Verbändereport AUSGABE 2 / 2013

Den Kopf aus der Schlinge ziehen

Antworttricks bei kritischen Fragen

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Fußballtrainer Otto Rehhagel hat mich vor einem Interview gefragt: Werden Sie mir Fangfragen stellen? Nein, natürlich nicht. Er wusste, dass ich ihm dies ja auch nicht verraten würde. Wollte er mir signalisieren, dass er mit solchen Fragen umzugehen weiß?

Nicht nur Journalisten fragen, um etwas herauszukitzeln, was der Gesprächspartner nicht verraten will, oder gar, um jemanden bloßzustellen. Das kann auch bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion passieren. Gerade Meinungen und Thesen von Verbandsvertretern werden gerne kritisch hinterfragt. Wer für einen Verband spricht, dessen Aussage hat Gewicht, nicht nur für den Sprecher, sondern für eine ganze Branche oder Interessengemeinschaft. Die Antwort hat eine weitreichende Bedeutung. Das macht kritisches Hinterfragen bei jeder Gelegenheit interessant.

Aufmerksamkeit erheischen

Warum wird ständig alles kritisch hinterfragt, warum wird provoziert? Es ist nicht nur, weil wir in einem demokratischen Rechtsstaat leben,  der uns Meinungsfreiheit erlaubt, und eine Informationspflicht gegenüber dem Bürger besteht. Es geht beim kritischen Fragen vor allem auch darum, dem Publikum etwas zu bieten, das die Erwartungen übertrifft, etwas, das nicht vorhersehbar ist. Man will einen „Hinhörer“ bieten,  Aufmerksamkeit erreichen. Eine Podiumsdiskussion oder eine Talkshow ohne spannende Fragen, bei denen man nicht weiß, wie der Gesprächspartner reagiert, wären langweilig.  Manchmal gehen dabei beim Fragenden die Zügel durch nach dem Motto: Je skandalöser, desto besser. Das macht das Antworten unangenehm.

Immer die gleichen Fragen

Journalisten erlernen Fragetechniken, mit denen man bestimmte Arten von Antworten erzielen kann. Wenn sich der Befragte mit diesen Techniken auskennt, ist dies von großem Vorteil. Es wird nämlich immer die gleiche Art von Fragen gestellt, wenn es um ein kritisches Thema geht (siehe Kasten).

Leichter antworten durch Fragen-Scanner

Im Folgenden werden ein paar Fragearten vorgestellt, die in kritischen Interviews häufiger vorkommen. Durchdringt man den Zweck der Frage, gibt es Antwortmöglichkeiten, die stets einsetzbar sind. Je schneller Sie erkennen, um welche Art der Frage es sich handelt, desto souveräner sind Sie in der Antwort.

1. Hypothetische Frage, Zukunftsfrage

Beispiel: „Wie würden Sie entscheiden, wenn Sie als Verbandsmitglied alleine die Möglichkeit hätten ...“

Der Interviewpartner wird getestet, ob er spontan ist, wie er auf die Frage reagiert. Eine mürrische oder widerstrebende Antwort wird dabei einkalkuliert oder sogar bewusst provoziert.

Gefahr:  Sie sind verärgert. „Die Frage stellt sich doch gar nicht ...“ Sie wirken arrogant oder ausweichend.

Lösungsmöglichkeit: Nehmen Sie die Frage mit Humor. „Na, da wollen Sie mich jetzt aber in die Zange nehmen ...“, „Ich bin auch kein Hellseher, aber so viel kann ich sagen: …“

Oder sagen Sie, wie die Frage bei Ihnen ankommt, wie Sie sich dabei fühlen. „Sie wollen mich mit dieser Frage in eine Antwort drängen, die ich doch unmöglich beantworten kann.“

Wenn Sie zeigen, dass Sie die hypothetische Art der Fragestellung durchschauen, wirken Sie sehr souverän.

2. Vorstellende Frage (Namensfrage), emotionale Fragen

Beispiel: „Wie fühlen Sie sich dabei als Verbandspräsident, Herr Müller?“

Das ist eine Frage, in die ganz bewusst der Name oder die Funktion des Angesprochenen eingebaut wird. Der Fragensteller will einen Sachverhalt direkt mit der Person in Verbindung bringen. Diese Frageform ist sehr direkt, verhindert aber, dass sich der Gesprächspartner in Allgemeinplätze flüchtet.

Gefahr: Sie antworten zu nüchtern, zu unpersönlich und gehen gar nicht auf die persönliche Perspektive ein: „Wir haben diesen Entschluss gemeinsam gefasst, wir stehen alle dahinter.“

Lösungsmöglichkeit: Wenn Sie direkt angesprochen werden, antworten Sie am besten ganz konkret. Lassen Sie die Frage an sich heran. Antworten Sie in der Ich-Form. Bauen Sie emotionale Beispiele oder wertende Adjektive ein. „Das ist nicht einfach für mich. Aber ...“  Lenken Sie dann weg von sich, wenn Sie wollen. Sie können auf der Beziehungsebene punkten und Nähe herstellen.

3. Suggestivfrage

Beispiel: „Finden Sie nicht auch, dass das Bauvorhaben völlig unrealistisch ist?“

Der Fragende „verschwört“ sich mit Ihnen. Sie werden in eine Richtung gedrängt. Es wird Ihnen damit psychologisch erschwert, etwas völlig Entgegengesetztes zu antworten. Suggestivfragen erkennen Sie an bestimmten Einschubwörtern, z. B. doch, auch, natürlich.

Gefahr: Sie tappen in die Falle und antworten in die gedrängte Richtung oder Sie weisen den Fragenden deutlich zurück: „Ganz und gar nicht …“ Sie werden damit auch bewusst zu einer drastischen Aussage verleitet, das NEIN von Ihnen ist eingeplant.

Lösungsmöglichkeit: Lassen Sie sich nicht vereinnahmen. Stellen Sie richtig oder neutralisieren Sie. Bringen Sie Ihre These durch: „Das Bauvorhaben wird, wenn es umgesetzt ist, für viele Menschen eine Erleichterung bieten. Deswegen wird es dieses Projekt geben, wie schwierig es auch sein mag.“

Oder: „Realistisch ist, dass wir in zwei Wochen mit dem Projekt beginnen, und dies ist genau im Zeitplan.“

Sie können Ihre Position unabhängig von der Frage anbringen. Das Publikum merkt, dass Sie sich nicht in eine Richtung drängen lassen. Dies zeigt, dass Sie eine eigene Position vertreten.

4. Vorgabefrage/Aussagefrage/Balkonfrage

Beispiel: „Laut aktueller GfK-Studie sind die Imagewerte für Ihre Branche aufgrund des letzten Skandals drastisch zurückgegangen. Da sind Unternehmenspleiten wohl vorherzusehen?“

Der Fragende beruft sich auf aussagekräftige Quellen und konfrontiert Sie damit. Diese Strategie lässt ihn kompetent und fundiert klingen und vor allem objektiv wirken. Außerdem kann der Fragensteller dabei selbst das Thema eingrenzen.

Gefahr: Der Fragende liefert eine Zusammenfassung von Fakten, welche die Sachlage nicht objektiv erfasst. Lassen Sie die Vorgabe so stehen, dann schaffen Sie ein Faktum. Eine andere Falle ist, dass Sie den vermeintlichen Beweis nicht ernst nehmen: „Das kann schon sein, aber ...“ Sie wirken leicht überheblich.

Lösungsmöglichkeit: Stellen Sie immer sofort richtig, wenn etwas nicht berücksichtigt wurde:

„Sie beziehen sich auf einen Vorfall, der 20 Jahre zurückliegt, …“

Gute Vorbereitung ist hier alles. Recherchieren Sie die Gegenargumente: Was meinen die Gegner, welche Vorurteile kursieren? „Wir haben dieses Jahr 328 neue Mitglieder begrüßt. Es geht also aufwärts.“

Wer gute Fakten entgegensetzen kann, wirkt äußerst kompetent und seiner Sache sicher.

Beste Vorbereitung durch VorabCheck

Um auf einem Podium oder einer Talkshow gut auszusehen, gelten ein paar wichtige Regeln:

Lassen Sie sich alles zusammenstellen, was aktuell zum Thema publiziert wurde.

Geben Sie nur gesicherte Fakten preis. Vermutungen („Ich meine, wir haben den Break-even-Point erreicht …“) verunsichern das Publikum.

Erkundigen Sie sich, wer außer Ihnen noch befragt wird.

Informieren Sie sich über die allgemeine Stimmung in den Medien zu dem Thema.

Denken Sie über die Position nach, die Ihnen zugeteilt wird: Experte, der Böse oder der Gute, der Betroffene.

Aggressive Gesprächspartner in Schach halten

Eigentlich kann Ihnen nichts Besseres passieren als jemand, der versucht, Sie bösartig zu provozieren. Machen Sie sich klar: Wenn ein Gesprächspartner Ihnen gegenüber aggressiv wird oder Sie beleidigend angreift, bedeutet dies, dass er mit sachlichen Argumenten am Ende ist. Das ist Ihre Chance zu punkten! Begeben Sie sich niemals auf die gleiche Ebene! Demonstrieren Sie keine Überlegenheit („Sie sind offenbar mit Ihrem Latein am Ende“). Das würde arrogant wirken. Und schlagen Sie niemals zurück: Stellen Sie die angreifende Person nicht bloß („Schauen Sie sich doch an, ...“). Sie würden unsympathisch wirken.

Das All-Round-Mittel Gegenfrage

Was tun, wenn man spontan keine passende Antwort weiß. Da wurde der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer doch gar bei einer offiziellen Reise nach Portugal mit der kuriosen Tatsache konfrontiert, dass Bayern ein unabhängiger Staat sei …. Was tun in so einer Situation? „Wenn ich nicht weiß, was ich antworten soll, dann stell ich eben eine Gegenfrage“, so der medienversierte Ministerpräsident (Neujahrsempfang des Bayer. Ministerpräsidenten, München 11.1.2013). Und damit hat er recht. Das funktioniert immer. Es kommt aber darauf an, wie man fragt. Gegenfragen sind dazu da, eine Behauptung als falsch zu identifizieren: „Woher haben Sie denn das?“ oder eine unklare Frage einzugrenzen: „Was meinen Sie denn damit genau?“. Der Trick liegt darin, dass Sie Zeit zum Überlegen gewinnen. Der schöne Nebeneffekt dabei ist, dass Sie dem Publikum und dem Gesprächspartner das Gefühl geben, aufmerksam und konzentriert zu sein.

Rettungssätze

Wenn Sie nicht konkret antworten können oder wollen, gilt es eine unangenehme Antwort abzuwenden. Dafür gibt es sogenannte Rettungsphrasen. Diese sind dazu da, die Frage als ernst zu nehmend anzunehmen, aber die Antwort dennoch umzuleiten. „Das ist schwierig zu beantworten. Ich beginne mit ...“. Oder „Darüber müssen wir nachdenken, ja. Aber ...“

Niemals schwafeln

Wenn Sie Zahlen oder Fakten nicht nennen können bzw. dürfen, dann bitten Sie lieber um Verständnis, als dass Sie mit Circa-angaben hantieren oder auf übergeordnete Stellen verweisen müssen. „Eine Antwort kann ich jetzt nicht geben, das verstehen Sie sicherlich. Es ist aber so, dass …“

Bleiben Sie bei der Sache

Lassen Sie sich durch einen persönlichen Angriff nicht von der Sache ablenken. Greifen Sie die aggressive Bemerkung auf, aber leiten Sie sofort wieder zum Sachverhalt zurück. „Ich möchte sachlich bleiben, daher ein paar Fakten …“ Bei einer wirklichen Beleidigung sagen Sie auch deutlich, dass Sie dies als beleidigend empfinden.

Wer nicht schlagfertig ist, sollte sich so gut vorbereiten wie möglich. Und vor allem Live-Situationen meiden. Es gilt: Immer die Ruhe bewahren! Was gesagt ist, kann man nicht rückgängig machen.

Apropos … es ist gut gelaufen, das Interview mit Otto Rehhagel. Ich habe keine Fangfragen gestellt, es war ja auch für eine Nachmittagssendung im Radio. Natürlich können medienerfahrene Interviewpartner Fragen abfangen. Aber die Angst, einer Frage doch mal auf den Leim zu gehen, bleibt auch bei Medienprofis wie Otto Rehhagel.

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Autor/in

Daniela Burkhardt

arbeitete viele Jahre als Hörfunk- und Fernsehjournalistin sowie als Talk-Moderatorin, vor allem für den Bayerischen Rundfunk, aber auch für private Sender wie Sat1. Nach einem „Seitenwechsel“ war die promovierte Germanistin und ausgebildete Journalistin als Pressesprecherin tätig. Als Medien- und Rhetorik-Coach bereitet sie nun Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Showbusiness gezielt auf öffentliche Auftritte in den Medien (Statements, Interviews, Talkshowauftritte) und vor Publikum (Podium, Fachvorträge) vor. Sie entwickelt außerdem mit ihrem Unternehmen EDLAB außergewöhnliche Publicity-Medien-Projekte.

http://www.bc-zwei.de

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