Pressemitteilung | (vzbv) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

Zahlen Verbraucher zu hohe Stromnetzentgelte? / vzbv veröffentlicht Gutachten zur Transparenz der Netzentgelte

(Berlin) - Zusammensetzung und Höhe der Stromnetzentgelte sind für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nachvollziehbar. / 86 Prozent der Netzentgeltanteile werden nicht veröffentlicht. / Das Gutachten identifiziert eine Möglichkeit der gesetzlichen Neuregelung für mehr Transparenz, die sofort umsetzbar wäre.

Netzentgelte machen mehr als ein Fünftel der Stromrechnung von Haushalten aus. 2018 belief sich das Gesamtvolumen der gezahlten Netzentgelte in Deutschland auf schätzungsweise 24 Milliarden Euro. Die Entgelte sind zwar staatlich reguliert aber dennoch in ihrer Zusammensetzung für Verbraucher und selbst für Experten nicht nachvollziehbar und damit intransparent. Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) hat diese Intransparenz wiederholt kritisiert und daher Arepo Consult und von Bredow Valentin Herz mit dem vorliegenden Gutachten zur detaillierten Analyse des Status Quo und zur Erarbeitung eines Vorschlags für eine neue gesetzliche Regelung für die transparente und nachvollziehbare Veröffentlichung der Stromnetzentgelte beauftragt.

"Bereits 2018 haben Experten den Vorwurf erhoben, dass Verbrauchern aufgrund zu hoher Netzentgelte ein finanzieller Schaden in Höhe von 360 bis 900 Millionen Euro entstehe. Verbraucher müssen davor geschützt werden, dass Netzbetreiber ihre Gebietsmonopole für überhöhte Netzentgelte ausnutzen. Das ist aber nur möglich, wenn die Netzentgelte und deren Zusammensetzung vollständig transparent sind. Aber genau das ist nicht der Fall, wie das vorliegende Gutachten überdeutlich zeigt. Hier kann und muss die Bundesregierung handeln", sagt Klaus Müller, Vorstand des vzbv.

"Gründe für die Intransparenz gibt es auf unterschiedlichen Ebenen. Die Vorgaben im Energierecht zur Veröffentlichung sind unzureichend, die Veröffentlichungspraxis der zuständigen Behörden ist mangelhaft und die Berechnung der Netzentgelte ist schwer nachvollziehbar. Zu wenige Informationen werden für zu wenige Netzbetreiber veröffentlicht. Zentrale Daten werden mit dem Hinweis auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse geschwärzt. Die Gesamtsumme der Netzentgelte kann nur geschätzt werden. Das vorliegende Gutachten zeigt konkrete Möglichkeiten auf, wie die Bundesregierung kurzfristig für deutlich mehr Transparenz bei den Stromnetzentgelten sorgen kann", so Dr. Christine Wörlen von Arepo Consult.

"Es kann nicht sein, dass die Interessen der Netzbetreiber pauschal über die Interessen der Verbraucher gestellt werden. Das Interesse der Netzbetreiber an einem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen muss gegen das Interesse der Öffentlichkeit an Transparenz abgewogen werden", so Rechtsanwalt Dr. Florian Valentin.

Transparenz der Netzentgelte ist nicht gegeben
Netzentgelte sind Gebühren, die jeder Nutzer eines Gas- oder Stromnetzes für Versorgungssicherheit und Netzausbau an den Netzbetreiber zahlen muss​. Dazu zählen private Haushalte wie auch kleine und mittlere Unternehmen sowie Industriebetriebe. Die Entgelte sind staatlich reguliert. Diese Regulierung soll Verbraucher davor schützen, dass Netzbetreiber ihre Vorteile durch Gebietsmonopole finanziell ausnutzen. Sie muss daher sichern, dass die Netzentgelte in der Höhe gerechtfertigt sind, dass nur notwendige und netzbezogene Kosten einbezogen werden und dass die Netzkosten fair auf Industrie, Gewerbe und private Haushalte verteilt ist. Die Transparenz der Zusammensetzung der Netzentgelte ist dafür die zentrale Voraussetzung. Genau dies ist aber nicht erfüllt: Die Ermittlung der Netzentgelte in Deutschland ist unverständlich und intransparent. So ist weder für Verbraucher noch für fachkundige Dritte nachvollziehbar, wie viel ihr Anteil an den Netzentgelten beträgt und ob dieser angemessen ist.

Gründe für die Intransparenz der Netzentgelte
Das vom vzbv in Auftrag gegebene Gutachten ermittelt folgende zentrale Gründe für die Intransparenz der Netzentgelte:
Das Monitoring der Netzentgelte ist unzureichend. Es gibt keine zentrale Datensammlung und -aufbereitung und auch keine Veröffentlichung der tatsächlich gezahlten Netzentgelte.
Die Systematik der Netzentgelte stammt aus der Epoche zentralistischer Stromsysteme. Es ist nicht (mehr) nachvollziehbar, wie die Kosten ermittelt werden.

Es gibt nur unzureichende und uneinheitliche Regelungen zur Veröffentlichung. Teilweise wurden Regelungen auf eine mangelhafte Rechtsgrundlage gestützt und sind durch den Bundesgerichtshof außer Kraft gesetzt worden.

Insgesamt werden zu wenig Daten veröffentlicht. Nur ein Fünftel der durch die Regulierungsbehörden genehmigten Erlösobergrenzen sind überhaupt öffentlich verfügbar.
Zentrale Daten werden in den Netzentgeltbescheiden - soweit sie überhaupt veröffentlicht werden - geschwärzt.

Neuregelung nötig und möglich
Die Gutachter identifizieren mehrere Möglichkeiten für Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes, die sofort umsetzbar wären. Als wichtigste Neuerung wird eine zentrale Veröffentlichung aussagekräftiger Daten in verständlicher Form auf der Webseite der Bundesnetzagentur vorgeschlagen. Die Gutachter definieren zudem klare Kataloge von Daten und Informationen, deren Veröffentlichung privaten Verbrauchern die Möglichkeit geben würde, zu prüfen, ob die Netzentgelte der Höhe nach angemessen, der Verteilung nach fair und der Verwendung nach zukunftsorientiert investiert sind. Damit wäre ein großer Schritt in Richtung Transparenz und Verbraucherfreundlichkeit getan.

Die Gutachter schlagen darüber hinaus vor, für die Bewertung der Arbeit der Netzbetreiber auch neue qualitative Aspekte wie Servicequalität, Flexibilität und Zukunftsfähigkeit für ein klimafreundliches Energiesystem aufzunehmen und dafür ein neues Entgeltsystem zu entwickeln.

Quelle und Kontaktadresse:
(vzbv) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Franka Kühn, Pressesprecherin Rudi-Dutschke-Str. 17, 10969 Berlin Telefon: (030) 258000, Fax: (030) 25800218

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