Verbändereport AUSGABE 2 / 2014

ADAC-Affäre: Auslöser für Flurschäden in der gesamten Verbandslandschaft?

Umfangreiche wirtschaftliche Aktivitäten versus Vereins-Leitbild

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Wer glaubt, die allgemeine Diskussion um die Stellung des ADAC bleibe notwendigerweise auf die Verhältnisse dieses Vereins beschränkt, der irrt. Der ADAC-Fall kann vielmehr Auswirkungen auf alle Verbände haben, die sich wirtschaftlich betätigen respektive über eine Service-Gesellschaft verfügen.

Der Vereinskonzern – Auslöser der vereinsrechtlichen Diskussion

In der öffentlichen Diskussion wird überwiegend als kritisch herausgestellt, dass der ADAC mit seinen umfangreichen wirtschaftlichen Aktivitäten dem Leitbild des Vereins nicht mehr entspreche. Er sei intransparent und biete seinen Mitgliedern praktisch keine Mitwirkungsmöglichkeit. Bei einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro sei der ADAC ein Großunternehmen und müsse daher auch als solches behandelt werden. In dieser Diskussion wird oft übersehen, dass der ADAC – soweit von außen erkennbar – seine wirtschaftlichen Tätigkeiten im Wesentlichen nicht selbst, sondern durch Tochter-Kapitalgesellschaften ausübt, die im Anteilseigentum des ADAC stehen. Damit stellt sich die Frage, ob diese Gestaltung auf vereinsrechtliche Bedenken stößt. Diese Meinung wird in den Medien immer wieder vertreten. Es lohnt sich daher, dieses Verbandskonstrukt einmal näher zu beleuchten.

Ausgliederung wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe in eine Kapitalgesellschaft

Verbreitet findet sich im Vereinswesen die Praxis, eine bisher im Verein ausgeübte wirtschaftliche Betätigung (WGB) in eine Kapitalgesellschaft auszulagern, die sich im mehrheitlichen (meist: alleinigen) Anteilsbesitz des Vereins befindet. Dasselbe gilt, wenn die wirtschaftliche Betätigung nicht vom Verein in die Kapitalgesellschaft verlagert, sondern in der Gesellschaft originär aufgenommen wird. Das Halten der Beteiligung wird auf der Ebene des Vereins dessen Vermögensverwaltung zugerechnet, was vereinsrechtlich jedenfalls so lange unschädlich ist, wie das Halten der Beteiligung nicht zum Hauptzweck des Vereins wird. Folglich ist die externe Betätigung nicht eintragungsschädlich, wenn sie sich dem ideellen Vereinszweck funktional unterordnet.

Diese Auffassung setzt voraus, dass die Beteiligung eines nichtwirtschaftlichen Vereins an einer Kapitalgesellschaft nach dem geltenden Vereinsrecht überhaupt grundsätzlich zulässig ist. Es wird allgemein anerkannt, dass ein Verein Anteile an einer GmbH oder Aktiengesellschaft halten darf. Es ist auch unstreitig, dass ein eingetragener Verein Gründungsgesellschafter einer GmbH sein kann. Nach dem gesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzip sind die Handlungs- und Vermögenssphären der Kapitalgesellschaft einerseits und des Anteilseigners (Verein) andererseits völlig voneinander verselbstständigt. Daher wird der eingetragene Verein durch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft noch nicht zu einem wirtschaftlichen Verein im Sinne des § 22 BGB. Dies gilt so lange, wie der Verein lediglich sein eigenes Vermögen in Form einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung verwaltet. Anders verhält es sich dagegen, wenn der Verein eine Beteiligung im Interesse seiner Mitglieder hält und an diese Gewinne ausschüttet. In diesem Fall bietet der Verein seinen Mitgliedern eine unternehmerische Leistung an und wird dadurch zum – eintragungsschädlichen – wirtschaftlichen Verein.

Grundlage: das ADAC-Urteil des BGH von 1982

Eine Mehrheitsbeteiligung ist nach dem berühmten ADAC-Urteil des BGH vom 29.9.1982 (BGHZ 85, 84) grundsätzlich vereinsrechtlich zulässig und daher nicht eintragungsschädlich. Dies gilt nach BGH auch dann, wenn der Verein geschäftsleitende Befugnisse in der Gesellschaft ausübt und mit ihr in vielfacher Hinsicht personell verflochten ist. Der BGH vertrat die Auffassung, dass die zivilrechtliche Unterscheidung in eintragungsfähige nichtwirtschaftliche bzw. nicht eintragungsfähige (konzessionsbedürftige) wirtschaftliche Vereine allein auf dem Gedanken des Gläubigerschutzes beruhe. Der BGH sah keine Gefährdung der Gläubiger in der Tatsache, dass der ADAC alleiniger Aktionär einer AG war, dort geschäftsleitende Befugnisse ausübte und mit der AG personell verflochten war. Dieses BGH-Urteil bildet die Grundlage für die heutige Struktur des ADAC-Konzerns und hat dessen umfangreiche wirtschaftliche Betätigung erst ermöglicht.

Schutzbelange der Gläubiger gewährleistet

Nach BGH wird den Schutzbelangen der Gläubiger einer ausgelagerten Kapitalgesellschaft dadurch in ausreichendem Maße Rechnung getragen, dass die Kapitalgesellschaft – im entschiedenen Fall: eine AG – ihren Gläubigern alle mit der Rechtsform der Kapitalgesellschaft verbundenen Sicherheiten biete. Die Beteiligung eines nichtwirtschaftlichen Vereins an einer AG könne zwar dann nachteilige Auswirkungen auf die Gläubigerinteressen haben, wenn die Haftung des Vereins als herrschendes Unternehmen in einem faktischen Konzern mangels einer (gesetzlich nicht vorgesehenen) Mindestkapitalausstattung des Vereins ins Leere ginge (vgl. § 317 Abs. 4 AktG, § 309 Abs. 4 S. 3 AktG). Doch werde dieses Manko durch die persönliche und gesamtschuldnerische Haftung des Vereinsvorstandes und die gleichgelagerte Haftung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der AG (§§ 317 Abs. 3, 318 AktG) ausgeglichen. Nach dem ADAC-Urteil des BGH begegnet daher die Gründung einer GmbH durch einen Verein keinen vereinsrechtlichen Bedenken.

Zunehmende Kritik an dem ADAC-Urteil

Obwohl das ADAC-Urteil des BGH nun schon lange Jahre zurückliegt, wurde es zwischenzeitlich von der Rechtsprechung noch als aktuell behandelt  (z. B. Beschluss des LG München vom 30.8.2001, DB 2003, 1316). Das LG München hielt das BGH-Urteil für „jedenfalls nicht unvertretbar“ und legte es seiner Entscheidung „im Interesse der Rechtssicherheit“ zugrunde. Diese erkennbare Skepsis des LG München mag damit zu tun haben, dass das ADAC-Urteil seit geraumer Zeit von maßgeblichen Stimmen in der Fachliteratur heftig kritisiert wird.

Eine im Vordringen begriffene Auffassung im vereinsrechtlichen Schrifttum möchte die unternehmerische Betätigung der beherrschten Tochter-Kapitalgesellschaft dem Verein als eigene unternehmerische Tätigkeit zurechnen. Nach dieser Auffassung wäre eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Vereins an einer Kapitalgesellschaft nur dann nicht eintragungsschädlich, wenn sich die Tätigkeit der Gesellschaft im Rahmen des vereinsrechtlichen Nebenzweckprivilegs bewegt.

Die für diese Auffassung angeführten Begründungen sind unterschiedlich. Eine Auffassung möchte nicht nur die Interessen der Gläubiger der Kapitalgesellschaft, sondern auch die der Gläubiger des Vereins gewahrt wissen. Die Vereinsgläubiger dürften darauf vertrauen, dass sich ein Verein, der ideelle Ziele verfolgt, grundsätzlich nicht oder nur im Rahmen des Nebenzweckprivilegs wirtschaftlich betätige. Dem ist entgegenzuhalten, dass selbst eine 100-prozentige Beteiligung noch nicht automatisch die Unternehmenseigenschaft des Gesellschafters begründet (vgl. BGHZ 69, 334, 337).

Etwas anderes könnte gelten, wenn der Verein unter den konzernrechtlichen Unternehmensbegriff des Aktienrechts fällt. Dieser Fall tritt jedoch nicht ein, wenn es sich bei der Tochtergesellschaft um eine GmbH handelt. Denn im Verhältnis zu einer GmbH ist der Verein keinen spezifisch konzernrechtlichen Risiken ausgesetzt. Seit dem „Bremer Vulkan“-Urteil des BGH vom 17.9.2001 (DB 2001, 2338) ist die Haftung eines die GmbH beherrschenden Alleingesellschafters auf die Erhaltung des Stammkapitals und schuldhafte Eingriffe in den Bestandsschutz der GmbH beschränkt. Zum Teil wird die Ablehnung des ADAC-Urteils auch damit begründet, dass es auf die Interessen der Vereinsmitglieder keine Rücksicht nehme. Die mitgliederschützenden Vorschriften des BGB seien nur schwach ausgeprägt. Deshalb müsse die unternehmerische Betätigung der Tochtergesellschaft dem Verein als eigene zugerechnet werden.

Erneute Überprüfung des ADAC-Urteils in Sicht

Dem Vernehmen nach kommt das ADAC-Modell erneut auf den vereinsrechtlichen Prüfstand. Seit dem 22. Januar dieses Jahres soll beim Registergericht München eine Prüfung des Vereinsstatus eingeleitet worden sein. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der ADAC zu Unrecht im Vereinsregister steht, könnte er aus dem Vereinsregister gelöscht werden und damit seine Rechtsfähigkeit verlieren. Wie es danach weitergehen könnte, ist derzeit offen. Wahrscheinlich würde der ADAC gegen eine Streichung aus dem Register durch alle Instanzen bis zum Bundesgerichtshof klagen. Die Bundesrichter würden dann zu entscheiden haben, ob sie noch an dem ADAC-Urteil aus 1982 festhalten wollen. Eine Änderung der Rechtsprechung erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen.

Auswirkungen auf die Verbandslandschaft

Sollte das alte ADAC-Urteil Bestand haben, ergeben sich keine Auswirkungen auf Verbände mit ihren Service-GmbHs. Anders jedoch, wenn die Rechtsprechung „kippen“ sollte. Denkbar ist, dass das ADAC-Urteil in gewisser Weise modifiziert wird, beispielsweise im Hinblick auf den Geschäftsumfang der Tochter-Kapitalgesellschaften. So wurde bereits vorgeschlagen, eine Differenzierung in kleine, mittelgroße und große Kapitalgesellschaften vorzunehmen, etwa in der Weise, dass das Halten kleiner Beteiligungen dem Vereinsrechtsstatus des Anteilseigners noch nicht schadet.

Ob der BGH solchen Überlegungen folgen könnte, ist derzeit nicht abzusehen. Alle Verbände, die über eine Service-GmbH verfügen, sollten den Fortgang der ADAC-Affäre auch im eigenen Interesse weiterverfolgen. Es könnte ja sein, dass bestehende Verbands-/Service-GmbH-Konstellationen in absehbarer Zeit einmal umgestaltet werden müssten.

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Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.

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