Pressemitteilung | DIHK - Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V.

„Weiterbildung für die Wissensgesellschaft“

(Berlin) - Statement von Dr. Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, zum Pressegespräch am 26. September 2005 in Nürnberg: „Die Unternehmen stehen zu ihrer Verantwortung für Investitionen in die Weiterbildung. Aufgrund des erhöhten Kostendrucks konzentriert sich die Investitionsbereitschaft noch stärker auf Belange, die für das spezifische Unternehmen von Bedeutung sind. Fachwissen ist bei Unternehmern und Personalchefs nicht mehr der alleinige Beurteilungsfaktor für die Mitarbeiter, bei Einstellung oder bei Personalförderung. Vielmehr erwarten die Betriebe ein umfassendes Kompetenzprofil. Die deutsche Wirtschaft hält nichts von staatlichen Eingriffen in die Weiterbildung. Würde eine zukünftige Regierung gesetzliche Auflagen zur Weiterbildung machen, drohen die Unternehmen mit der Erfüllung nur der Mindestauflagen. Das sind die Ergebnisse einer bundesweit durchgeführten Umfrage. Sie basiert auf Antworten von mehr als 900 Unternehmen. Die verteilen sich auf Industrie und Bauwirtschaft (31 Prozent), den Handel (21 Prozent) und die Dienstleistungen (48 Prozent). In regionaler Hinsicht kommen die Antworten aus dem Norden (18 Prozent), dem Westen (39 Prozent), dem Osten (19 Prozent) und dem Süden (24 Prozent). Die Umfrage wurde Mitte September durchgeführt.“

Zu den Ergebnissen im Einzelnen:
Investitionsbereitschaft an Erfolgsfaktoren geknüpft
Neun von zehn Unternehmen wollen in die Weiterbildung ihrer Belegschaften investieren. Die Unternehmen wissen, welchen strategischen Faktor die Qualifizierung ausmacht. Gerade in der Wissensgesellschaft von morgen werden die Erwartungen an die Weiterbildung zunehmen.

Dabei ist den Unternehmern und ihren Personalverantwortlichen klar, dass der Weiterbildungsbedarf nicht von den kurzfristigen Geschäftserwartungen abhängig gemacht werden kann. So sprechen sich nur 20 Prozent dafür aus, höhere Investitionen in die Kompetenz der Mitarbeiter an günstige Geschäftserwartungen zu binden.

Dennoch: Der Wettbewerbsdruck erfordert ein höheres Kostenbewusstsein. Unternehmen haben ihre Investitionen gezielter einzusetzen. Zu einem „Mehr“ an Weiterbildung ist daher eins von zwei Unternehmen nur dann bereit, wenn sich die Erfolge einer Maßnahme im Arbeitsprozess schnell niederschlagen. In gleicher Größenordnung binden die Betriebe ihr Engagement an betriebsspezifische Inhalte und Vermittlungsformen.

Eine Eigenbeteiligung der Mitarbeiter, sowohl in finanzieller als auch in zeitlicher Hinsicht, erleichtert den Unternehmern ihre Entscheidung für eine Weiterbildung: So würden fast zwei Drittel mehr investieren, wenn ihre Mitarbeiter zu einem Freizeit- und Urlaubsverzicht bereit wären. Und 20 Prozent sagen ein höheres Engagement zu, wenn sich die Mitarbeiter an betriebsspezifischen Maßnahmen auch finanziell beteiligten.

Forderung nach einem umfassenden Kompetenzprofil
Der idealtypische Mitarbeiter in der modernen Arbeitswelt sollte nicht mehr nur über Fachwissen verfügen. Das ist die Folgerung der Umfrage zu den von Mitarbeitern erwarteten Fähigkeiten und Fertigkeiten, kurz der Kompetenz.

So rangiert das Fachwissen nicht mehr an erster Stelle bei den wichtigsten Kompetenzbestandteilen. Vielmehr gehen die Unternehmen selbstverständlich davon aus, dass dieses als Basis vorhanden ist. Das zeigt die Durchschnittsnote von 2,2 auf der Skala der Bedeutung. Also distanzieren sich auch die deutschen Unternehmen von dem in den USA verbreiteten Glauben, dass die Mitarbeiter zunächst in ein Unternehmen passen müssen und dann das erforderliche Fachwissen schon nachholen können.

Im Zentrum der unternehmerischen Erwartungen stehen heute Lernbereitschaft, Leistungswillen und Innovationsstärke. Das entspricht dem Wandel, der sich in der heutigen Arbeitswelt vollzieht. Die Mitarbeiter müssen sich schnell auf Veränderungen einstellen und an die neuen Strukturen anpassen können. Das geht nur mit einer grundsätzlichen Lernbereitschaft.

Doch auch die traditionellen Werte von Pünktlichkeit, Auftreten und Zuverlässigkeit stehen weiter hoch im Kurs. Das gilt sowohl für den internen Umgang als auch für den Kontakt mit dem Kunden. Als ebenso wichtig werden die sozialen Kompetenzen erachtet. Denn den Unternehmen ist bewusst, dass nur eine teamfähige Belegschaft eine positive Unternehmenskultur ermöglicht, die wiederum Grundlage für Motivation und Arbeitszufriedenheit ist.

Schließlich erhoffen sich die Unternehmen in hohem Maße die Fähigkeit des Mitarbeiters, selbstständig lernen zu können und dies dann auch zu tun. Die alten Grundfertigkeiten von Lesen, Schreiben und Rechnen zählen dabei ebenso zu den Grundvoraussetzungen wie die Fremdsprachenkompetenz und Computerkenntnisse.

Wirtschaft gegen staatliche Eingriffe in die Weiterbildung
Bislang ist die „Staatsferne“ der Weiterbildung ein großer Pluspunkt in Deutschland, verhindert diese doch die Verkrustung von Strukturen in einer rasant sich wandelnden Welt. Zwei Drittel der Unternehmen befürchten deshalb negative Auswirkungen auf die Weiterbildung, wenn gesetzliche Auflagen eingeführt werden sollten. Solche gesetzlichen Auflagen können von einem umfassenden Bundesrahmengesetz bis zu einzelnen Instrumenten reichen. Dazu zählen beispielsweise Vorschriften zur Finanzierung in Form einer Weiterbildungsabgabe. Oder verpflichtende Standards, die sich zu bürokratischen Kontrollinstanzen fortentwickeln können, wie beispielsweise die verpflichtende Zertifizierung von Anbietern.

Die Unternehmen kündigen denn auch an, auf gesetzliche Auflagen in der Weiterbildung scharf zu reagieren. So beabsichtigt die Hälfte der Unternehmen, dann nur noch die gesetzlichen Mindestauflagen zu erfüllen und jegliches weitere freiwillige Engagement einzustellen. Und ein Drittel spielt mit dem Gedanken, dann keine Jugendlichen mehr auszubilden.

Weiter würden die Unternehmen Änderungen ihrer eigenen Organisation in Betracht ziehen, um den Auflagen oder Abgaben zu entgehen. So würde ein Drittel der Unternehmen dann auf neue und zusätzliche Festanstellungen mindestens in Teilbereichen zugunsten von Zeitarbeitskräften verzichten.

Fazit:
- Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen kann gesteigert werden. Dazu müssen die Mitarbeiter ihren Beitrag in Form von Zeit und - in einem geringeren Maß - von Geld leisten. Zweitens sollten Angebote auf dem Markt betriebsspezifischer gestaltet werden.

- Das gewünschte Kompetenzprofil eines Mitarbeiters in einem deutschen Unternehmen ist breiter und anspruchsvoller geworden. Darauf müssen sich das Bildungssystem und die einzelnen Menschen einstellen.

- Die Politik sollte sich nicht zu Eingriffen in den Markt der beruflichen Weiterbildung treiben lassen. Vielmehr ist es Aufgabe des Staates, die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu garantieren, um einen freien und vielfältigen Markt zu erhalten. Wie der Markt, so sollten auch die Betriebe weiterhin frei von jeglichen politisch motivierten Eingriffen in die Personalarbeit bleiben. Dies gilt es auch bei den Koalitionsverhandlungen zu beachten.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Breite Str. 29, 10178 Berlin Telefon: 030/203080, Telefax: 030/203081000

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