Weiterentwicklung der sozialen Pflegeversicherung durch Einstieg in Kapitaldeckung / Koalitionsvertrag: bpa begrüßt Vorhaben von CDU, CSU und FDP, Leistungen der Pflegeversicherung langfristig zu stabilisieren
(Berlin) - Die Pflegeversicherung bleibt ein wichtiges Element der sozialen Sicherung. Gleichzeitig wird, neben dem bestehenden Umlageverfahren, eine ergänzende Finanzierung von Pflegeleistungen durch Kapitaldeckung eingeführt, die "verpflichtend, individualisiert und generationengerecht ausgestaltet werden muss". So lautet die Absichterklärung von CDU, CSU und FDP in ihrem Koalitionsvertrag, den der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) in weiten Teilen begrüßt. Skeptisch sieht der bpa jedoch das Vorhaben, dafür zu "sorgen, dass auch ausländische Hilfskräfte notwendige pflegerische Alltagshilfen erbringen können". bpa-Präsident Bernd Meurer: "Wir benötigen zweifellos flexible Beschäftigungen, aber vor Anreizen für Geldleistungen, die drohen in Schwarzarbeit zu führen und die sozialen Sicherungssysteme gefährden, sollten wir uns hüten."
Zum Thema Kapitalstockbildung erklärt der bpa-Präsident: "Es ist kein Geheimnis, dass die Reserven der Pflegekassen in den nächsten vier bis fünf Jahren aufgebraucht sein werden. Gleichzeitig wollen immer mehr pflegebedürftige Menschen qualitätsgesichert gepflegt und betreut werden. Deshalb ist es richtig, dass eine Reform der Pflege-Finanzierung in dieser Legislaturperiode angepackt wird. Das bedeutet: Zum einen muss die Pflegeversicherung als eigenständiger Zweig der sozialen Sicherung bestehen bleiben. Zum anderen ist die Einbeziehung von ergänzenden, kapitalgedeckten Elementen erforderlich. Die Koalition ist hier auf einem guten Weg."
Der bpa stimmt mit der neuen Regierung voll überein: Nur eine Veränderung in der Finanzierung eröffnet realistische Chancen, die im Rahmen der letzten Legislaturperiode verbesserten Leistungen für die Pflegebedürftigen langfristig zu dynamisieren, die Pflegebedürftigkeit - vor allem zu Gunsten von Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetent (z. B. Demenz) - neu zu definieren und die Pflege insgesamt mit den notwendigen Ressourcen auszustatten. Bernd Meurer: "Wir brauchen mehr Zeit für die Pflege, weniger Bürokratie und ein besseres Image für Pflegeberufe. Das sind auch die wichtigsten Voraussetzungen dafür, um mehr und besser qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen."
Der Gesundheits- und Pflegemarkt ist ein wichtiger Wachstums- und Beschäftigungssektor sowie ein stabiler Arbeitsmarkt. Bernd Meurer: "Tatsächlich arbeitet heute bereits jeder neunte Beschäftigte in der Pflege, nur jeder sechste verdient sein Geld in der Automobilbranche. Deshalb begrüßen wir das Bemühen der Koalition, die Rahmenbedingungen für Pflegende und Pflegeanbieter so zu gestalten, dass sich der Wettbewerb um die besten Ideen freier entfalten kann." Dazu gehört laut Koalitionsvertrag auch, dem in den nächsten Jahren drohenden Ärztemangel durch eine erweiterte Delegationsmöglichkeit ärztlicher und anderer Tätigkeiten, z. B. auf Pflegepersonal, zu begegnen. Diese Maßnahme hat der bpa schon seit Jahren gefordert.
Zur Überprüfung der politischen Rahmenbedingungen in der Pflege gehört auch, Benachteiligungen einzelner Anbieter auf den Prüfstand zu stellen. Daher befürwortet der bpa, eine Kommission einzusetzen, die die "Wettbewerbsgleichheit kommunaler und privater Anbieter insbesondere bei der Umsatzsteuer" anstrebt, um Arbeitsplätze zu sichern und Investitionen zu ermöglichen. Staatlichen Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten seien "konsequent zu überprüfen und bei nachgewiesener Wirtschaftlichkeit mit Hilfe privater Anbieter umzusetzen".
Ferner hat sich die neue Bundesregierung darauf verständigt, die Förderung des Aufbaus der Pflegestützpunkte auslaufen zu lassen, was der bpa durchaus begrüßt. Bernd Meurer: "Wir haben uns von Anfang an dafür eingesetzt, beim Thema Pflegeberatung vorrangig auf die bestehenden kompetenten Anlaufstellen zurückzugreifen und damit unnötige Doppelstrukturen zu vermeiden und die Mittel für die Pflege am Bett auszugeben." Im Rahmen bestehender Verträge mit Kranken- und Pflegekassen halten die bpa-Mitgliedseinrichtungen bundesweit bereits mehr als 2.500 Pflegeberater vor. Dieses Potenzial gilt es zu nutzen.
Einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn, wie ihn die scheidende Regierung auch für die Pflege beschlossen und bereits auf den Weg gebracht hat, lehnt die Koalition ab: "Die bestehenden gesetzlichen Regelungen zum Mindestlohn werden bis Oktober 2011 evaluiert. Dabei kommt es uns darauf an, diese daraufhin zu prüfen, ob sie Arbeitsplätze gefährden oder neuen Beschäftigungsverhältnissen entgegenstehen."
Um Lohndumping zu verhindern, spricht sich der bpa mit der neuen Bundesregierung klar gegen sittenwidrige Löhne aus. Bernd Meurer: "Wir sind gegen Lohndumping, aber auch gegen Einheitslöhne wie sie zur Vorraussetzung für Pflegeeinrichtungen mit der letzten Pflegereform gemacht wurden. Insbesondere die kurz vor der Bundestagswahl in Umlauf gebrachte `Interpretationshilfe´ zu der so genannten ortsüblichen Vergütung löst eine Kosten- und Bürokratielawine aus, die zu Lasten der Pflegebedürftigen, der Einrichtungen und der Sozialhilfe geht. Wir gehen daher davon aus, dass diese von der neuen Regierung schnell wieder einkassiert wird."
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V., Bundesgeschäftsstelle (bpa)
Herbert Mauel, Geschäftsführer
Friedrichstr. 148, 10117 Berlin
Telefon: (030) 30878860, Telefax: (030) 30878889
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