Wunschdenken gefährdet die Versorgung pflegebedürftiger Menschen
(Berlin) - Längst haben sich die Länder und die Kommunen aus der Finanzierung der Angebote für pflegebedürftige Menschen zurückgezogen. Wenn nun die Bertelsmann-Stiftung und Prof. Rothgang vorschlagen, die Zahl der Heimplätze zu begrenzen und für die Betreuung und Pflege stattdessen vor allem die ambulante Versorgung verantwortlich zu machen, droht eine massive Einschränkung und Begrenzung der Versorgung der pflegebedürftigen Menschen.
"Schon heute werden 70 Prozent der pflegebedürftigen Menschen in der eigenen Wohnung versorgt. Allgemeinwissen ist aber auch, daß die Zahl der Familienangehörigen, die Pflege übernehmen können, zusehends erheblich sinkt. Zu berücksichtigen ist auch, daß massive Anstrengungen notwendig sind, um erwerbsfähige Menschen im Arbeitsleben zu halten. Wer nun behauptet, eine gute und angemessene Versorgung von deutlich mehr pflegebedürftigen Menschen mit deutlich weniger Personal leisten zu können, muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß er dem einzelnen pflegebedürftigen Menschen erheblich weniger Zeit für Pflege und Betreuung zugestehen möchte. Nichts anderes schlägt diese Studie vor und ignoriert damit die heutigen Sorgen der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen",so Bernd Meurer, Präsident des bpa.
Wenn wir die Versorgung der steigenden Zahl pflegebedürftiger Menschen ernst nehmen, könne die Antwort nicht sein, mehr Menschen weniger Zeit zur Verfügung zu stellen. Sehr viel wichtiger sei es, die Situation z.B. der alleinstehenden pflegebedürftigen Menschen zu betrachten oder auch die der pflegenden Angehörigen.
"Wer über längere Zeit den demenzkranken Vater im eigenen Zuhause betreut und Nacht für Nacht darüber nachdenken muß, ob der Vater vielleicht den Herd in der Küche eingeschaltet haben könnte, hat neben der hohen körperlichen Anforderung an die Pflege des Angehörigen auch eine immense psychische Belastung zu schultern", sagt Meurer.
Alleinstehenden älteren pflegebedürftigen Menschen fehle sehr oft der alltägliche Kontakt zur Familie, zur Nachbarschaft, zum gewohnten Umfeld. Für Menschen in diesen Lebenssituationen habe die Frage nach einem Umzug in ein Pflegeheim einen vollständig anderen Hintergrund. Hier gehe es weniger darum, ob ich anders wohnen möchte, sondern darum, ob die eigene Pflege und Betreuung auf Dauer gesichert werden könne.
"Wir müssen eine Antwort finden auf die tatsächlichen Anforderungen an die Pflege und Betreuung jedes einzelnen pflegebedürftigen Menschen. Es ist unverantwortlich, eine umfangreiche Versorgung und die damit verbundene Sicherheit in Frage zu stellen. Wir unterstützen eine qualifizierte ambulante Versorgung, weil sie dem Wunsch der betroffenen Menschen entspricht, solange individuell eine gute Lösung gefunden werden kann. Reicht die Versorgung aber nicht mehr aus, dürfen verläßliche Angebote in Pflegeheimen keinem vorenthalten werden", so der bpa-Präsident.
"Jeder pflegebedürftige Mensch kann sehr genau die Gründe benennen, die ihn dazu bewogen haben, sich für die Versorgung in der eigenen Wohnung oder für den Umzug in ein Pflegeheim zu entscheiden. Es ist unsere Verpflichtung, Antworten auf die sehr unterschiedlichen Anforderungen und Lebenssituationen zu bieten. Rationierung professioneller Pflege kann keine Lösung sein", so Meurer.
Der bpa e. V.: Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) bildet mit mehr als 7.500 aktiven Mitgliedseinrichtungen die größte Interessenvertretung privater Anbieter sozialer Dienstleistungen in Deutschland. Einrichtungen der ambulanten und (teil-) stationären Pflege, der Behindertenhilfe und der Kinder- und Jugendhilfe in privater Trägerschaft sind im bpa organisiert. Die Mitglieder des bpa tragen die Verantwortung für rund 230.000 Arbeitsplätze und ca. 17.700 Ausbildungsplätze. Das investierte Kapital liegt bei etwa 18,2 Milliarden Euro.
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