt zur Sanierung der Transportsparte getan werden.
In der Allgemeinen Haftpflichtversicherung ist von einem kleinen Beitragsplus von etwa 1 (Vorjahr: 0,8) Prozent auf rund 6 Milliarden Euro auszugehen, während der Schadenaufwand voraussichtlich um mindestens 0,5 (2001: plus 8,2) Prozent leicht absinken dürfte. Für die Private Unfallversicherung zeichnet sich ein Beitragsplus von 1,5 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro ab; der Aufwand verharrt bei einem Plus von allenfalls 0,5 (2001: minus 0,4) Prozent bei 2,5 Milliarden Euro. In der Rechtsschutzversicherung wird bei leichtem Beitragswachstum (unter 1 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro) der Schadenaufwand auf rund 2 Milliarden Euro steigen.
Versicherungswirtschaft im laufenden Jahr mit flacherem Wachstum
Bei den Personenversicherungen dürfte der allgemeine Trend zu mehr Eigenvorsorge für das Alter und für die Gesundheit mögliche gegenläufige Faktoren überlagern und weiterhin Wachstumsimpulse freisetzen. Vor diesem Hintergrund erscheint in der Lebensversicherung im laufenden Jahr ein Beitragswachstum um die 31/2, in der privaten Krankenversicherung sogar von etwa 6 Prozent möglich.
In der Schaden- und Unfallversicherung haben die Stürme und Wasserfluten des Jahres 2002 nachhaltig das Risikobewusstsein in der Bevölkerung sensibilisiert. Das Bedürfnis nach mehr Versicherungsschutz wird aber auch hier durch knappere Haushaltskassen eingeschränkt. Der Trend in der Branche dürfte wegen des hohen Sanierungsdrucks kaum in Richtung Preisnachlässe gehen. Sofern es der Wettbewerb zulässt, erscheint deshalb per Saldo ein Beitragswachstum von etwa 1,5 Prozent in der Schaden- und Unfallversicherung realistisch. Daraus resultiert als Wachstumsprognose für die gesamte Branche im Jahr 2003 ein verlangsamtes nominales Beitragswachstum von knapp 3 Prozent.
Dr. Michaels: "Einerseits kann sich die deutsche Versicherungswirtschaft natürlich nicht von der lahmenden Volkswirtschaft oder dem krisenhaften Geschehen auf den Kapitalmärkten abkoppeln. Andererseits besteht in der Bevölkerung weiterhin ein großer, konstanter Bedarf an Versicherungsschutz und Altersvorsorge. Hier steckt das Potenzial, das der Branche auch in Zukunft Wachstumsraten oberhalb der Entwicklung des Bruttoinlands-Produkts bringen sollte."
Quelle und Kontaktadresse:
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV)
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