Kaffee ist Lifestyle, Kaffee ist der schnelle „Latte to go“ auf die Hand, Kaffee ist Genuss. Und Kaffee ist Tradition. „Kaffee gehört zu Hamburg wie der Michel oder die Reeperbahn“, weiß Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbandes. Wo könnte der Deutsche Kaffeeverband also seine Geschäftsstelle haben, wenn nicht in der norddeutschen ¬Metropole inmitten der traditionsreichen Speicherstadt mit Ausblick auf futuristische Büro¬gebäude der angrenzenden Hafencity. Die Lage spiegelt die Einstellung des Verbandes wider: die Wurzeln ganz traditionell, die Arbeit zeitgemäß und mit dem Blick in die Zukunft.
Tradition trifft Moderne
Die Bilder, die die Geschäftsstelle des Deutschen Kaffeeverbandes schmücken, erzählen von hanseatischer Tradition. Überall hängen alte Stiche der Speicherstadt von vor hundert Jahren und ein großes Ölgemälde, das eine Schute zeigt, aus der Arbeiter Kaffeesäcke in einen Speicher hineinhieven. Statt alter Schuten und Speicher sieht man jetzt aus dem Sitzungsraum des Verbandes die Kräne der Hafencity, die Hamburgs modernsten Stadtteil bauen. Ein Widerspruch? Keineswegs, genauso wie es im Kaffeeverband keinen Widerspruch gibt zwischen Tradition und Moderne. Denn seitdem vor knapp drei Jahren der Jurist Holger Preibisch den Sitz des Hauptgeschäftsführers übernommen hat, hat sich der Verband deutlich gewandelt.
„Das Image von Kaffee hat sich verändert. Was früher reines Genussmittel und Luxusgut war, steht heute als ‚Coffee to go‘ für die moderne und dynamische Gesellschaft und genießt vor allem bei der jungen Zielgruppe wie Schülern und Studenten ein sehr trendiges Ansehen. In diese Richtung hat sich der Kaffeeverband zusammen mit dem Produkt Kaffee entwickelt – ohne seine Wurzeln zu vergessen“, beschreibt Holger Preibisch den Wandel des Kaffeeverbandes.
Die Themenvielfalt hat in den letzten Jahren zugenommen. Viele ernste Aspekte sind aufgekommen, die komplexer geworden sind und einen umfassenden Überblick voraussetzen, wie z. B. Umweltschutz, Emissionen der Kaffee verarbeitenden Anlagen oder nachhaltiger Kaffeeanbau. „Außerdem haben die Konsumenten in den letzten Jahren ein hohes Ernährungsbewusstsein entwickelt. Da ist es wichtig, das Lieblingsgetränk der Deutschen im Hinblick auf seine gesundheitlichen Wirkungen zu untersuchen und diese zu kommunizieren“, so Preibisch. „Gleichzeitig müssen wir als Verband darauf achten, die Health-Claim-Verordnung zu erfüllen. Der Gesetzgeber verbietet einige Aussagen zu gesundheitlichen Wirkungen von Lebensmitteln, obwohl diese wissenschaftlich belegt sind. Dieser Spagat zwischen Wahrheit und gesetzlicher Realität ist nicht immer einfach.“
Der Verband als Service- und Anlaufstelle
Das Team des Verbandes besteht insgesamt aus fünf Mitarbeitern in Vollzeit. Diese kümmern sich u. a. um gesetzliche Rahmenbedingungen und Nachhaltigkeit sowie die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Morgens um neun Uhr werden als erstes die Kaffeepreise des Vortages bei einigen Händlern abgefragt, mit den Preisen der Bremer Händler verglichen und an die ICO, die International Coffee Organisation, nach London geschickt. „Das war es dann aber auch fast schon mit Routine“, lacht Preibisch. „Ständig kommen neue Anfragen, ob per E-Mail oder Telefon, ob zur Kaffeesteuer oder zu Anbaubedingungen, ob zu ausgefallenen Kaffeesorten oder dem optimalen Härtegrad beim Kaffeekochen.“ In erster Linie ist der Deutsche Kaffeeverband Servicestelle für seine rund 140 Mitglieder, für Schulen, Universitäten oder Auszubildende, die sich mit dem Thema Kaffee beschäftigen, oder Kaffeeliebhaber, die Bücher, Poster oder Filme wünschen. Auch Daten, Zahlen und Fakten zum Kaffeemarkt, deutsch, europäisch und international, sind gefragt. Dafür wird der Markt ständig beobachtet und einmal im Jahr der „Kaffee-Kompass“, der offizielle Jahresbericht des Verbandes, herausgegeben. Zudem werden die Mitglieder regelmäßig durch Rundschreiben über aktuelle Themen informiert. Neben dem Tagesgeschäft sind es aber v. a. die vielen Projekte und Themen, die die Arbeit des Verbandes so abwechslungs- und umfangreich gestalten.
Kaffee ist eines der wichtigsten Welthandelsgüter. Rund 100 Millionen Menschen leben weltweit vom Kaffeeanbau und -handel. Für die Schwellenländer ist Kaffee ein wichtiges Agrarprodukt. Um diesen internationalen Aspekt abzudecken, ist es wichtig, sich regelmäßig mit anderen Organisationen auszutauschen. Da findet ein Meeting schon einmal in Brasilien statt. Den Ursprung zu bereisen, ist wichtig, dennoch kaum entspannend, schließlich gilt es, wichtige und ernste Themen wie Pestizideinsatz, Nachhaltigkeit und Zollregeln zu behandeln. Diese Inhalte werden auch beim Deutschen Kaffeeverband direkt in Arbeitskreisen und Ausschüssen diskutiert. Dabei treffen sich Botaniker und Analytiker der Mitgliedsunternehmen ebenso zum Austausch über Qualitätssicherung und Umweltthemen wie Pressesprecher oder Geschäftsführer zum PR-Ausschuss. „Der Austausch untereinander ist wichtig und maßgeblich für den Verband“, so Preibisch.
Zukunftsorientiertes Arbeiten durch Förderung des Nachwuchses
„In der Kaffeewelt geht man nicht in Rente“, heißt ein altes hanseatisches Sprichwort. Trotzdem muss an die Nachfolge gedacht werden. Der Verband fördert deshalb sowohl junge Auszubildende der Kaffeewirtschaft als auch Studenten zweier Hamburger Hochschulen. „Schließlich liegt es der Kaffeebranche am Herzen, dass der Nachwuchs gefördert wird und für die Kaffeewelt relevante Themen als Lehrinhalte vermittelt werden“, sagt Preibisch.
Hierbei zeigt sich ein perfektes Miteinander von Tradition und Moderne. So bietet der Verband viermal jährlich Seminare für Auszubildende an, die in Kaffeeunternehmen lernen. Dabei tauchen die jungen Teilnehmer zwei Tage lang in die ganze Welt des Kaffees ein: Alte Hasen aus dem Kaffeegeschäft referieren über Anbau und Verarbeitung, die Rösterei nebenan schenkt seltene Kaffees wie Kopi Luwak oder Jamaica Blue Mountain zum Verkosten aus und Handelsprofis versuchen, den angehenden Kaffeefachleuten das komplexe Börsengeschäft näher zu bringen. Auch Nachhaltigkeit, Gesundheit und Pressearbeit sind Teile der Seminare.
Der Deutsche Kaffeeverband kooperiert zudem mit zwei Hamburger Hochschulen. So können Interessenten seit Beginn des Jahres an der Northern Business School (NBS) den berufsbegleitenden Studiengang „Coffeemanagement“ belegen, der neben betriebswirtschaftlichen Grundlagen auch Inhalte vermittelt, die speziell auf eine Position in Kaffeeunternehmen zugeschnitten sind. Der Verband unterstützt die Hochschule bei der Auswahl von passenden Referenten und Dozenten und leistet somit einen Beitrag zur Sicherung der Qualität des Studienganges.
Auch die private Fresenius-Hochschule kann seit Anfang des Jahres auf die Unterstützung des Verbandes setzen. Als Kooperationspartner ist der Verband bei der Themenauswahl für bestimmte Projekte innerhalb der Studiengänge Media Management, Business Psychology, Business Administration, Health Care Business Management und Business Law behilflich. „Wir als Verband können den Studenten interessante Praxisprojekte bieten“, erklärt Preibisch. So entsteht eine klare Win-win-Situation: Die Ausarbeitung der Themen ist für die Kaffeewirtschaft von Interesse und kann neue Impulse geben, der Verband dagegen ist Ansprechpartner für Fachfragen und unterstützt in seiner Funktion die Hochschule auch als ideeller Träger.
Moderne Gesundheitskommunikation gegen alte Vorurteile
„Kaffee entzieht dem Körper keine Flüssigkeit“, „Kaffee kann vor Diabetes schützen“, „Kaffeetrinker leben länger“ – Schlagzeilen wie diese sind schon lange keine Seltenheit mehr. Das Thema Kaffee und Gesundheit steht beim Deutschen Kaffeeverband mit ganz oben auf der Prioritätenliste. „Konsumenten achten heutzutage mehr auf ihre Gesundheit und wollen wissen, was in dem Getränk steckt, was sie tagtäglich trinken“, sagt Preibisch. „Die ganzen alten Vorurteile, die unsere Großeltern noch kennen, sind mittlerweile überholt.“ Regelmäßig sendet Roger Cook, Beauftragter des Coffee Science Information Centres (COSIC) in London, relevante Studien zu Kaffee und Gesundheit. Jährlich werden Hunderte von Studien veröffentlicht, die sich mit den gesundheitlichen Wirkungen von Kaffee auf den menschlichen Körper beschäftigen.
Die Studienergebnisse werden ausgewertet, bei Bedarf, z. B. einer Richtigstellung eines falschen Artikels in der Zeitung, zitiert. Zudem wurden die Studien in zwei Broschüren zusammengefasst, die der Deutsche Kaffeeverband in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Grünen Kreuz erstellt hat. Die Kooperation mit dem Deutschen Grünen Kreuz, einer renommierten Institution für Gesundheitskommunikation und Prävention, geht noch darüber hinaus. „Gerade in der Kommunikation mit Ärzten und Apothekern arbeiten wir eng mit dem Deutschen Grünen Kreuz zusammen“, erklärt Preibisch. Dazu gehören gemeinsame Auftritte auf großen Messen und Kongressen, die Erstellung der Website www.kaffee-wirkungen.de, die sich besonders an das Fachpublikum wendet, sowie Publikationen. Publikumsanfragen bezüglich der gesundheitlichen Wirkungen von Kaffee dagegen werden hausintern von der Ökotrophologin Birgit-Christin Wittek bearbeitet.
Vom Kaffeehaus zum Coffeeshop – Zwischen Tradition und Trend
In den letzten Jahren tranken die Bundesbürger durchschnittlich bis zu 148 Liter Kaffee und damit mehr Kaffee als Wasser oder Bier. Rund 800 Artikel befassen sich jährlich mit Kaffee und beziehen sich auf Quellen des Kaffeeverbandes. Da war es an der Zeit, das Lieblingsgetränk der Deutschen mit einem eigenen Tag zu würdigen. Nach dem Vorbild der Österreicher, die ihre traditionelle Kaffeekultur seit gut fünf Jahren am 1. Oktober feiern, hat der Deutsche Kaffeeverband im Jahr 2006 den deutschen „Tag des Kaffees“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, das Produkt Kaffee in den Vordergrund zu stellen, den Konsumenten zu informieren und eine breite, auch mediale, Öffentlichkeit zu schaffen. Preibisch: „Wir möchten zum ‚Tag des Kaffees‘ die vielen Facetten von Kaffee aufzeigen und unter verschiedenen Gesichtspunkten dem Verbraucher näherbringen.“ Dabei soll natürlich auch der Nutzen für die einzelnen Unternehmen nicht zu kurz kommen. „Wir als Verband stellen die Plattform und geben unseren Mitgliedern die Chance, sich im Rahmen dieses Tages mit Marketingaktivitäten zu positionieren.“ In den vergangenen Jahren konnten jährlich über 100 Unternehmen, ob traditionelles Café oder stylisher Coffeeshop, zur Teilnahme begeistert werden. Showröstungen, Werksführungen oder „Tage der offenen Tür“ standen auf dem Programm. Feierlichkeiten auf dem Bremer Marktplatz und anderen, jährlich wechselnden Standorten rundeten die Aktivitäten des „Tag des Kaffees“ ab. Prominente Schirmherrn wie Moderatorin Nina Ruge, der smarte Schauspieler Erol Sander oder NDR-Moderator Yared Dibaba haben in den vergangenen Jahren den „Tag des Kaffees“ unterstützt. Auch in diesem Jahr findet der „Tag des Kaffees“ am letzten Freitag im September statt.
Mit neuen Ideen in die Zukunft
Der Kaffeemarkt ist ständig in Bewegung, und so ist es auch beim Deutschen Kaffeeverband. Alle Ideen und Projekte werden mit den verbandsinternen Gremien diskutiert. „Manchmal ist es ein langer Weg, bis der Startschuss zu einem Projekt fällt – doch bisher hat es sich jedes Mal für das Produkt Kaffee und die Mitgliedsfirmen gelohnt.“ Für die nächsten Jahre hat der Verband schon einige neue Highlights ins Visier genommen: Neugestaltung der Website, Einkaufsvorteile für Mitglieder und eine eigene Fachmesse sind die Großprojekte für die nächste Zeit.Der Wind weht den Duft von frisch geröstetem Kaffee durch die Speicherstadt. Ganz klar ist hier der Kaffee zu Hause. Und mit ihm sein Branchenverband.