Pressemitteilung | Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF)

Wenn die Liebe weh tut – oder der Sex in die Jahre kommt

(München) - Sexualität ist in aller Öffentlichkeit und vor allem der Werbung ständig präsent. Lockendes Liebesgeflüster, lustvolles Verführen und Explosionen der Sinnlichkeit vermitteln den Anschein, dass die fordernde Lust anfänglicher Verliebtheit den Paaren selbstverständlich erhalten bliebe, selbst wenn die Partnerschaft etwas in die Jahre gekommen ist und erzeugt einen enormen Erwartungsdruck. Fehlt zumindest zeitweilig die sexuelle Aktivität der Frau, wird viel zu oft von Störungen der Liebesfähigkeit und Libidoverlust gesprochen und nicht hinterfragt: Was ist normal? Ab wann spricht man von einer sexuellen behandlungsbedürftigen Funktionsstörung?

Ursachen zeitweiliger Unlust
„Die landläufigen Bilder von der allzeit bereiten Frau entsprechen nicht der Realität“, sagt die Gynäkologin Prof. Dr. Dr. Elisabeth Merkle/ Bad Reichenhall. „Es ist völlig normal, auch mal keine Lust auf Sex zu haben“. Der Menstruationszyklus mit seinen Hormonschwankungen bestimmt das sexuelle Verlangen in den Tagen des Eisprungs und ist an den übrigen weniger ausgeprägt. Außerdem dämpfen psychosoziale Beeinträchtigungen wie bedrückender Stress, finanzielle und partnerschaftliche Probleme, Existenzängste und Krankheiten oder die Zeit nach einer Geburt die Bandbreite sexueller Lust. Verringert sich jedoch das Verlangen auf Sex anhaltend, sind Unzufriedenheit und Belastungen der Beziehung die Folge. Eine Abklärung der Ursachen ist sinnvoll, denn die Übergänge zwischen vorübergehender Lustlosigkeit und einer manifesten Sexualstörung (weibliche sexuelle Dysfunktion) sind fließend. Laut Statistik ist etwa jede zweite Frau mindestens einmal im Leben für einen längeren Zeitraum davon betroffen.

Abschied von eingefahrenen Liebesgewohnheiten
Zu Libidoverlusten führen neben überzogenen Erwartungen Kommunikationsprobleme zwischen den Partnern, die ebenso häufig auch Männer betreffen. Sexualwissenschaftler raten zu einer „Neuinszenierung des Sex“ nach dem Motto: Viel Zeit und Zärtlichkeit, weg von gewohnten Orten, Stellungen und Terminen sowie der überhöhten Erwartung des gleichzeitigen Orgasmus, um Sexualität erneut unbelastet zu erleben. Oft verbirgt sich hinter der Unfähigkeit, den Höhepunkt zu erreichen, auch Lustlosigkeit. Es lohnt sich für jede Frau, im Gespräch mit dem Gynäkologen oder dem Therapeuten herauszufinden, welchen Stellenwert und Sinn der gemeinsame Orgasmus hat.

Körperliche Ursachen - Hormon- und Feuchtigkeitsmangel
Viele Frauen befürchten nach einer operativen Entfernung der Gebärmutter Libidoverluste. Doch das Organ produziert im Gegensatz zu den Eierstöcken keine Hormone. Wenn die Gebärmutter fehlt, werden diese weniger durchblutet und nach und nach verringert sich die Hormonproduktion. Die Wechseljahre stellen sich zeitiger ein und der Frauenarzt kann mit einem Abstrich feststellen, ob eine Hormontherapie ratsam ist. Die Feuchtigkeit der Vagina ist eine wichtige Voraussetzung für den befriedigenden Koitus. Drüsen am Scheideneingang, deren Wänden und am Muttermund bilden Sekrete, die eine Gleitfähigkeit ermöglichen. Versagt diese insbesondere während und nach den Wechseljahren, bleibt die Scheide trocken (Lubrifikationsstörung). Die Penetration des Gliedes wird zur schmerzhaften Qual, es kommt häufig zu Einrissen, die sich entzünden können. Hormonhaltige Cremes und Zäpfchen oder einfache Gleitmittel schaffen hier Abhilfe.

Schmerz statt Lust
Laut Statistik bereitet der Geschlechtsverkehr bis zu 25% der Frauen mehr oder minder ausgeprägte Schmerzen. Sexuelle Schmerzstörungen sind von einem dumpfen Ziehen und Brennen während und nach dem Koitus gekennzeichnet. Es wird vermutet, dass neben einer Erregungsstörung der Frau der Koitus abgelehnt wird oder dass sie sich nicht traut, Nein zu sagen, um den Partner nicht zu verletzen. Verwachsungen nach Operationen und Geburten, eine Endometriose, Zysten, Myome oder Entzündungen der Unterleibsorgane sowie Scheideninfektionen kommen als Ursachen in Betracht. Frauenärztinnen und –ärzte setzen Blut- und Tastuntersuchungen, Abstrich und Ultraschall ein und arbeiten je nach Bedarf mit Sexualtherapeuten zusammen, um den Frauen zu helfen. Übrigens ist bekannt, dass ein Scheidenkrampf (Vaginismus) während des Koitus in den Bereich der Märchen gehört. In diesem Fall hält die Scheide den Penis gefangen. Allerdings gibt es zahlreiche, vor allem junge Frauen, die unter einer Anspannung im vorderen Scheidendrittel leiden. Die Muskeln ziehen sich reflexartig zusammen, sobald etwas die Vagina penetrieren will. Dadurch ist die an sich dehnungsfähige Vagina derart verengt, dass sie nicht einmal das schmerzfreie Einführen eines Tampons erlaubt. Der Gynäkologe muss feststellen, ob es sich um ein Angstphänomen handelt.

Sind Medikamente hilfreich?
Um die weibliche Libido und den Orgasmus anzuregen, stehen immer wieder Medikamente in der Diskussion. Dem Mann helfen die so genannten PDE-5-Hemmer (z.B. Viagra) auf die Sprünge. „Für Frauen gibt es jedoch keinen entsprechend erfolgreichen Wirkstoff“, erklärt die Gynäkologin Elisabeth Merkle. Östrogene, insbesondere in Kombination mit Androgenen, verbessern allerdings die Durchblutung der Vagina und die Sensibilität der Klitoris. „Die sexuelle Erregbarkeit der Frau steigert auch das Testosteron-Pflaster“, führt Elisabeth Merkle aus. Es ist bis jetzt jedoch nur für Frauen zugelassen, deren Eierstöcke und Gebärmutter entfernt wurden. Als eine Lusthilfe für Frauen gilt ein Testosteron-Gel, das auf die Klitoris verteilt wird. Hiervon halten jedoch die Experten wenig. Wirksam sei vermutlich in erster Linie eine manuelle Manipulation der Klitoris.

Schmerzpunkt an der Vagina
Als sexuelle Schmerzstörung wird die so genannte Vulvavestibulitis (VVS) betrachtet. Es gibt allerdings keine exakten Zahlen für diese Erkrankung. Es handelt sich um einen Schmerzpunkt, den die betroffenen Frauen im Genitalbereich zwar lokalisieren können, der aber optisch nicht erkennbar ist. Es wird angenommen, dass früher erlebte Schmerzen zu einer körperlichen Veränderung im Sinne eines Schmerzgedächtnisses führten. Die Behandlung ist zeitaufwendig und – da sich viele Frauen entmutigt zurückziehen – gilt es, Ihnen Mut zu machen, dass eine Hilfe möglich ist.

Mit diesen Erläuterungen im weiten Feld der Lust und Unlust bringen sich die Gynäkologinnen und Gynäkologen des Berufsverbandes der Frauenärzte als kompetente Partner für Problemlösungen ein.

Quelle und Kontaktadresse:
Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) Maria-E. Lange-Ernst, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Pettenkoferstr. 35, 80336 München Telefon: (089) 244466-0, Telefax: (089) 244466-100

(bl)

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