Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung und zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe
(Berlin) - Der djb begrüßt die Initiative zum qualitätsgerechten und bedarfsgerechten Ausbau der Kindertagesbetreuung. Das Ziel des Gesetzentwurfs entspricht einer langjährigen frauen- und familienpolitischen Forderung. Der djb bedauert jedoch, dass die Instrumente des Gesetzentwurfs unzureichend sind, insbesondere nicht im erforderlichen Umfang Rechtsansprüche auf eine qualifizierte frühkindliche Elementarbildung und Betreuung vorgesehen sind. Somit ist höchst zweifelhaft, ob das auf EU-Ebene angestrebte Ziel, für mindestens 33 Prozent der Kinder unter drei Jahren bis zum Jahr 2010 Tagesplätze bereitzustellen, erreicht werden kann.
Der djb fordert den Gesetzgeber daher nachdrücklich auf, im Gesetzgebungsverfahren nachzubessern. Zur qualitativen Verbesserung der frühkindlichen Elementarbildung und Förderung der Sozialisation aller Kinder sowie zur Erreichung des Ziels, die faktische Benachteiligung von Frauen abzubauen (Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG), ist es im Interesse von Kindern und Eltern - insbesondere von Müttern - erforderlich:
– nach Ablauf einer Übergangszeit für alle Kinder unter drei Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung zu verankern;
– übergangsweise Kindern unter drei Jahren einen Rechtsanspruch einzuräumen, wenn die familiäre Situation es erfordert, insbesondere bei Erwerbstätigkeit, Erwerbssuche, Aus- und Fortbildung der Eltern oder einem besonderen Erziehungsbedarf;
– in gleicher Weise auch die Versorgung für schulpflichtige Kinder (Hortplätze) verbindlich zu regeln, solange keine Ganztagsschulversorgung greift;
- eine tägliche zeitliche Mindestdauer des bestehenden Rechtsanspruchs auf den Besuch eines Kindergartens für Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr (§ 24 S. 1 SGB VIII) von 6 Stunden festzuschreiben;
-erwerbssuchenden Eltern einen subjektiven Rechtsanspruch (und nicht nur eine Ermessensleistung) auf Vermittlung einer Tagesbetreuung für ein Kind im Rahmen der Leistungen zur Eingliederung nach § 16 SGB II einzuräumen, um dadurch die Erwerbstätigkeit von Müttern zu fördern.
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Der djb hält darüber hinaus die den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe eingeräumten Übergangsregelungen für den Zeitpunkt der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben (§ 24 a) für zu lang und die Vorgaben für Übergangslösungen für zu wenig verbindlich.
Die im Gesetzentwurf genannten Gründe, aus denen kein Rechtsanspruch auf Tagesbetreuung über den bisherigen Umfang hinaus eingeräumt werden soll, sind nicht nachvollziehbar. Die Annahme, dass ein bundesweiter Rechtsanspruch weder den Bedürfnissen von Eltern noch von Kindern entspreche, verkennt in großem Maße die tatsächlichen Bedürfnisse und die Lebenssituation von Familien. Es ist für den djb nachvollziehbar, dass die Finanzierungsprobleme der Kommunen, die als öffentliche Träger der Jugendhilfe für die Umsetzung von Rechtsansprüchen im Bereich der Kinderbetreuung zuständig sind, dringend einer Lösung bedürfen. Bedauerlicherweise haben sich die politisch Verantwortlichen bislang nicht einigen können. Dieses Versäumnis geht zu Lasten von Kindern, denen keine ausreichenden Angebote qualitativ hochwertiger Elementarbildung zur Verfügung stehen, und von Eltern und vor allem der Frauen, die wegen fehlender Plätze in Kindertageseinrichtungen bzw. unzureichender Öffnungszeiten in ihrer Erwerbstätigkeit eingeschränkt sind. Wenn die ausstehende Einigung zwischen Bund, Ländern und Kommunen über Finanzierungsfragen weiterhin den Ausbau von Kindertageseinrichtungen als Stätten der Elementarbildung und Förderung von Kindern abbremst, so wird die BRD im EU-Vergleich in dieser Hinsicht Schlusslicht bleiben und auch die Ziele im Rahmen der Beschäftigungsförderung nicht erreichen.
Der djb begrüßt es, dass im vorliegenden Gesetzentwurf die gesetzlichen Kriterien für die Feststellung des Mindestbedarfs an Plätzen in Tageseinrichtungen festgeschrieben werden (§ 24 Abs. 3 TAG-E). Das Bundesverwaltungsgericht hatte bereits in seinem Urteil vom 27. Januar 2000 darauf hingewiesen, dass auch aus verfassungsrechtlichen Gründen im Rahmen der Angebotsplanung jedenfalls einem Bedarf Rechnung getragen werden muss, der entsteht, wenn die Eltern sich in Ausbildung befinden oder aus wirtschaftlichen Gründen erwerbstätig sein müssen. Ergänzt werden sollte in § 24 Abs. 3 Nr. 1, dass auch für Eltern, die erwerbssuchend sind oder die sich in Ausbildung befinden, Plätze vorzuhalten sind. Die Beschränkung auf bereits erwerbstätige, in einer beruflichen Bildungsmaßnahme oder in einer Eingliederungsmaßnahme befindliche Eltern ist unbefriedigend. Erwerbssuchende und arbeitslose Eltern, die nicht an einer Maßnahme teilnehmen, ebenso wie Eltern in Schul- oder Hochschulausbildung müssen ebenfalls bei der Definition der Mindestkriterien für die Bedarfsfeststellung berücksichtigt werden. Es wird daher vorgeschlagen, in § 24 Abs. 3 Nr. 1 ergänzend aufzunehmen: ‚Personen, die eine Erwerbstätigkeit suchen’ sowie ‚Personen, die sich in Ausbildung befinden’.
Die Mindestkriterien für die Bedarfsfeststellung der Kommunen konkretisieren den Umfang, in dem Kommunen ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen für Kinder unter drei Jahren bereitstellen sollen. Diese Bereitstellungspflicht besteht bereits jetzt nach § 24 S. 2 und S. 3 SGB VIII im Rahmen der Gesamtverantwortung der öffentlichen Träger. Die Planungsziele für ein bedarfsgerechtes Angebot waren auch bisher benannt, auch wenn die Kriterien einer Bedarfsermittlung noch nicht im Gesetz festgelegt waren. Diese Bereitstellungspflicht der öffentlichen Träger für Ganztagsplätze und für Plätze für unter 3-Jährige blieb in den letzten Jahren weitgehend wirkungslos. Ein Grund dafür ist, dass die Planungspflicht und Gesamtverantwortung der Kommunen lediglich als objektiv-rechtliche Verpflichtung der öffentlichen Träger verstanden wird, auf deren Durchsetzung aber kein subjektiv-öffentliches Recht von Kindern oder Eltern besteht. Das Fehlen einer bedarfsgerechten Jugendhilfeplanung oder auch Verfahrensmängel in der Planung können von ihnen daher auch nicht auf dem Rechtsweg eingeklagt werden; hier sind die Kommunen nur im Wege der Rechtsaufsicht innerhalb der Verwaltung oder im politischen Raum kontrollierbar. So begrüßenswert und notwendig die Klärung der Bedarfskriterien in § 24 Abs. 3 TAG-E ist, so reicht dies jedoch nicht aus, um einen bedarfsgerechten Ausbau der Plätze in Kindertageseinrichtungen (insbesondere für unter 3-jährige Kinder und von Ganztagsplätzen) zu fördern. Dazu sind subjektive Rechtsansprüche erforderlich.
Der Gesetzentwurf enthält auch verschiedene Neuregelungen der Tagespflege. Der djb teilt die Auffassung, dass eine Verbesserung der Rahmenbedingungen der Kindertagespflege wünschenswert ist. Der djb spricht sich jedoch entschieden gegen eine Gleichsetzung oder die im Gesetzentwurf angestrebte ‚Aufwertung der Kindertagespflege zu einem den Tageseinrichtungen gleichrangigen Angebot’ (Begründung zum TAG-E S. 3) aus. Der umfassende und ganzheitliche Auftrag der Betreuung, Bildung und Erziehung des Kindes (§ 22 SGB VIII) und seine pädagogische und organisatorische Ausgestaltung in Tageseinrichtungen hat einen anderen pädagogischen Anspruch als die Kindertagespflege, die damit nicht gleichgesetzt werden kann.
Es ist zu befürchten, dass die Gleichsetzung von Tagespflege mit der Förderung in Tageseinrichtungen den Kommunen vor allem eine billigere Alternative des Ausbaus zur Verfügung stellen soll. Der Gesetzentwurf hat hier wesentliche Klarstellungen dem Landesrecht überlassen. Diese Befürchtung wird auch dadurch verstärkt, dass in § 24 Abs. 2 TAG-E Kindertagespflege als Alternative zur Bereitstellung eines bedarfsgerechten Angebots an Ganztagsplätzen für Kinder ab 3 Jahren angesehen wird ("... dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen oder ergänzend Förderung in Kindertagespflege zur Verfügung steht"). Der djb lehnt es ab, dass Eltern, die einen Ganztagsplatz in einer Kindertagesstätte benötigen und wünschen, auf einen Platz in Kindertagespflege verwiesen werden können. In diesem Sinne darf Tagespflege nicht als gleichrangig mit Tageseinrichtungen für Kinder betrachtet werden.
Zur Weiterentwicklung der Qualität der Förderung in Tageseinrichtungen begrüßt der djb die ausdrückliche Formulierung in § 22a Abs. 1 TAG-E, wonach die Träger die Qualität durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, weiterentwickeln und evaluieren sollen.
Der djb wendet sich entschieden gegen Äußerungen aus dem politischen Raum, wonach zukünftig Versorgungsprobleme bei der Kinderbetreuung auch im Rahmen der sogenannten Ein-Euro-Jobs gelöst werden sollen. Damit würde das Ziel des Gesetzentwurfes – die angestrebte qualitative Verbesserung der Kinderbetreuung und Elementarbildung in Einrichtungen sowie in Tagespflege – konterkariert. Arbeitslosigkeit ist kein Qualifikationsmerkmal für eine Tätigkeit in diesem Rahmen. Das gleiche gilt für die Vorstellung, Mütter könnten per se fremde Kinder erziehen und gezielt fördern. Spätestens seit PISA wissen wir, dass eine bessere Erziehung und Bildung der Kinder zu den wichtigsten Aufgaben unserer Gesellschaft gehört. Es ist daher abwegig sich vorzustellen, dass Bezieher oder Bezieherinnen von Arbeitslosengeld II ohne entsprechende Qualifikation unter Umständen mit Sanktionsandrohung verpflichtet werden könnten, Tagesmütter zu werden oder mit 1-Euro-Jobs in Kindertagesstätten zu arbeiten. Dies widerspricht dem Ziel einer Qualitätsverbesserung, wie es ausdrücklich in § 22a Abs. 1 TAG-E genannt wird. Zur Strukturqualität gehören auch angemessene Arbeitsbedingungen und Qualifikation für die Beschäftigten im Bereich der frühkindlichen Erziehung.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Juristinnenbund (Vereinigung der Juristinnen, Volkswirtinnen und Betriebswirtinnen) e.V. (djb)
Anklamer Str. 38, 10115 Berlin
Telefon: 030/4432700, Telefax: 030/44327022
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