Verbändereport AUSGABE 6 / 2006

Ambush-Marketing

Bedrohung für das Sponsoring von Verbänden und anderen NPO?

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Im Vorfeld der WM 2006 machte ein Begriff die Runde, der werbliche Trittbrettfahrer in die Schranken verweisen sollte: das Ambush-Marketing. Darunter versteht man werbliche Bezugnahmen auf solche Großereignisse, ohne dass der Werbende sich an deren Kosten mit Sponsorengeldern oder ähnlichen Werbeverträgen beteiligt. Das Wort stammt aus dem Englischen, wo es ‚Hinterhalt’ bedeutet.

Mit drei Millionen Besuchern und 30 Milliarden Fernsehzuschauern weltweit war die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland das Top-Ereignis des Jahres 2006. Da das eigene Budget zur Finanzierung eines solch großen Events heute in der Regel nicht ausreicht, sind Verbände und andere Nonprofit-Organisation auf die Akquisition finanzstarker externer Partner angewiesen. Für die veranstaltenden Organisationen stellt daher die möglichst attraktive Vermarktung der von ihnen ausgerichteten Veranstaltungen eine der zentralen Zielsetzungen dar. Im Gegenzug werden den Sponsoren Möglichkeiten zur kommunikativen Nutzung des Anlasses für ihre Unternehmen und Marken eingeräumt, die positive Assoziation zu dem Ereignis wecken. Lässt sich diese einzigartige Assoziation und infolgedessen der kommunikative Erfolg des Sponsoringengagements aufgrund von Ambush-Marketing nicht garantieren, verlieren die Sponsorships unweigerlich an Wert. Die Konsequenz kann ein Rückzug der Unternehmen aus den Sponsorships oder zumindest die Forderung nach einer Senkung der Sponsoringgebühren sein, so dass die finanzielle Basis für die veranstaltenden Organisationen in Gefahr gerät.

In den letzten zwei Jahrzehnten mündeten gesättigte Märkte sowie eine zunehmende Produkthomogenität in das Erfordernis einer emotionalen Produktdifferenzierung durch Kommunikationspolitik. Eine Vielzahl von Unternehmen nutzen seither speziell die Möglichkeiten des Sponsoring, um spezifische Ziele der Unternehmenskommunikation zu realisieren (zum Beispiel Aufbau angestrebter Imagewerte, Ansprache ausgewählter Zielgruppen) und um der festzustellenden Reaktanz gegenüber klassischer Mediawerbung auszuweichen. Ungefähr 75 bis 80 Prozent des gesamten Sponsoringvolumens fließt dabei in den Sport, so dass das Sponsoring von Sportereignissen heute als Alltagserscheinung wahrgenommen wird.

Eine Abhebung von der Konkurrenz sowie die Realisierung einer „Unique Sponsoring Proposition“ (USP) durch klassische Sponsoringmaßnahmen wird jedoch immer problematischer. Insbesondere in äußerst kompetitiven Umfeldern wie den Olympischen Spielen, der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft oder der IAAF Leichtathletik-Weltmeisterschaft hat die starke Zunahme der Anzahl von Unternehmen und Marken im Sponsoring zur Folge, dass die einzelnen Sponsorships zwangsläufig an kommunikativem Wert verlieren. Die steigende Wettbewerbsintensität auf dem Sponsoringmarkt führt gleichzeitig zu einem Anstieg der Preise für Sponsorships in bedeutendem Umfang und hat zur Folge, dass nicht mehr für alle am Ereignis interessierten Unternehmen ein offizielles Sponsoringengagements finanzierbar ist.

Schließlich nimmt die Gestaltung der Sponsoringregelungen, die eigentlich dem Schutz der Rechte offizieller Sponsoren dienen (zum Beispiel Garantie der Branchenexklusivität), oftmals Konkurrenten jegliche Möglichkeit, legitim im Rahmen des Events mit der Zielgruppe in Kontakt zu treten und provoziert somit geradezu Aktivitäten des Ambush-Marketing. So wird den Fans bei der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006 die Exklusivität der erworbenen Rechte schon bei der Bestellung der Eintrittskarten vor Augen geführt: Eine Zahlung per Kreditkarte ist nur mit dem Produkt des offiziellen FIFA-Sponsors Mastercard möglich.

Begriff und Merkmale des Ambush-Marketing

„Ambush“ bedeutet Hinterhalt; in der Literatur wird Ambush-Marketing häufig synonym mit Begriffen wie „Trittbrettfahren“, „parasitäres Marketing“ oder „Schmarotzer-Marketing“ verwendet. Eine frühe wissenschaftliche Definition stammt von McKelvey (1994, S. 20), der das Phänomen umschreibt als: „… a company‘s intentional effort to weaken or ambush its competitor‘s official sponsorship. It does this by engaging in promotions or advertising that trade off the event or property‘s goodwill and reputation, and that seek to confuse the buying public as to which company really holds official sponsoring rights …“. Von Bortoluzzi Dubach/Frey (2002, S. 149) stammt eine der wenigen deutschsprachigen Definitionen des Begriffs. Sie beschreiben Ambush-Marketing als „… das ‚unerlaubte Trittbrettfahren’, bei dem ein Außenseiter von einem Anlass profitiert, ohne selbst Sponsor zu sein“. Nufer (2005, S. 211) verwendet für seine Ausführungen über Ambush-Marketing schließlich folgende Arbeitsdefinition: „Ambush-Marketing ist eine Vorgehensweise von Unternehmen, die keine legalisierten oder lediglich unterprivilegierte Vermarktungsrechte an einer gesponserten Veranstaltung besitzen, aber trotzdem dem direkten und indirekten Publikum durch ihre Kommunikationsmaßnahmen eine autorisierte Verbindung zu diesem Event signalisieren.“

Es wird deutlich, dass die Ziele des Ambushers weitgehend deckungsgleich mit den Zielen eines offiziellen Sponsors sind. Für die Unternehmen steht die Stabilisierung und Erhöhung des Bekanntheitsgrades im Mittelpunkt der Aktivitäten sowie der Aufbau und Verbesserung eines bestimmten Unternehmens- und Markenimages durch den Transfer spezieller Imagedimensionen von der Veranstaltung auf das Unternehmen und seine Marken. Darüber hinaus lässt sich durch ein vermeintliches Sponsorship gesellschaftliche Verantwortung demonstrieren und Goodwill für das Unternehmen schaffen. Neben diesen psychologischen Zielen können über Ambush-Marketing auch ökonomische Ziele, wie die Steigerung von Absatz und Umsatz, verfolgt werden. Im Vergleich zum Sponsoring kann der Ambusher zur Realisierung seiner Ziele allerdings mit einem erheblich reduzierten finanziellen und personellen Aufwand rechnen, da er entweder keine oder sehr viel geringere Sponsoringgebühren entrichtet. Jedoch ist die Erreichung der Sponsoringziele bei der Kontaktpflege mit bedeutenden Zielgruppen des Unternehmens sowie bei der Erhöhung der Mitarbeiteridentifikation eingeschränkt.

Zusammenfassend können die wesentlichen Merkmale des Ambush-Marketing folgendermaßen beschrieben werden:

Ambush-Marketing strebt eine bewusste und geplante Assoziation mit einem bestimmten Sponsoringsubjekt (zum Beispiel Sportevent) ohne Übernahme eines offiziellen Sponsorships an. Die Unternehmen und Marken der Ambusher und Sponsoren sind in der Regel Branchenkonkurrenten. Es erfolgt eine Irreführung der Zielgruppe eines Sportevents im Hinblick auf die Verbindung zwischen Sponsoringsubjekt und dem Sponsor oder Ambusher. Die Praktiken des Ambush-Marketing bewirken eine Verschiebung der Aufmerksamkeit zwischen dem offiziellen Sponsor und dem Ambusher.

Die angestrebten Imagedimensionen werden durch diesen letztgenannten Sachverhalt nicht auf den Sponsor, sondern den Ambusher übertragen. Dadurch hat Ambush-Marketing eine Schwächung der kommunikativen Wirkung des offiziellen Sponsorships zur Folge. Diese Annahmen bestätigten sich beispielsweise im Rahmen einer empirischen Untersuchung anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich. Dort wurde die gestützte Erinnerungswirkung 14- bis 18-jähriger Jugendlicher an offizielle Hauptsponsoren ermittelt (vgl. Tabelle 1). Der hohe Aided-Recall-Wert des Nicht-Sponsors Nike kann bei dieser Untersuchung beispielsweise zu einem grossen Teil als Resultat seiner Ambush-Marketing-Aktivitäten und seiner intensiv kommunizierten Kooperation mit der brasilianischen Nationalmannschaft interpretiert werden.

Untersuchungen dieser Art sind allerdings in ihrer Aussagekraft insbesondere dann eingeschränkt, wenn der Marktführer als Ambusher auftritt: Unabhängig vom Ambush-Marketing konnte in Befragungen die Tendenz festgestellt werden, dass Konsumenten den Marktführer oftmals als Sponsor identifizieren, selbst wenn dieser in keiner Weise im Rahmen eines Events werblich aufgetreten ist.

Erscheinungsformen des Ambush-Marketing

Zur Generierung von kommunikativer Wirkung führen die Ambusher vielfältige und kreative Maßnahmen durch. Im Wesentlichen lassen sich folgende Erscheinungsformen des Ambush-Marketing unterscheiden:

Ambush-Marketing im Rahmen einer Subkategorie eines Sport-events

Diese Form des Ambush-Marketing resultiert aus der oftmals vorhandenen Komplexität der unterschiedlichen Sponsoringebenen und -kategorien. Durch eine Überinterpretation der eingeräumten Sponsoringrechte einer preiswerteren untergeordneten Kategorie gewinnen die Ambusher die Aufmerksamkeit der Zuschauer in der Art und Weise, dass sie mit einem direkten Branchenkonkurrenten in der ersten Sponsorenreihe gleichgestellt werden. Dies zeigt das Beispiel des Zustellunternehmens UPS, das seit Jahren zu den Top-Partnern der Olympischen Spiele zählt, in Sydney jedoch machtlos war, als die Eintrittskarten vom Konkurrenzunternehmen TNT verteilt wurden — mit dem Ergebnis, dass ein Großteil der Bevölkerung TNT mit den Olympischen Spielen in Verbindung brachte. Andere Beispiele finden sich in der Ausrüstung einzelner Sportler durch Unternehmen, die nicht zu den offiziellen Sponsoren zählen; beispielsweise bescherte Ausstatter Nike bei den Olympischen Winterspielen in Nagano das Sponsoring eines zwar sportlich hoffnungslos unterlegenen schwarzafrikanischen Ski-Langläufers dennoch zahlreiche Fernseheinblendungen: Dem vermeintlichen „Exoten“ in dieser Sportart war die Medienaufmerksamkeit gewiss.

Ambush-Marketing durch Verdeckung der Markenzeichen von Sponsoren

Ambusher können die Unternehmens- oder Markenlogos offizieller Sponsoren „blockieren“ (lassen), in dem sie deren Logos verdecken und gegebenenfalls stattdessen ihr eigenes Logo in den Mittelpunkt stellen. So verdeckte der australische Schwimm-Star Ian Thorpe, der persönlich von adidas gesponsert wurde, bei einer Medaillen-Verleihung mit einem Handtuch das Logo von Nike, dem offiziellen Ausrüster des australisch Teams, auf seiner Kleidung. Der Hundertmeter-Sprinter Linford Christie erhielt 1996 angeblich eine Million Pfund vom Sportartikelhersteller Puma allein dafür, das er in Pressekonferenzen mit Kontaktlinsen auftrat, die unübersehbar das Puma-Logo zeigten.

Ambush-Marketing durch Programmsponsoring

Die Übernahme des Programmsponsorings eines im Fernsehen übertragenen Sportereignisses lässt sich als Ambush-Marketing interpretieren, wenn der Programmsponsor Konkurrent eines offiziellen Sponsors ist. Zwar wird diese Erscheinungsform des Ambush-Marketing heutzutage in der Regel durch die Vergabe von Exklusivrechten verhindert, dennoch lassen sich Beispiele dafür benennen. Einer der wohl bekanntesten Fälle auf diesem Gebiet ereignete sich im Rahmen der Olympischen Sommerspiele 1984 in Los Angeles, als Fuji als offizieller Sponsor der Olympischen Spiele fungierte. Kodak war davon unbeeindruckt Programmsponsor der TV-Übertragung im US-Fernsehen. Ebenso geschah es bei der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft 2005 in Oberstdorf, als die Erdinger Brauerei Programmsponsor bei ARD und ZDF war und die Brauerei Hasseröder Sponsor der WM selbst.

Ambush-Marketing durch Media- und Außenwerbung

Die zuvor dargestellten Beispiele des Programmsponsoring zeigen, dass sich die Maßnahmen des Ambush-Marketing nicht auf das Sportevent räumlich beschränken, sondern auch im Rahmen der Media- und Außenwerbung im Umfeld der Veranstaltung zum Einsatz kommen. Unternehmen nehmen dabei mittels themenbezogener Werbung in ihren Werbekampagnen indirekt auf ein Sportereignis Bezug. Beispielswiese schaltete die Brauerei Warsteiner, die nicht zum Kreis der offiziellen Sponsoren der Fußball-Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich gehörte, Anzeigen, in denen mehrfach das Thema „WM“ aufgegriffen wurde und „König Fußball“ regierte. Durch solche Andeutungen in der TV-Werbung lassen sich Assoziationen zu einem aktuellen Event wecken, wie dies auch das Kreditkartenunternehmen American Express im Vorfeld der Olympischen Winterspiele 1994 in Lillehammer erreichte, als es mit dem griffigen Slogan warb: „If your’re travelling to Norway this winter, you’ll need a passport but — you don’t need a Visa.“ Als Konsequenz waren 66 Prozent der befragten Konsumenten überzeugt, American Express gehöre zu den offiziellen Sponsoren, obwohl dies das Konkurrenzunternehmen Visa war. In ähnlicher Form kann Ambush-Marketing auch in der Außenwerbung beobachtet werden, beispielsweise bei den Olympischen Sommerspielen 2004 in Athen, als eine griechische Telefongesellschaft, deren Konkurrent nationaler Olympia-Sponsor war, großflächig auf sieben nicht zu übersehenden Fähren im Hafen von Piräus warb. Ebenfalls zu den Olympischen Sommerspielen 2004 in Athen ordnete der Zigarettenhersteller BAT auf einem Plakat fünf Zigarettenschachteln mit jeweils einem Ring so geschickt an, dass es den Anschein hatte, als ob es sich im Zusammenspiel um die Olympischen Ringe handelte.

Zusammenfassend lassen sich zur Systematisierung der unterschiedlichen Erscheinungsformen des Ambush-Marketing zwei Kriterien heranziehen (vgl. Tabelle 2): Zum einen lassen sich die Maßnahmen danach kategorisieren, ob sie räumlich auf das Sportereignisses beschränkt sind oder im Umfeld der Veranstaltung durchgeführt werden. Zum anderen ist zu differenzieren, ob die Maßnahmen rechtlich-gesetzlich bewertet werden können oder eher nur eine ethisch-moralische Bewertung erfolgen kann.

Bewertung und Abwehr des Ambush-Marketings

Nicht nur für die Sponsoren, sondern auch für die veranstaltenden Verbände und Organisationen ist eine rechtliche Absicherung der Sponsorships von entscheidender Bedeutung. Deshalb beschäftigen sich Abteilungen der Veranstalterorganisationen, wie die FIFA Marketing AG, fast ausschließlich mit dem Schutz ihrer offiziellen Partner vor dem Ambush-Marketing durch eigens entworfene weltweite Rechtschutzprogramme. Allerdings bewegen sich die Erscheinungsformen des Ambush-Marketings oft in einer rechtlichen „Grauzone“. Nicht alle Maßnahmen können pauschal als widerrechtlich qualifiziert werden. Die Grenzen zwischen erlaubtem und nicht erlaubtem sowie fairem und unfairem Wettbewerb sind fließend. Deshalb sind bei einer Bewertung des Ambush-Marketing sowohl rechtlich-gesetzliche auch als ethisch-moralische Maßstäbe anzusetzen.

Bei einer kritischen Auseinandersetzung mit Ambush-Marketing aus rechtlicher Sicht sind neben dem Haus- und dem Persönlichkeitsrecht vor allem folgende Ansatzpunkte in Betracht zu ziehen: Das Markenrecht und die Bestimmungen spezieller Events ermöglichen der veranstaltenden Organisation im Rahmen von urheberrechtlichen Schutzbestimmungen geistigen Eigentums einen Schutz von Marken, Logos, Signets und Symbolen von Veranstaltungen; so hat sich die FIFA im Rahmen eines umfassenden Schutzprogramms für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 weltweit zahlreiche Marken schützen lassen und den gewerblichen Gebrauch der offiziellen Marken laut den „Richtlinien zur Verwendung der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM-Marken“ ausdrücklich sich sowie ihren Veranstaltungspartnern vorbehalten. Problematisch ist, dass einige Begriffe oder Symbole nicht ohne weiteres schutzfähig sind, weil ihnen Unterscheidungskraft abgesprochen wird oder weil ein Freihaltebedürfnis vorliegt.

Sofern keine Markenrechtsverletzung vorliegt, kommt eine Analyse nach dem Wettbewerbsrecht in Frage. Unter dem Aspekt der Werbebehinderung oder der Ausnutzung fremder Werbung kann eine Maßnahme des Ambush-Marketings unter Umständen eine sittenwidrige Wettbewerbshandlung darstellen. Bei Irreführung der Konsumenten können zudem Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden, weil etwa der Eindruck erweckt wird, der Werbetreibende sei ein offizieller Partner der Veranstaltung. Allerdings muss hier jeweils eine sehr genaue Prüfung des Einzelfalls erfolgen. Insbesondere ist die Absicht der Irreführung zunächst zu beweisen. Entsprechende Fälle sind international vereinzelt bereits Gegenstand der Rechtsprechung geworden. In Kanada klagte beispielsweie die National Hockey League (NHL), die Coca Cola eine Lizenz zu Verwendung der Mannschaftsnamen erteilt hatte, gegen Pepsi, die die Sponsorenrechte an der Fernsehübertragung erworben hatte und damit auch auf ihren Produkten warb. Da allerdings Pepsi einen „Disclaimer“ auf ihren Produkten angebracht hatte, dass sie nicht offizieller Sponsor der NHL waren, wies das Gericht die Klage ab.

Die rechtliche Bewertung des Ambush-Marketings wird zudem durch eine starke Ausdifferenzierung der Sponsoringkategorien erschwert. Dies müsste bei einer kontrollierten Koordination der Sponsoringrechte per se kein Ambush-Marketing provozieren. Die Rechte werden jedoch von unterschiedlichen Parteien gehalten oder von diesen wiederum weiter veräußert. Konflikte zwischen Unternehmen, die jeweils ein spezielles, an sich legitimes Sponsoringrecht erworben haben, sind somit kaum vermeidbar. Dies lässt sich beispielsweise an der Automobilkategorie der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland illustrieren. Der offizielle Sponsor der FIFA ist der koreanische Automobilhersteller Hyundai, während der offizielle Sponsor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Mercedes Benz ist. Diese Automobilmarke wird bei den Pressekonferenzen der deutschen Nationalmannschaft sichtbar. Schließlich erwartet Audi, als persönlicher Werbepartner des Präsidenten des Organisationskomitees der WM, Franz Beckenbauer, dass dieser Audi im Umfeld der WM positioniert.

Neben einer rechtlich-gesetzlichen Bewertung lässt sich auch eine Diskussion um die ethisch-moralische Korrektheit beziehungsweise Inkorrektheit des Ambush-Marketings führen. Für eine ethisch-moralische Bewertung können verschiedene Ethikprinzipien herangezogen werden. Nach dem Utilitarismus wird beispielsweise eine Entscheidung als ethisch korrekt beurteilt, wenn sie für die Mehrheit der Beteiligten den Gesamtnutzen erhöht. Dieser Perspektive folgend kann Ambush-Marketing als ethisch-moralisch korrekt eingestuft werden, da neben den offiziellen Sponsoren auch die Ambusher die Sponsoringrechte nutzen. Anders als im Utilitarismus sind im Rahmen der so genannten Pflichtethik nicht die Konsequenzen der Handlungen des Ambushers entscheidend, sondern seine Absichten. Wird die Absicht verfolgt, die Zuschauer eines Events bezüglich der Sponsoren in die Irre zu führen, ist dieses Verhalten als unethisch zu qualifizieren. Beruft sich der Ambusher jedoch auf seine Pflicht, zugunsten der Stakeholder Wettbewerbsvorteile zu generieren und den Gewinn zu maximieren, ist das Verhalten wiederum als angemessen zu bewerten.

Wie diese Ausführungen zeigen, kann eine abschließende Be- respektive Verurteilung des Ambush-Marketings nicht generell vorgenommen werden. Die nachfolgend aufgeführten Ansatzpunkte zur Abwehr von Ambush-Marketing beziehen sich daher in erster Linie auf die Prävention von Ambush-Marketing:

Aufgrund der dargestellten Komplexität der Sponsoringrechte sind eine Strukturierung der Sponsoringrechte und eindeutige Verträge mit den beteiligten Sponsoren, Sportlern und deren Verbände notwendig, die dann beispielsweise auch die Ausrüstung und Kleidung des Gesponsorten regeln oder die Verpflichtung zur öffentlichen Verwendung bestimmter Produkte der Sponsoren beinhalten.

Die veranstaltenden Verbände und Organisationen haben zudem sicher zu stellen, dass die Sponsoren ein „sauberes“ Umfeld des Sportevents vorfinden, das nicht von den kommunikativen Aktivitäten der Sponsoren ablenkt. Wie zahlreiche Ambush-Marketing-Beispiele zeigen, muss das Monitoring des Sportereignisses dabei sowohl die Kontrolle der unmittelbaren Umgebung eines Sportevents betreffen (innerhalb eines Stadions zumeist öffentliche Bereiche, VIP-Lounges, Banden), als auch das weitere Umfeld, worin insbesondere bei Veranstaltungen wie Marathons oder Segelregatten die Herausforderung liegt. Dies zeigt ein Beispiel des New York Marathons im Jahre 1997, als zahlreiche Flugzeuge das Wort „Mercedes“ in den Himmel „schrieben“ und deshalb ein Großteil der Zuschauer an eine Verbindung zwischen dem deutschen Autohersteller und dem Event dachte. Tatsächlich wurde der Marathon aber von Toyota unterstützt. Um ein „sauberes Umfeld“ zu garantieren, wurden daher beispielsweise im Vorfeld der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2002 so genannte Anti-Counterfeiting Commitees (ACC) aus Vertretern der FIFA, des nationalen Organisationskomitees sowie der Regierung gebildet. Die FIFA investierte dabei insgesamt 14 Millionen CHF (etwa 9,2 Millionen Euro), um gegen die illegale Verwendung der Markenrechte bei Produkten und Werbung vorzugehen und beschlagnahmte über drei Millionen Artikel im Umfeld der Fußball-Weltmeisterschaft. Eine solch umfassende Abwehr der Erscheinungsformen des Ambush-Marketings wird für viele Verbände und Organisationen auf nationaler Ebene jedoch durch finanzielle Grenzen stark erschwert.

Schließlich sind die veranstaltenden Verbände und Organisationen dazu aufgefordert, durch umfassende Öffentlichkeitsarbeit deutlich auf die Stellung von Sponsoren hinzuweisen, um dadurch die Wirkung von Ambush-Marketing zu schmälern. Dies ist vor allem deshalb notwendig, da sich ein großes Maß an Unwissenheit unter den Zuschauern von Sportevents bezüglich der Rechte und Pflichten offizieller Sponsoren feststellen lässt. So zeigte sich in einer Befragung unter 486 Super-Bowl-Interessierten in den USA im Jahr 1998, dass über 40 Prozent der Befragten inkorrekter Weise davon ausgingen, dass Unternehmen, die während des Super Bowls TV-Werbung schalteten, offizielle Sponsoren des Events seien. Unter diesen Bedingungen sind die Versuche der „Irreführung“ durch die Ambusher erfolgreich und es ist nicht mit einer Verurteilung der Ambusher durch die Zuschauer — und infolgedessen negative Imageauswirkungen — zu rechnen.

Zusammenfassung und Ausblick

Ambush-Marketing ist ein relativ neues Phänomen innerhalb des Sponsoring. Es ist dabei schon längst kein rein amerikanisches Problem mehr, sondern überall dort zu erwarten, wo große Sponsoringereignisse stattfinden. Die rechtlich-gesetzlich und moralisch-ethische Grauzone, in der sich Ambush-Marketing bewegt, bereitet den veranstaltenden Verbänden und Organisationen große Probleme, weshalb sie in letzter Zeit ihr Engagement mit einer „eigenen Gesetzgebung“ zu verknüpfen versuchen. So verabschiedet die deutsche Legislative exklusiv ein Gesetz zum Schutz der olympischen Symbole und Bezeichnungen, nur um der damaligen Bewerberstadt Leipzig überhaupt die Möglichkeit zu geben, die Olympischen Spiele im Jahre 2012 ausrichten zu dürfen. Andere Veranstalter können nicht auf eine Unterstützung des Gesetzgebers hoffen und müssen sich daher in anderer Form behelfen. Insbesondere in Verbänden und Organisationen im deutschsprachigen Raum stecken Maßnahmen zur Abwehr von Ambush-Marketing allerdings noch in den Anfängen und sind in Kooperation mit Sponsoren, Medienpartnern sowie den Austragungsstädten von Events zu professionalisieren.

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Autor/in

Marcus Stumpf

ist Professor für Betriebswirtschaft an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management sowie Vorstandsmitglied des Deutschen Institutes für Vereine und Verbände e. V. (DIVV). Der Verbandsexperte verantwortete u. a. jahrelang als Geschäftsführer die Markenführung und Vermarktung des zweitgrößten deutschen Sportverbandes. Heute ist er zudem als geschäftsführender Gesellschafter der Verbandsberatung relatio GmbH tätig.

https://www.divv.de

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