Pressemitteilung | Zahnärztekammer Berlin (ZÄK Berlin)

Zahnärztekammer Berlin ruft zur „Milchzahn-Woche“ auf: Mehr „Teamwork“ von Eltern und Zahnärzten nötig

(Berlin) - Im letzten Herbst hatten die aktuellen Daten zur Zahngesundheit von Kindern in Deutschland eigentlich nur positive Tendenzen vermittelt – aber auch Ausnahmen, die größeres Engagement erfordern. An sich hatte die wissenschaftliche Erhebung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ), die auf Daten von rund 75.000 untersuchten Kindern in ganz Deutschland im Erhebungszeitraum 2004 beruhen, auch für Berlin hoch erfreuliche Entwicklungen gemeldet:

Vor zehn Jahren waren bei Berliner 12jährigen noch 2,6 Zähne im Durchschnitt kariös, gefüllt oder verloren – heute sind es nur noch 1,01 Zähne. Das ist eine Verbesserung um mehr als das Doppelte. Bei der Zahngesundheit der 12-Jährigen nimmt Berlin trotz seiner vielen sozial belasteten Familien einen erfreulichen Platz im vorderen Mittelfeld ein, der soziale Status als ein Gradmesser für die Chancen guter Mundgesundheit ist vielfältig wissenschaftlich belegt.

Herausgestellt hat sich aber auch, dass in Berlin die Milchzahngesundheit schlechter geworden ist: Die Mundgesundheit der 6- bis 7jährigen Berliner Steppkes ist mit dem d-mft-Wert Wert 2,74 heute etwas schlechter als im Jahr 2000 (2,33), d-mft ist die fachliche Bezeichnung für Anzahl der kariösen, fehlenden oder gefüllten Zähne.

Die Zahnärztekammer Berlin hat daraufhin viele Gespräche geführt, die die Hintergründe dieser schlechter gewordenen Entwicklung beleuchten, und daraus nun Konsequenzen gezogen: „Es ist richtig, dass die soziale Belastung der Familien eine große Rolle spielt“, sagt dazu Dr. Wolfgang Schmiedel, Präsident der Zahnärztekammer Berlin, „aber wir haben einen anderen zentralen Punkt entdeckt, der tiefer liegt und bei weitem nicht nur die Familien berührt: Das Wissen um die Wichtigkeit der Milchzähne ist – auch bei dem einen oder anderen Zahnarzt – von der Fehleinschätzung geprägt, die Milchzähne fielen ja ohnehin aus... „

Wer mit dieser Einstellung, ob in der Familie oder in der Zahnarztpraxis, an die Mundpflege und Gesundherhaltung der Milchzähne herangehe, habe auch gar nicht die notwendige Motivation. „Dies wollen wir ändern und haben deshalb diese letzte Juni-Woche zur „Milchzahn-Woche“ erklärt. Wir wollen die Berliner Familien mit kleinen Kindern, die Erzieher in den Kindergärten, aber auch ihre betreuenden Zahnärzte dazu aufrufen, mindestens diese eine Woche lang das Thema Milchzähne in einem anderen Licht zu sehen und jeder an seinem Platz mehr für deren Gesunderhaltung zu tun. Das ist nicht wirklich zeit- und kostenaufwändig und zudem eine der besten Investitionen in eine lange Zahngesundheit. Nicht zuletzt sorgen Milchzähne, die bis zum naturgegebenen Ausfall ihren Platz halten, auch für eine funktional korrekte, natürlich schöne Zahnreihe, die weniger kieferorthopädischer Korrekturen im späteren Lebensalter bedürfen.“ Die Milchzahn-Woche, so hoffe er, bewege etwas auch in den Köpfen und führe durch eine neue Einstellung auch zu neuen, erfreulichen Entwicklungen für die Zahngesundheit der Berliner Kinder: „Nicht nur die Milchzähne, die gerade jetzt erscheinen, sollen auch bei der nächsten WM noch topfit sein!“

Milchzähne sind unter anderem wichtig, weil sie
- das Knochenwachstum im Kiefer und die Stellung der bleibenden Zähne steuern
- bei der Sprachbildung helfen.
Den letzten Milchzahn verlieren Kinder zwischen 12 und 14 Jahren.

Deshalb sollen Milchzähne – das ist eine Empfehlung, die auch von der obersten wissenschaftlichen Gesellschaft der Deutschen Zahnärzte, der DGZMK (Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde) gerade erst wieder publiziert wurde, „möglichst bis zum physiologischen Durchbruch der bleibenden Zähne erhalten werden“. Die bleibenden Zähne führen beim Wachsen und auf ihrem Weg in die Zahnreihe zu Druck auf die Milchzahnwurzeln, die sich dabei zurückbilden bis sie fast ganz verschwunden sind – der Milchzahn hat dann keinen Halt mehr, seine „Schuldigkeit“ getan und macht auf natürlichem Weg den Platz frei: er wackelt und fällt aus.

Unter „Teamwork für die Milchzähne“ versteht die Zahnärztekammer unter anderem folgende Punkte, die Eltern, Erzieher und Familienzahnärzte im Auge behalten müssen:

- Milchzähne sollen kariesfrei gehalten werden, damit sie gesund bleiben, das heißt: Sie brauchen die Eltern, die sich vom ersten Zahn an um regelmäßige Mundhygiene kümmern und auch bei Kindern im Vorschulalter noch nachputzen. Dr. Schmiedel: „Sie sollen selber putzen – aber mehr aus pädagogischer Sicht, richtige Sauberkeit erreichen können unsere Kleinen nicht alleine.“ Spezielle Kinderzahnbürsten erleichtern die Mundpflege. Und Eltern, die selbst zweimal täglich mindestens ihre Zähne pflegen, sind das beste „gute Beispiel“ für die Kinder, denn Kinder „kopieren“ Verhalten.

- Milchzähne, die Kariesschäden haben, müssen behandelt werden. Karies kann sich bis zum Zahnnerv vorarbeiten, durch den dann offenen Zahnkanal können Bakterien in das Gewebe rund um den Zahn gelangen und – nur eine mögliche Folge – den Zahnkeim der bleibenden Zähne schädigen. Beginnende Karies ist leicht zu behandeln – Eltern können diese Entwicklung nicht erkennen und sollten daher Kontrolluntersuchungen im Jahr zur Routine machen. Wie oft diese Kontrolle nötig ist, hängt auch vom „Karies-Risiko“ des Kindes ab und wird individuell festgelegt.

- Wenn bei Spiel oder Sport Zähne ausgeschlagen werden, in der Zahnreihe also eine ungeplante Lücke entsteht, sollte diese gefüllt werden, damit die Nachbarzähne nicht in die Lücke rutschen und die bleibenden Zähne ihren naturgegebenen Weg gehen können statt in unerwünschte Richtungen zu driften. Ein verlorener Zahn ist ein Verlust, der die Planung der Natur durcheinander bringt, und deshalb soll man nicht einfach warten bis die bleibenden kommen, sondern zusammen mit dem Zahnarzt einen kindgemäßen Lückenschluss besprechen.

- Andersherum kann es notwendig sein, dass ein Milchzahn sogar gezogen werden muss, um einen vergleichsweise zu kleinen Kiefer von der Überlastung durch eng, eventuell verkantet stehende Zähne zu entlasten, Ziel ist, dass die bleibenden Zähne dann in der natürlichen Zahnreihe erscheinen und sich entfalten können. „Ein solches Problem legt sich nicht von allein und führt dazu, dass die verkanteten Zähne kaum sorgfältig zu reinigen sind“, so Dr. Schmiedel, „denn Beläge verstecken sich gern in Nischen, an die keiner ran kommt. Hier bildet sich eine enorme Karies-Gefahr.“

Ernährung spielt eine große Rolle:
- Viele Milchzähne werden noch immer weggenuckelt durch zucker/säurehältige Getränke, auch Obstsaft, in (Dauer-)Nuckelflaschen
- zuckerhaltige Ernährung (auch in Fast-Food sind viel Zucker und Säuren) könnte zu weniger Zahnschäden führen, wenn auch regelmäßig Zähne geputzt würden
- Schokolade und Süßes ist nicht verboten – aber lieber in einem Rutsch als über den Tag verteilt, zum „Dauerlutschen“ eignen sich zahnfreundliche Süßwaren (Logo „Zahnmännchen mit dem Schirm“)

Was die Berliner Zahnärzte schon tun
Für Kontrolluntersuchungen, aber auch Beratungen stehen alle Berliner Zahnärzte zur Verfügung, auch die kostenlose Patientenberatungsstelle der Berliner Zahnärzte (Termine nach Anmeldung unter Telefonnummer 89004-235 bzw. Durchwahl –308). Es gibt zahlreiche Zahnarztpraxen, die sich speziell in Kinderzahnheilkunde fortgebildet haben und dies als ihren Tätigkeitsschwerpunkt oder Behandlungsschwerpunkt bezeichnen, sie findet man im Internet unter www.zaek-berlin.de Bereich Zahnarztsuche, ein Service in Zusammenarbeit mit gesundheit-berlin.de.

Die Leistungen der LAG Berlin
Auch die Zahnärztlichen Dienste kümmern sich um Aufklärung, Vorsorge und Beratung und arbeiten eng mit der LAG (Landesarbeitsgemeinschaft Berlin zur Verhütung von Zahnerkrankungen) zusammen: „ Wir von der LAG sind das ganze Jahr über in der Stadt unterwegs – inzwischen seit über 15 Jahren“, sagt Rainer Grahlen, Geschäftsführer der LAG. „Unsere 75 gut geschulten Mitarbeiterinnen und unser bei den Kindern geliebtes Maskottchen, das Kroko, gehen als Teams in Kindergärten und Schulen, um mit den Kindern Zahngesundheit zu trainieren. Von diesen Kindern könnten manche Eltern sogar noch lernen.“ Dabei geht es um die Zusammenhänge von Ernährung und Zahngesundheit, aber auch um das richtige, sorgfältige Zähneputzen. „Aber wir kümmern uns in Elternabenden auch um Eltern, schulen Erzieher und engagieren uns vielfältig auch im Sinne von Public Health, in dem wir Rahmenbedingungen erkennen und, wo möglich, mit unseren Mitteln verbessern. So haben wir vor einiger Zeit aufgehört, unsere Teams gleichmäßig über die Stadt verteilt einzusetzen, sondern setzen inzwischen Schwerpunkte in sozial besonders belasteten Gebieten.“ Wenn die LAG auf besonders zahngeschädigte Kinder trifft, regt sie bei den Eltern einen Zahnarztbesuch an.

Kinder haben keine Alternative
„Kinder müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Eltern ihr Wohlergehen und auch ihre Gesundheit im Blickpunkt haben und sich um sie kümmern“, legt Dr. Schmiedel den Familien ans Herz, „sie haben ja keine Alternative! Wir Zahnärzte tun wirklich gern unseren Teil dazu, den Kindern und oft auch den Eltern bei der Zahngesundheit, bei Tipps und Anregungen zu helfen. Wir können das aber nur, wenn wir auch gefragt werden - auch wenn wir vielfältig, wie bei der Arbeit der LAG, auch dahin gehen, wo wir Eltern und Kinder treffen. Wir alle, Eltern und Zahnärzte, müssen mehr miteinander reden, miteinander arbeiten – dann schaffen wir es auch, dass die Milchzähne länger gesund bleiben und in vielfältiger Hinsicht damit auch das Kind insgesamt. Und keine Angst vor der Praxisgebühr: Kontrolltermine sind kostenfrei.“ Er hoffe, so Dr. Schmiedel, dass die Milchzahnwoche eine Umkehr in Denken und Handeln einleitet und die Zähne der Kleinen unter den Berliner Kindern wieder gesünder werden.

Quelle und Kontaktadresse:
Zahnärztekammer Berlin Pressestelle Stallstr. 1, 10585 Berlin Telefon: (030) 348080, Telefax: (030) 34808240

(sk)

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