Pressemitteilung | Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV)

Von der Schulbank in die Arbeitslosigkeit / Jahr für Jahr verlassen Tausende junger Menschen die Hauptschule ohne Perspektive / BLLV-Präsident Dannhäuser: „Das ist gesellschaftspolitischer Wahnsinn“

(München) - Für Tausende bayerischer Hauptschulabgänger ist die Ausbildungssituation eine Katastrophe. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) hat ermittelt, dass im Monat Mai erst 30 Prozent der Hauptschüler der neunten Klassen einen Ausbildungsvertrag haben. 43 Prozent von ihnen wissen nicht, wie es nach dem Schulbesuch weitergehen soll. Allein in Bayern verlassen Jahr für Jahr zig-tausende junger Menschen die Schule - ohne berufliche und soziale Perspektive. „Der Ausbildungsmarkt für Hauptschulabgänger droht zusammenzubrechen“, stellte BLLV-Präsident Albin Dannhäuser fest und warnte vor den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen: Wachsende Armut, steigende Kriminalität und zunehmende Bereitschaft für radikalpolitische Ansichten. „Ab sofort müssen in Hauptschulen und in die berufliche Bildung viel Geld investiert werden.“

Nach der Statistik der Arbeitsagentur standen in Bayern seit Oktober 2005 knapp 60.000 Ausbildungsstellen für 89.000 Bewerber zur Verfügung - das sind für 100 Bewerber 67 Stellen. Bis Ende April wurden 38 Prozent der Bewerber vermittelt, so dass Anfang Mai für 55.000 Bewerber nur mehr knapp 25.000 Ausbildungsstellen zur Verfügung stehen - für 100 Bewerber 45 Stellen.

Der BLLV hat Anfang Mai 2006 eine Umfrage an 380 Schulen zur beruflichen Perspektive von Hauptschülern durchgeführt. Basierend auf Informationen über rund 20.000 Hauptschüler (ein Drittel aller Schüler, die 2006 aus den Hauptschulen entlassen werden) zeichnete Dannhäuser ein düsteres Bild:

Danach hatten 30 Prozent der Schüler der neunten Klassen einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen. „Das sind 8 Prozent weniger als die von den Arbeitsagenturen genannte bisherige Vermittlungsquote“, erklärte Dannhäuser. „Daran zeigt sich die besondere Benachteiligung von Hauptschulabgängern auf dem Ausbildungsmarkt.“ Nach der BLLV-Erhebung werden 12 Prozent ab Herbst in beruflichen Grundbildungsmaßnahmen betreut, absolvieren ein Praktikum oder wiederholen die Klasse.

11 Prozent machen sich derzeit noch Hoffnung auf einen Ausbildungsplatz. Für 43 Prozent der Jugendlichen ist die Zukunft ungeklärt, die stehen nach dem Schulbesuch buchstäblich auf der Straße. Schüler der 10. Klasse, die in der Hauptschule einen mittleren Schulabschluss anstreben, haben bessere Aussichten auf einen Ausbildungsplatz: 50 Prozent haben bereits einen Vertrag in der Tasche. Schüler aus sog. Praxisklassen sind dagegen schlechter gestellt - nur ein knappes Viertel konnte bisher erfolgreich vermittelt werden.

Analog zu den Zahlen der Arbeitsagenturen kommt auch die BLLV-Erhebung zu dem Ergebnis, dass Hauptschüler in Franken die schlechtesten Chancen auf einen Ausbildungsplatz haben: Dort konnte bislang nur rund ein Viertel der Hauptschüler neunter Klassen in eine Ausbildung vermittelt werden. Für München ergibt sich ein erstaunliches Ergebnis, denn die Landeshauptstadt ist der einzige Arbeitsamtsbezirk, in dem es noch mehr unbesetzte Ausbildungsstellen als Bewerber gibt (106:100). Trotzdem haben erst 14 Prozent der Münchner Hauptschüler neunter Klassen einen Ausbildungsvertrag.

„Es ist bereits fünf nach zwölf“, betonte der BLLV-Präsident und warf den politisch Verantwortlichen schwere Versäumnisse vor. „Die Politik hat bislang nur unzureichend darauf reagiert, dass die sich die Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildung Jahr für Jahr potenziert.“ Bereits 2005 konnten rund 32.000 Jugendliche keine reguläre Berufsausbildung beginnen. Ein großer Teil von ihnen ist neben den Schulabgängern in diesem Jahr immer noch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Die durch das Landesprogramm der Staatsregierung „Fit for Work“ geschaffenen 4500 zusätzlichen Ausbildungsplätze konnten den Rückgang an Ausbildungsplätzen insgesamt nicht verhindern und sind nur eine Linderung der dramatischen Situation. Auch die Ankündigung der Staatsregierung, an den beruflichen Schulen zusätzlich 150 Klassen für eine Grundbildung zu schaffen, löst das Problem mangelnder Ausbildungsplätze nicht. „Es ist keine Lösung, Jugendliche in sog. berufsbildenden Maßnahmen zu parken. Diese Maßnahmen verschlingen viel Geld, bieten aber keine Perspektive, weil Jugendliche dort keine anerkannten Berufsabschlüsse erworben werden können“, kritisierte der BLLV-Präsident. „Letztlich beschönigen sie die Statistik.“

Dannhäuser stellte fest: „Die Hauptschule ist nicht die vergessene Schulart - dafür sorgen schon die regelmäßig wieder kehrenden Schlagzeilen über gewalttätige Hauptschüler - sie ist vielmehr eine vernachlässigte Schulart. Die besorgniserregenden Tatsachen sind alle längst bekannt“, betonte er. Nötig sind Taten, „vor allem aber die Bereitschaft der Staatsregierung, entschieden mehr Geld in die Hauptschulen zu investieren, um die bereits laut tickende Zeitbombe zu entschärfen.“ 

Quelle und Kontaktadresse:
Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV) Andrea Schwarz, Pressereferentin Bavariaring 37, 80336 München Telefon: (089) 72100129, Telefax: (089) 72100155

(sk)

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