Verbändereport AUSGABE 2 / 1998

Besprechung des Bundesfinanzgerichtsbeschlusses vom 4.5.1998 (Aktenzeichen I B 116/96 – BFH/NV 1998, S. 14 und 60)

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Die Steuerhaftung des Verbandsvorstandes ist ein Problem, das an die persönliche Existenz gehen kann. Vereinsvorstände begegnen steuerlichen Fragen des Verbandes häufig mit einer gewissen Nonchalance. Maßgeblich dafür ist der weitverbreitete Irrtum, die Haftung des Verbandes sei auf das Verbandsvermögen beschränkt, Haftungserstreckungen auf die persönliche Vermögenssphäre der Verbandsmitglieder seien daher ausgeschlossen. Dabei werden die spezifischen steuerrechtlichen Haftungsvorschriften jedoch völlig übersehen. Die Finanzämter machen von den ihnen gegebenen Möglichkeiten der Inhaftungsnahme von Vorständen inzwischen Gebrauch. Die persönliches Konsequenzen für die Verbandsvorstände können im Einzelfall verheerend sein. Das illustriert ein unlängst vom Bundesfinanzhof entschiedener Fall.

Das Urteil - I. Sachverhalt

Im Streitfall setzte das Finanzamt (FA) gegen einen gemeinnützigen Verein Steuern durch bestandskräftige Steuerbescheide fest. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Verein noch über erhebliche Mittel, die er jedoch anderweitig ausgab. Da der Verein, als die Steuerbescheide vollstreckt werden sollten, inzwischen vermögenslos geworden war, nahm das Finanzamt mehrere Vereinsvorstände – darunter auch den Kläger – wegen der Steuerschuld des Vereins in Höhe von rund 88.000 Mark per Haftungsbescheid persönlich in Anspruch. Das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids. Dieser Antrag blieb in allen Instanzen erfolglos.

II. Entscheidungsgründe

Der Bundesfinanzhof hat in seinen Gründen unter anderem festgestellt: Für die Haftung des Klägers ist unerheblich, daß er nach der mündlich vereinbarten Aufgabenverteilung im Vorstand des Vereins nicht für die steuerlichen Angelegenheiten des Vereins zuständig war. Gemäß § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) haben die gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person deren steuerliche Pflichten zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen, daß die Steuern aus den von ihnen verwalteten Mitteln entrichtet werden. Die gesetzlichen Vertreter haften gemäß § 69 AO 1977, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Wird eine juristische Person – wie im Streitfall der Verein – von mehreren Personen gesetzlich vertreten, ist grundsätzlich jede von ihnen für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten verantwortlich. Durch eine interne Aufgabenverteilung kann diese Verantwortlichkeit zwar nicht völlig aufgehoben, aber begrenzt werden. Die Begrenzung, die sich auch auf die Haftung auswirkt, setzt jedoch voraus, daß von vornherein klar und eindeutig – und somit schriftlich – festgelegt worden ist, welcher der gesetzlichen Vertreter für welche Aufgabe zuständig ist (BFH-Entscheidungen vom 26. April 1984 (V R 128/79, BFHE 141, S. 443, BStBl II 1984, S. 776); vom 4. März 1986 (VII S 33/85, BFHE 146, S. 23, BStBl II 1986, S. 384); Klein/Rösken, Abgabenordnung, 6. Auflage, 1988, § 34 Anm. 2 m.w.N., § 69 Anm. 5).

Die Begrenzung gilt allerdings nur insoweit und nur solange, als kein Anlaß besteht, an der ordnungsgemäßen Erfüllung der steuerlichen Pflichten durch den zuständigen gesetzlichen Vertreter zu zweifeln (BFH-Beschluß in BFHE 146, S. 23).

Werden Geschäfte des laufenden Geschäftsverkehrs, die für die juristische Person nicht von existenzieller Bedeutung sind, regelmäßig von einem der gesetzlichen Vertreter wahrgenommen, dürfen sich die anderen gesetzlichen Vertreter ohne schriftliche Aufgabenverteilung auf die ordnungsgemäße Wahrnehmung nur dann verlassen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

Der die Aufgabe wahrnehmende gesetzliche Vertreter muß persönlich vertrauenswürdig sein. Der ihm vertrauende andere gesetzliche Vertreter muß generelle Kenntnis davon haben, daß die Geschäftsführung ordnungsgemäß wahrgenommen wird.

Es muß gewährleistet sein, daß die Geschäfte die Grenzen des laufenden Geschäftsverkehrs nicht überschreiten und daß bei einer auch nur entfernt zu befürchtenden Gefährdung der Liquidität oder des Vermögens der juristischen Person alle gesetzlichen Vertreter unverzüglich unterrichtet werden (vgl. die BFH-Entscheidungen in BFHE 141, S. 443, BFHE 146, S. 23 und BFH-Urteil vom 13. Januar 1997 (VII R 86/85, BFH-NV 1987, S. 550)).

Im Streitfall waren die Voraussetzungen für eine Begrenzung der Verantwortlichkeit des Klägers nicht erfüllt. Der Vorstand des Vereins hatte die interne Aufgabenverteilung nicht schriftlich festgelegt. Die Steuerangelegenheiten des Vereins waren für den Vereinsvorstand keine laufenden Geschäftsvorfälle. Da der Verein die Steuerbefreiungen wegen Gemeinnützigkeit beanspruchte und Rechtsstreite wegen der Versagung der Gemeinnützigkeit führte, waren die Steuerangelegenheiten für den Verein außergewöhnliche Vorgänge.

Fehler in diesem Bereich, insbesondere die nicht rechtzeitige Ansammlung von Mitteln für die Bezahlung der Steuern im Fall eines für den Verein ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits, konnten zudem die Existenz des Vereins gefährden.

Der Kläger handelte zumindest grobfahrlässig, als er es als Mitglied des Vereinsvorstandes unterließ, vorsorglich Mittel zur Bezahlung der Steuern für den Fall zurückzulegen, daß die Rechtsbehelfe des Vereins gegen die Steuerbescheide ganz oder teilweise erfolglos blieben.

Grobfahrlässig im Sinne des § 69 AO 1977 handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohem Maße außer acht läßt (BFH-Urteil vom 21. Februar 1989 (VII R 165/85, BFHE 156, S. 46, BStBl II 1989, S. 491); Klein-Rösken, a.a.O., § 69 Anm. 7 m.w.N.). Daß das Finanzamt die Vollziehung der Bescheide teilweise ausgesetzt und die Steuerberaterin des Vereins einen Erfolg der Rechtsbehelfe vorausgesagt hatte, schließt ein grobfahrlässiges Verhalten des Klägers nicht aus. Die Aussetzung der Vollziehung ließ zwar den Schluß zu, auch das Finanzamt habe Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Solange das Finanzamt es aber ablehnte, die Bescheide ersatzlos aufzuheben, mußten alle Mitglieder des Vereinsvorstandes mit einem negativen Ausgang der Rechtsbehelfsverfahren rechnen und Vorsorge für die rechtzeitige Bezahlung der dann fällig werdenden Steuern und steuerlichen Nebenleistungen treffen. Die Einschätzung der Erfolgsaussicht der Rechtsbehelfe durch die Steuerberaterin änderte daran nichts. Es handelte sich um eine Prognose, die einen für den Verein negativen Ausgang der Rechtsstreite nicht ausschloß.

Dies war für den Vereinsvorstand auch erkennbar. Die Steuerberaterin hatte dem Verein gegenüber keine Garantie für einen positiven Ausgang der Rechtsstreite übernommen. Wenn sich der Kläger dennoch der Erkenntnis verschloß, daß die Rechtsstreite ganz oder teilweise zum Nachteil des Vereins ausgehen konnten und dann die Steuern und steuerlichen Nebenleistungen zu zahlen waren, ließ er in ungewöhnlich hohem Maße die Sorgfalt außer acht, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen verpflichtet und imstande war. Zu Recht wirft ihm das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung vor, er habe sich ebenso wie die anderen beiden Vorstandsmitglieder überhaupt nicht um die steuerlichen Zahlungsverpflichtungen gekümmert und sich darauf verlassen, daß das Finanzamt dem Verein die Steuern erlassen werde, wenn der Verein nicht mehr zahlen könne.

Die Behauptung des Klägers, der Verein habe ohne Gefährdung seiner Existenz keine Rücklagen für die Bezahlung der Steuern bilden können, wird durch die Feststellungen des Finanzgerichts und die Angaben in der Einspruchsentscheidung widerlegt. Danach erzielte der Verein in den Jahren 1991 und 1992 Einnahmen in Höhe von insgesamt rund 108.000 Mark. Die Ausgaben für Spenden, Spesen, gesellige Veranstaltungen, Bewirtungen, steuerlich nicht abzugsfähige Aufwendungen, Ehrenmitglieder und Reisekostenentschädigungen für die aktiven Mitglieder betrugen in beiden Jahren insgesamt rund 61.000 Mark.

Daß der Verein in Existenznot geraten wäre, wenn er diese Ausgaben weitgehend unterlassen und stattdessen die Mittel für die Zahlung der Steuerschulden verwendet oder zurückgelegt hätte, ist nicht ersichtlich. Ohne eine Erstattung der den aktiven Mitgliedern durch eine Reise nach Spanien entstandenen Reisekosten (30.407 Mark im Jahr 1992) wären die Mitglieder zwar möglicherweise künftig nicht mehr zu Auftritten im Ausland bereit gewesen. Daß Auslandsreisen für den Verein existenznotwendig waren, ist aber nicht erkennbar. Dagegen spricht bereits, daß sie nicht in jedem Jahr stattfanden. Zudem hätte der Verein nach Bezahlung der Steuerschulden die Kosten künftiger Auslandsreisen wieder erstatten können. Daß der Kläger und die anderen Mitgliedes des Vereinsvorstandes nicht einmal zu einer nur kurzfristigen Änderung des Ausgabeverhaltens des Vereins bereit waren, um die 1991 zum Teil bereits bestandskräftig festgesetzten Steuern zu bezahlen oder Rücklagen für die Steuerzahlungen zu bilden, macht ihre zumindest grobfahrlässige Pflichtverletzung augenfällig.

Durch eine vorsorgliche Ansammlung von Mitteln für die Bezahlung der Steuern und steuerlichen Nebenleistungen hätte der Verein entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegen § 58 Nr. 6 AO 1977 verstoßen und die beanspruchten Steuervergünstigungen gefährdet. Das Finanzamt hatte dem Verein die Steuervergünstigungen mit der Begründung versagt, er verfolge seiner Satzung nach ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke.

Selbst wenn sich diese Rechtsauffassung in den Rechtsstreiten des Vereins gegen das Finanzamt als falsch herausgestellt und eine Ansammlung der Mittel somit als unnötig erwiesen hätte, wären dem Verein aufgrund der Rücklagenbildung keine steuerrechtlichen Nachteile entstanden. Solange für den Vereinsvorstand unklar war, ob die Steuern gezahlt werden mußten, war die Bildung der Rücklage nicht nur erlaubt, sondern zur Sicherung der Existenz des Vereins und damit der nachhaltigen Erfüllung seiner in diesem Zusammenhang zu unterstellenden steuerbegünstigten und satzungsmäßigen Zwecke erforderlich.

Die Behauptung des Klägers, er habe aufgrund eines entschuldbaren Rechtsirrtums diese Rechtsfrage anders beurteilt und deshalb nicht für die Bildung einer Rücklage gesorgt, ist eine nachgeschobene Schutzbehauptung. Sie steht mit dem früheren und auch jetzt noch aufrechterhaltenen Vortrag des Klägers in Widerspruch, eine Rücklage sei nicht gebildet worden, da der Vereinsvorstand mit einem Erfolg der Klagen des Vereins gerechnet habe und Mittel zur Bildung einer Rücklage nicht vorhanden gewesen seien.

Bei Erlaß des Haftungsbescheides am 1. Dezember 1994 war der Haftungsanspruch jedenfalls insoweit noch nicht verjährt, als das Finanzgericht die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe abgelehnt hat. Der Kläger verwirklichte den die Haftung begründenden Tatbestand (§ 69 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO 1977), als er es unterließ, die nach 1989 fällig gewordenen Steueransprüche und Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen gegen den Verein zu erfüllen. Die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 191 Abs. 3 AO 1977) war insoweit im Dezember 1994 noch nicht abgelaufen. Unbeachtlich ist, daß Teile des Haftungstatbestandes vom Kläger möglicherweise bereits vor 1990 verwirklicht wurden. Entscheidend ist, daß der die Haftung begründende Tatbestand erst nach 1989 vollständig verwirklicht wurde, als die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht rechtzeitig bei Fälligkeit erfüllt wurden.

Auch das Verhalten des Finanzamtes vor und nach Erlaß des Haftungsbescheides vom 1. Dezember 1994 schließt die Haftung des Klägers nicht aus.

Daß das Finanzamt bereits vor 1994 mehrfach den Erlaß von Haftungsbescheiden erwogen und dann davon Abstand genommen hatte, ließ nicht den Schluß zu, es werde auch künftig keinen Haftungsbescheid erlassen. Das Finanzamt erließ seinerzeit nur deshalb zunächst keine Haftungsbescheide, weil es den Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens abwarten wollte. Das Finanzamt hat weder dem Kläger noch anderen Mitgliedern des Vereinsvorstandes gegenüber den Eindruck erweckt, es sehe die Voraussetzung einer Haftung nicht als gegeben an und werde daher wegen der seinerzeit noch streitigen Steueransprüche keine Haftungsbescheide erlassen.

Das Finanzamt trifft auch kein Mitverschulden daran, daß die Steuerschulden des Vereins bei diesem nur im geringen Umfang beigetrieben werden konnten. Es ist allein auf das Verhalten der für den Verein handelnden Personen zurückzuführen, daß die Vollstreckungsversuche des Finanzamtes in das Vermögen des Vereins weitgehend fruchtlos geblieben sind. Der Verein hat durch seine erfolgreichen Anträge auf Aussetzung der Vollziehung frühere Beitreibungen verhindert. Später haben die Mitglieder des Vereinsvorstandes – darunter auch der Kläger – einen Erfolg von Beitreibungsmaßnahmen dadurch vereitelt, daß sie die von ihnen verwalteten Mittel des Vereins nicht für die Zahlung der rückständigen Steuern und die Bildung einer Rücklage, sondern für andere Zwecke verwendeten.

Daß das Finanzamt im April 1995 die etwaigen Schadensersatzansprüche des Vereins gegen dessen Steuerberaterin gepfändet hat und einen Rechtsstreit gegen die Steuerberaterin wegen dieser Ansprüche führt, läßt die Haftung des Klägers nicht rückwirkend entfallen und macht den Haftungsbescheid selbst dann nicht teilweise rechtswidrig, wenn die Steuerberaterin aufgrund der Pfändung Zahlungen an das Finanzamt geleistet und sich dadurch die Steuerschuld des Vereins gemindert haben sollte (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1980 (VI R 136/77, BFHE 131, S. 449); Ehlers in: Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, vor §§ 69-77 AO 1977, Rz. 19f.).

III. Erläuterung der Entscheidung

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes verdeutlicht, daß die Mitglieder des Vorstandes eines Verbandes als dessen gesetzliche Vertreter dafür zu sorgen haben, daß die steuerlichen Pflichten des Verbandes erfüllt werden und der Verband seine Steuern rechtzeitig zahlt.

Geschieht dies nicht, so haften die Vorstandsmitglieder für die Steuerschulden des Verbandes persönlich und unbeschränkt, vorausgesetzt, sie verletzen ihre steuerlichen Pflichten vorsätzlich oder grobfahrlässig.

Grob fahrlässige Pflichtverletzung im Steuerrecht
Da eine vorsätzliche Pflichtverletzung durch die Vorstandsmitglieder in der Praxis meist auszuschließen ist, konzentriert sich die Haftungsproblematik in der Regel auf die Frage, ob das in Haftung genommene Vorstandsmitglied seine steuerlichen Pflichten in grobfahrlässiger Weise mißachtet hat. Bei dieser Problematik sollte ein Vereinsvorstand folgendes Gesichtspunkte besonders berücksichtigen:

Eine Funktionsteilung unter den Mitgliedern des Vorstandes in der Weise, daß die steuerliche Verantwortlichkeit nur einen der Vorstandsmitglieder trifft, ist nur in Ausnahmefällen steuerlich wirksam. Ein solcher Ausnahmefall kommt in Betracht, wenn eine solche Aufgabenteilung von vornherein klar und eindeutig in schriftlicher Weise fixiert ist. Hieran fehlt es in der Praxis meist.

Anforderungen an eine Funktionsteilung

Ist eine Funktionsteilung nur mündlich vereinbart, so ist sie steuerlich nur eingeschränkt unter folgenden Voraussetzungen wirksam:

    1. Das die steuerliche Aufgabe wahrnehmende Vorstandsmitglied muß persönlich vertrauenswürdig sein. Diese Voraussetzung wird in aller Regel erfüllt sein.
    2. Die anderen Vorstandsmitglieder müssen "generelle Kenntnis davon haben, daß die Geschäftsführung ordnungsgemäß wahrgenommen wird".
    3. Es muß gewährleistet sein, daß die wahrgenommenen Geschäfte sich auf Dinge des laufenden Geschäftsverkehrs beschränken. Steuerangelegenheiten eines Verbandes betrachtet der Bundesfinanzhof nicht als routinemäßige, laufende Geschäftsvorfälle.

Besteht auch nur die entfernte Möglichkeit, daß durch steuerliche Verpflichtungen die Liquidität oder das Vermögen des Verbandes gefährdet sind, muß das zuständige Vorstandsmitglied nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes die anderen Vorstandsmitglieder über die Situation unterrichten.

Geschieht dies nicht, sieht der Bundesfinanzhof allein in diesem Unterlassen bereits eine grobe Fahrlässigkeit, die eine Haftung begründet.

Ein Vorstandsmitglied, das sich überhaupt nicht um die steuerlichen Zahlungspflichten des Verbandes kümmert und darauf vertraut, das Finanzamt werde dem Verband bei Zahlungsunfähigkeit die Steuern erlassen, handelt nach der besprochenen BFH-Entscheidung grobfahrlässig.

Notwendigkeit, Rückstellungen zu bilden
Bemerkenswert an der BFH-Entscheidung ist ferner, daß der Verband Rückstellungen für eventuelle steuerliche Verpflichtungen bilden muß, wenn Streit über die Steuerpflicht besteht. Der Bundesfinanzhof bejaht die Rückstellungspflicht insbesondere auch bei gemeinnützigen Vereinen und sieht in diesem Zusammenhang die gesetzlichen Schranken für die Rückstellungsbildung (vgl. § 58 AO) als nicht relevant an.

Aussetzung der Vollziehung entlastet nicht

Nach der besprochenen BFH-Entscheidung ist eine grobe Fahrlässigkeit des Verbandsvorstandes selbst dann zu bejahen, wenn das Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides verfügt hat. Der Bundesfinanzhof steht auf dem Standpunkt, daß alle Vorstandsmitglieder mit der Möglichkeit eines negativen Ausgangs des Rechtsbehelfsverfahrens zu rechnen und deshalb Vorsorge für die rechtzeitige Bezahlung der dann fällig werdenden Steuern und steuerlichen Nebenabgaben zu treffen haben.

Kritische Einwände

Diese Auffassung des Bundesfinanzhofes ist außerordentlich weitgehend und gedanklich nicht unbedingt zwingend.

Wenn das Finanzamt selbst schon (durch die Aussetzung der Vollziehung) gewisse Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung zu erkennen gibt, erscheint es m.E. zu weitgehend, dem Vorstand grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen, wenn er keine entsprechende Vorsorge trifft.

Für die Praxis ist jedoch entscheidend, daß der Bundesfinanzhof diese Frage enger beurteilt; die Finanzgerichte werden dem Finanzhof darin voraussichtlich folgen. Daher ist jedem Vorstand vorsorglich zu empfehlen, sein Verhalten an der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes auszurichten, um einer persönlichen Haftungsinanspruchnahme von vornherein zu entgehen.

Der Streitfall gab allerdings besonderen Anlaß zur Annahme einer groben Fahrlässigkeit: Selbst als gegen den Verband bereits bestandskräftige Steuerbescheide vorlagen, veranstaltete der Verband noch aufwendige Veranstaltungen und Auslandsreisen, ohne sich um die Steuerfragen zu kümmern.

Für die Praxis bedeutsam ist ferner, daß die Haftung der Vorstände für Steuerschulden des Verbandes auch weit zurückliegende Jahre betreffen kann. Im Streitfall ging es um Steueransprüche für die Jahre ab 1989; der Haftungstatbestand wird nach der besprochenen BFH-Entscheidung erst dann erfüllt, wenn der Vorstand es unterläßt, die Steueransprüche des Fiskus zu erfüllen.

Ein weiterer bedeutsamer Aspekt bei Haftungsbescheiden ist immer die Frage, ob das Finanzamt sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, denn der Erlaß des Haftungsbescheides selbst sowie die Auswahl des Haftenden sind in das Ermessen der Behörde gestellt. Im Streitfall hatte das Finanzamt neben dem Kläger auch das geschäftsführende Vorstandsmitglied sowie den Kassierer für die Steuerschulden des Verbandes haftbar gemacht.

Gesamtschuldnerische Haftung

Der Kläger hat sich ohne Erfolg darauf berufen, daß es neben der Heranziehung dieser Personen seiner Haftungsinanspruchnahme nicht mehr bedurft hätte. Der Bundesfinanzhof hat dies jedoch nicht als ermessensfehlerhaft angesehen.

Einschneidend ist schließlich die Entscheidung des Bundesfinanzhofes, daß der Haftungsinanspruchnahme eines Vorstandsmitglieds auch nicht die Tatsache entgegenstehe, daß die Haftung für ihn eine große und seine wirtschaftliche Existenz gefährdende Belastung darstelle. Auch eine mögliche Diskrepanz zwischen dem Maß des persönlichen Verschuldens und der Höhe der Haftungsschuld sieht der Bundesfinanzhof nicht als Grund für die Annahme eines Ermessensfehlers der Behörde an.

Im Ergebnis dürfte diese Entscheidung des Bundesfinanzhofes viele Verbandsvorstände unvorbereitet treffen. Im eigenen Vermögensinteresse sollten Verbandsvorstände daher vorbeugend für steuerlich geklärte Verhältnisse innerhalb ihres Verbandes sorgen.

Gegebenenfalls sollten schriftliche Vereinbarungen über die Abgrenzung der Zuständigkeiten innerhalb des Vorstandes getroffen werden. Diese gelten dann allerdings wegen des steuerlichen Rückwirkungsverbotes nur für die Zukunft.

Handlungsbedarf gibt es in gleicher Weise für Berufs- und Wirtschaftsverbände wie für gemeinnützige Vereine.

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Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.

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