Pressemitteilung | IG BCE - Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie - Bundesgeschäftsstelle

Wild-West auf den Energiemärkten / Geordneter Strukturwandel statt / Energiewende zu Lasten der Beschäftigten

(Berlin/Hannover) - Die IG BCE und die Betriebsräte der großen Energiekonzerne warnen vor weiterem Personalabbau in der Energiewirtschaft. "Vor allem die konventionelle Energieerzeugung braucht verlässliche und zukunftsträchtige Strategien statt immer neuer Belastungen und fortwährender Unsicherheit in den Rahmenbedingungen", erklärte der Vorsitzende der Gewerkschaft, Michael Vassiliadis. "Andernfalls steht zu befürchten, dass sich der Verlust von vielen guten Arbeitsplätzen in der Branche fortsetzt, begleitet von einer zunehmend risikobehafteten Stromversorgung." Politik wie Unternehmen seien aufgefordert, gemeinsam für Stabilität und Sicherheit in der Energiewirtschaft zu sorgen. "Das gilt gleichermaßen für Fragen der Stromversorgung wie für die Beschäftigungsentwicklung und die Marktchancen der Anbieter konventioneller Energie", so Vassiliadis.

Der IG BCE-Vorsitzende verlangt einen "geordneten Strukturwandel, der soziale Verantwortung mit ökonomischer Vernunft und ökologischer Effizienz verbindet". Stattdessen herrscht heute nach Einschätzung von Vassiliadis "auf dem energiewirtschaftlichen Restmarkt Wild-West: Ohne klare Regeln und ohne tragfähige Perspektive wird die Energiewende unnötige Opfer fordern - an Wertschöpfung, an Versorgungssicherheit und an guter, tariflich gestalteter Arbeit." Es könne die Politik nicht kalt lassen, wenn leistungsfähige Unternehmen und deren Beschäftigten immer stärker unter Druck geraten. "Die Menschen in der konventionellen Energieerzeugung haben jahrzehntelang Grundlagen der industriellen Entwicklung und des Wohlstands in Deutschland geschaffen. Und sie sichern immer noch die Stabilität der Stromversorgung. Sie haben das Recht und den Anspruch auf ein wertschätzendes und verantwortliches Handeln der Politik und des Managements der großen Energieunternehmen."
Vassiliadis warnt vor einer "kritischen Gesamtlage der Energiewirtschaft". Der rasche und hoch subventionierte Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der unkonditionierte Vorrang bei der Einspeisung ins Netze machten die konventionelle Energieerzeugung zunehmend unwirtschaftlich, zumal selbst die an sich wettbewerbsfähige Braunkohle mit weiteren Sonderlasten bedacht werde. "Die Politik muss endlich ihre Ziele in eine echte Rangfolge bringen", so der IG BCE-Vorsitzende. "Ein Ausstieg aus der Kernenergie führt zwangsläufig zu einem höheren CO2-Ausstoss, wenn die Potentiale der CO2-Minderung beim Verkehr oder in Gebäudesanierung nicht genutzt werden." Die größte Herausforderung der Energiewende sei es, die Erneuerbaren Energien effizienter und speicherfähig zu machen. Vassiliadis: "Das bedeutet, Innovationen zu fördern statt nur auf den Ausbau von Anlagen zu setzen."
Ohne klares Konzept sei auf Dauer die Zukunftsfähigkeit der großen Anbieter konventioneller Energien gefährdet. "Ohne das energiewirtschaftliche Know-how der großen Energiekonzerne und ohne ihre Investitionskraft wird aber auch die Energiewende kaum effizient und erfolgreich zu gestalten sein", so der Gewerkschaftsvorsitzende. Schließlich sei die Frage immer noch unbeantwortet, wie Versorgungssicherheit ohne ausreichende konventionelle Erzeugung garantiert werden könne.
Der Vorsitzende des E.ON-Konzernbetriebsrates, Eberhard Schomburg, fordert von der Politik ein "Signal, dass sie sich auch um die Sorgen der Beschäftigten in den Energiekonzernen kümmert". E.ON verlor letztes Jahr allein in Deutschland 12.430 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das sind 31 Prozent Veränderung zum Vorjahr. "Wir wollen die Energiewende mitgestalten, nicht ihr zum Opfer fallen", so Schomburg. Dazu gehöre auch zu prüfen, wie Rückbau und Entsorgung der Kernkraft sicher und effizient und in einer Form erfolgen können, die den Unternehmen Entwicklungsmöglichkeiten lässt.
RWE-Betriebsratsvorsitzender Norbert Pohlmann lehnt eine verschärfte und einseitige CO2-Reduzierung in der Energieerzeugung ab, wie sie etwa die Umweltministerin Barbara Hendricks mit dem "Aktionsprogramm Klimaschutz 2020" formuliert. "Wer die Illusion weckt, im europäischen Alleingang gleichzeitig aus Kohle und Atom aussteigen zu können, muss wissen: Das wäre ein Programm zur De-Industrialisierung Deutschlands." Von den Unternehmen fordert Pohlmann "mehr als immer neue Programme mit Kostensenkung und Personalabbau". Damit lasse sich die Energiewende nicht meistern, so Pohlmann, "sie führen die Unternehmen in die Sackgasse und nehmen ihnen die Ressourcen, um in Zukunft Gewinne erwirtschaften zu können".
Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates von Vattenfall Europe Mining, Rüdiger Siebers, erwartet ein klares "Bekenntnis, dass die konventionelle Energieerzeugung von systemischer Bedeutung für eine funktionierende Energiewirtschaft ist". Der Braunkohle-Anteil von 25 Prozent an der Stromerzeugung müsse aus Gründen einer preiswerten und sichern Energieversorgung erhalten bleiben.
Um die notwendigen Kapazitäten der Steinkohle-Verstromung bei bestmöglicher Effizienz zu erhalten, schlägt die IG BCE unter anderem vor, die heutigen Kraftwerke in eine nationale Steinkohle-Verstromungsunion einzubringen. Vassiliadis warnt zudem davor, das Ziel von 25 Prozent Stromerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung durch zusätzliche EEG-Belastungen zu gefährden.

Quelle und Kontaktadresse:
IG BCE Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Bundesvorstand Pressestelle Königsworther Platz 6, 30167 Hannover Telefon: (0511) 7631-0, Fax: (0511) 7631-713

(sy)

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